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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Anastomoseninsuffizienz und 30-Tage-Mortalität nach elektiver Kolon- oder Rektumkarzinomoperation: Eine Auswertung von 61.449 Fällen der Jahre 2015–2017 aus 284 zertifizierten Darmkrebszentren

Meeting Abstract

  • Christoph Kowalski - Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Versorgungsforschung, Berlin, Germany
  • Julia Ferencz - OnkoZert GmbH, Datenmanagement, Neu-Ulm, Germany
  • Sebastian Dieng - OnkoZert GmbH, Datenmanagement, Neu-Ulm, Germany
  • Simone Wesselmann - Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Zertifizierung, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf372

doi: 10.3205/19dkvf372, urn:nbn:de:0183-19dkvf3723

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Kowalski et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Abbildung der Versorgungsrealität ist in Deutschland nach wie vor schwierig. Klinische Studien beispielsweise sind hierzu aufgrund der Ein- und Ausschlusskriterien weitgehend ungeeignet; Abrechnungsdaten liegen nach Versicherern getrennt vor und es fehlen für viele Erkrankungen wesentliche Informationen (z. B. das Stadium bei Krebs); die Zusammenführung von Ergebnissen klinischer Krebsregister findet nur vereinzelt statt; Daten anderer Registerstudien (auch wenn sie als „Real-Life-Data“ bezeichnet werden) sind i. d. R. durch Selektion verzerrt und zum Zweck der Qualitätssicherung in der Routine dokumentierte Daten sind häufig (noch) nicht hinreichend für Forschungszwecke erschlossen. Dieser Beitrag stellt Ergebnisse aus der Dokumentation zertifizierter Darmkrebszentren vor, die mit einem einmalig durchgeführten Datentransfer (sog. „Datenblatt+“) gewonnen wurden.

Fragestellung: Sind Stadium, Alter und Geschlecht bivariat mit dem Auftreten von Anastomoseninsuffizienzen nach Kolon- und Rektumkarzinomoperation sowie der 30-Tage-Mortalität assoziiert?

Methode: Retrospektive Analyse von Qualitätssicherungsdaten.

Die Anforderungen der Deutschen Krebsgesellschaft zur Zertifizierung von Darmkrebszentren sehen u. a. die Erfüllung dreier chirurgischer Kennzahlen mit Sollvorgaben (Anastomoseninsuffizienz Kolon, Anastomoseninsuffizienz Rektum, 30-Tage-Mortalität) für Patientinnen und Patienten nach elektiver Operation vor. Zentren dokumentieren diese Informationen patientenweise und übermittelten die Kennzahlen für das Zertifizierungsverfahren bislang lediglich aggregiert pro Zentrum, so dass keine Darstellung von Zusammenhängen mit Patientinnenmerkmalen möglich war. In diesem Beitrag wird erstmal ein nach Stadium, Alter und Geschlecht stratifiziert veranlasster Datentransfer vorgestellt, der Unterschiede in den drei chirurgischen Kennzahlen wenigstens nach diesen drei Patientinnenmerkmalen zulässt. Untersucht werden bivariate Zusammenhänge bei 61.449 Fällen der Jahre 2015-2017 aus insgesamt 284 zertifizierten Darmkrebszentren.

Ergebnisse: 2,9% der Männer und 2,2% der Frauen starben innerhalb von 30 Tagen nach elektiver Operation. Dieser Unterschied ist statistisch ebenso auffällig wie der Zusammenhang mit höherer Altersgruppe (gruppiert nach ≤49; 50-69; ≥70) und der 30-Tage-Mortalität. Es zeigt sich kein klarer Stadiengradient für die 30-Tage-Mortalität, aber Patientinnen und Patienten mit Stadium IV sterben deutlich häufiger innerhalb von 30 Tagen als solche mit Stadium I-III. 10,2% der Patienten und 5,6 % der Patientinnen hatten eine Anastomoseninsuffizienz nach Rektumkarzinom-Operation, 5,9 bzw. 3,5% nach Kolonkarzinom-Operation (Unterschied zwischen Männer und Frauen jeweils statistisch auffällig). Das Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz nach Rektumkarzinom-Operation ist bei Männern auffällig mit höherem Stadium und geringerem Alter assoziiert, bei Frauen mit höherem Stadium und höherem Alter. Das Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz nach Kolonkarzinom-Operation ist bei Männern mit höherem Alter assoziiert, bei Frauen mit höherem Stadium und in der jüngsten Altersgruppe häufiger als in den beiden übrigen.

Diskussion: Die hohe Vollzähligkeit und Vollständigkeit, die Plausibilisierung der Dokumentation im Audit und die große Stichprobe ermöglichen einen guten Überblick über die Versorgungsrealität. Im internationalen Vergleich erzielen die untersuchten Zentren gute Ergebnisse, was auch an der Positivselektion durch die Beschränkung auf zertifizierte Zentren liegt. Zertifizierte Zentren behandeln aktuell etwa 40% der Primärfälle mit Darmkrebs in Deutschland. Die Analyse der Determinanten der untersuchten Komplikationen bleibt aufgrund der Datenstruktur, die keine multivariablen Analysen auf Patientenebene erlauben, limitiert. Zwar sind mit Alter, Geschlecht und Stadium wesentliche aus der Literatur bekannte Risikofaktoren berücksichtigt, allerdings fehlen auch einige, insbesondere Angaben zur Komorbidität. Die beschriebene Methode des Datenzugang war ein einmaliges Projekt und wird nicht weiterverfolgt werden.