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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Wie können Präferenzen von PatientInnen mit pektanginösen Beschwerden bei der Therapieplanung im Zusammenhang mit innovativen Implantaten zukünftig gezielt(er) berücksichtigt werden? Konzept einer Entscheidungshilfe für ÄrztInnen

Meeting Abstract

  • Manuela Ritzke - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Germany
  • Anja Wollny - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Germany
  • Christian Helbig - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Germany
  • Johanna Gruel - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Germany
  • Annette Diener - Universität Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Germany
  • Alper Öner - Universitätsmedizin Rostock, Abteilung für Kardiologie, Rostock, Germany
  • Hüseyin Ince - Universitätsmedizin Rostock, Abteilung für Kardiologie, Rostock, Germany
  • Attila Altiner - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf352

doi: 10.3205/19dkvf352, urn:nbn:de:0183-19dkvf3526

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Ritzke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In dem vom BMBF geförderten Verbundprojekt RESPONSE steht die Kooperation von (universitären) Forschungseinrichtungen sowie mittelständischen Unternehmen bei der Entwicklung zukünftiger, u. a. kardiovaskulärer Implantate im Mittelpunkt. Bei der technischen Weiterentwicklung von z. B. Drug-eluting Stents (DES) und deren späteren Einsatz in der Regelversorgung soll die Patientenperspektive von Anfang an berücksichtigt werden. Insbesondere bei elektiven (Folge-)Eingriffen eröffnet sich ein mögliches Handlungsfeld, PatientInnen in die Entscheidung für oder gegen die Versorgung mit Implantaten bzw. bestimmten Ausführungen dieser einzubeziehen (z. B. permanenter Stent vs. bioabbaubarer Scaffold). Bisherige Erkenntnisse aus narrativen Interviews in RESPONSE verdeutlichen, dass sowohl ÄrztInnen als auch PatientInnen sich einen aktiven patientenseitigen Einbezug bei der Implantatwahl nur vereinzelt vorstellen können. PatientInnen überlassen diese Entscheidung vorrangig den behandelnden ÄrztInnen. Patientenseitige Präferenzen fokussieren eher die Therapieplanung, -durchführung und Nachsorge. In Anbetracht von Therapieakzeptanz und -bedauern (decisional regret) sollte die Patientenzentrierung durch die BehandlerInnen in diesem Handlungsfeld gefördert werden.

Fragestellung: Wie können Präferenzen von PatientInnen mit pektanginösen Beschwerden zielgerichtet in einer Entscheidungshilfe für behandelnde ÄrztInnen abgebildet werden?

Methode: Für die Entwicklung einer Entscheidungshilfe wurden narrative Interviews mit 9 ÄrztInnen (internistisch- oder chirurgisch tätig; 8 männlich, 1 weiblich; 41-71 Jahre) und 19 PatientInnen (15 männlich, 4 weiblich; 53-81 Jahre) durchgeführt und ausgewertet. Alle PatientInnen wurden bereits akut und/oder elektiv mit einem Koronarstent (Bare-metal Stent (BMS), DES, bioabbaubarer Scaffold) versorgt. Die Interviews wurden tonaufgezeichnet, pseudonymisiert, transkribiert und von einer interdisziplinären Analysegruppe aus ärztlichen sowie sozial- und naturwissenschaftlichen Disziplinen analysiert. Die jeweils 23-85 min umfassenden Interviews mit ÄrztInnen wurden inhaltsanalytisch ausgewertet (induktiv, in Anlehnung an Mayring). Die jeweils 20-92 min umfassenden Interviews mit PatientInnen wurden in Anlehnung an die Dokumentarische Methode mittels komparativer Analyse ausgewertet. Dem folgte eine fallübergreifende Typenbildung (Persönlichkeitstypen), in der empirische Regelmäßigkeiten gruppiert und Dimensionen der Präferenzen abgeleitet wurden. Diese nutzerrelevanten Dimensionen wurden abschließend in einen Kurzfragebogen überführt.

Ergebnisse: Unter Berücksichtigung der abgeleiteten Präferenzdimensionen und Persönlichkeitstypen wurde ein Kurzfragebogen entwickelt. Die Entscheidungshilfe soll Wünsche und Bedürfnisse der PatientInnen den ÄrztInnen verdeutlichen und eine gemeinsame Entscheidungsfindung bzw. -beteiligung ermöglichen. Der auch durch PatientInnen selbständig ausfüllbare Kurzfragebogen bildet patientenzentrierte Themenschwerpunkte mit dichotomer Positionierung ab. Das Instrument kann veranschaulichen, ob es sich um eine Person handelt, die Innovationen und einer Beteiligung an Therapieentscheidungen gegenüber aufgeschlossen ist (innovationsfreudig) oder bewährte Therapiemethoden präferiert (therapiekonservativ). Die Entscheidungshilfe erfragt zudem das Informationsbedürfnis (z. B. zu Behandlungsalternativen), Wünsche zur Häufigkeit und Qualität von Arztkontakten und bisherige Erfahrungen mit (Herz-Kreislauf-)Implantaten. In diesem Zusammenhang werden Verbesserungswünsche für potentielle weitere Eingriffe (z. B. Wahl des Herzkatheterzuganges) oder die medikamentöse Einstellung (z. B. Reduktion von Medikamenten) thematisiert. Der Kurzfragebogen wird nun in der ersten Fassung im Rahmen einer qualitativen Prozessevaluation (leitfadengestützte Interviews mit PatientInnen und ÄrztInnen) evaluiert.

Diskussion: Es bleibt noch offen, wie das Instrument in die Alltagsversorgung integrierbar ist und inwieweit die abgebildeten Inhalte tatsächlich zur Förderung der Patientenzentrierung beitragen. So könnten Kontextfaktoren wie die Implantatauswahl in den jeweiligen Versorgungseinrichtungen oder die Fertigkeiten der Operateure den Einbezug patientenseitiger Präferenzen limitieren.

Praktische Implikationen: Die Entscheidungshilfe in Form eines Kurzfragebogens wird zum großen Teil als generisches Instrument entwickelt und könnte auch in Bezug auf andere Implantatinnovationen Anwendung finden. ÄrztInnen können vor dem Hintergrund der jeweiligen Indikationsstellung befähigt werden, z. B. das Implantat mit dem am besten zu erwartenden Benefit für die jeweiligen PatientInnen auszuwählen und dies entsprechend zu kommunizieren.