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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Einfluss kultureller Vielfalt unter Beschäftigten auf die Patientensicherheit – Identifikation des Kompetenzbedarfs mit Fokusgruppen

Meeting Abstract

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  • Hilke Mansholt - Universität Osnabrück, New Public Health, Osnabrück, Germany
  • Birgit Babitsch - Universität Osnabrück, New Public Health, Osnabrück, Germany
  • Nina-Alexandra Götz - Universität Osnabrück, New Public Health, Osnabrück, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf375

doi: 10.3205/19dkvf375, urn:nbn:de:0183-19dkvf3752

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Mansholt et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Vielfalt der Ethnizitäten und Kulturen spiegelt sich nicht nur in der Gesellschaft Deutschlands wider, sondern auch bei den Fachkräften der Gesundheitsversorgung. Letzteres wird vor allem durch die aktive Rekrutierung von Fachkräften mit Migrationshintergrund verstärkt. Bezüglich dieser zunehmenden Heterogenität weist die aktuelle Studienlage auf positive und negative Auswirkungen für die Gesundheitsversorgung hin [1]. Es liegen bereits Konzepte wie „(inter-)cultural competency“ oder „intercultural communication“ vor, welche sich auf Kompetenzen in der Pflege von Patient*innen mit Migrationshintergrund fokussieren. Dennoch wird der Fokus selten auf konkrete Hinweise zur Patientensicherheit oder auf die Sicherheitskultur von Gesundheitseinrichtungen gelegt. Des Weiteren gibt es Wissenslücken, ob und welche spezifischen Kompetenzen für einen patientensicheren Umgang mit Diversität innerhalb von Teams benötigt werden.

Dieser Frage wird im GIO-Teilprojekt „Einfluss kultureller Vielfalt in heterogenen Teams auf die Patientensicherheit“ nachgegangen, indem Kompetenzen für einen sicheren Umgang mit kultureller Vielfalt zwischen Mitarbeitenden identifiziert und ein interaktives Lernangebot entwickelt wird. Hierzu werden im Rahmen eines iterativen Multi-Methoden-Ansatzes empirische Daten erhoben und in konkrete Lehr-Lern-Angebote übersetzt.

Fragestellung: Die übergeordnete Forschungsfrage des Teilprojekts lautet: „Welche Kompetenzen benötigen Mitarbeiter*innen in heterogenen Teams (im Sinne der Kultursensibilität) zur Gestaltung einer Sicherheitskultur in Krankenhäusern und wie kann die Kompetenzentwicklung hierfür gestaltet werden?

Methode: Neben anderen empirischen Zugängen wurde zur Identifikation von Kompetenzen Fokusgruppen mit Studierenden durchgeführt. Die Datenerhebung der drei qualitativen Fokusgruppen fand im Zeitraum von Januar bis Februar 2019 statt. Insgesamt nahmen elf Student*innen im Alter von 21 bis 28 Jahren aus den Pflege- und Gesundheitswissenschaften teil. Voraussetzung für die Teilnahme an den Fokusgruppen war eine abgeschlossene Ausbildung im Gesundheitsbereich, wie z. B. examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger*innen. Die Gespräche wurden digital aufgezeichnet und dauerten im Durchschnitt 60 Minuten. Die erhobenen Daten wurden daraufhin inhaltsanalytisch-induktiv nach Mayring [2] mit der Software MAXQDA ausgewertet. Das induktiv gebildete Kategoriensystem wurde von einer weiteren Person zur Überprüfung der Intercoderreliabilität recodiert und überprüft und Abweichungen im Konsens gelöst.

Ergebnisse: Durch die induktive Auswertung des Interviewmaterials ergaben sich zehn Kategorien. Die Kategorie „Kommunikation“ wurde als zentrale Kompetenz bzw. Kompetenzbereich hinsichtlich des adäquaten Umgangs mit kultureller Vielfalt in heterogenen Teams erachtet. Des Weiteren wurden die Kategorien „Offenheit“, „Interesse“, „Akzeptanz“, „Vorurteile“, „Empathie“ und das „Verständnis gegenüber anderen Kulturen“ induktiv gebildet als potentielle beitragende Faktoren für die Patientensicherheit. Darunter verstanden die Teilnehmer*innen z. B. die Handhabung von Religion, Werten und Bräuchen. Ebenfalls als wichtig für den Einfluss auf Patientensicherheitsaspekte wurde die Kompetenz „Differenzierung“ identifiziert, bei der Mitarbeiter*innen in der Lage sein sollten, kulturell spezifische Verhaltensweisen ihrer Kollegen*innen nicht persönlich zu nehmen. Eine weitere Kompetenz stellte die „Verantwortung“ dar, bei der Mitarbeiter*innen z. B. auf Sprachdefizite oder fehlendes Fachwissen ihrer Kollegen*innen aufgrund der Ausbildung in einem anderen Land Rücksicht nehmen.

Diskussion und praktische Implikationen: Zurzeit weist die Literatur kaum spezifische Kompetenzen zum Umgang mit kultureller Vielfalt innerhalb von heterogenen Teams in Hinblick auf die Patientensicherheit auf. In der Auswertung der Fokusgruppen finden sich Übereinstimmungen mit Konzepten wie „(inter-)cultural competency“ oder „intercultural communication“. Diese Konzepte fokussieren sich jedoch auf Pflege von Patient*innen mit Migrationshintergrund und nicht auf die Zusammenarbeit unter Mitarbeitenden. Anhand weiterer qualitativer Interviews mit Mitarbeiter*innen aus dem Krankenhausbereich, die in heterogenen Teams arbeiten, soll deshalb ermittelt werden, inwiefern die identifizierten Kompetenzen bestätigt werden oder ob weitere, bisher noch nicht genannte Kompetenzen als wichtig erachtet werden und somit auch für die Konzeption eines Teamtrainings berücksichtigt werden sollten.


Literatur

1.
Milliken FJ, Martins LL. Searching for Common Threads. Understanding the Multiple Effects of Diversity in Organizational Groups. Academy of Management Review. 1996;21(2):402-433.
2.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12., überarb. Aufl. Weinheim, Basel: Beltz; 2015.