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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Familienspezifische Bedürfnisse und Inanspruchnahme psychosozialer Unterstützungsangebote bei krebskranken Müttern mit minderjährigen Kindern

Meeting Abstract

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  • Laura Inhestern - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Lene Marie Johannsen - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Corinna Bergelt - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf349

doi: 10.3205/19dkvf349, urn:nbn:de:0183-19dkvf3493

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Inhestern et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Krebspatientinnen und -patienten erleben neben körperlichen Auswirkungen auch psychische Belastungen. Erkrankte Eltern mit minderjährigen Kindern versuchen ihre Patientenrolle und ihre Elternrolle auszubalancieren. Dabei können die Sorge um die Kinder sowie Unsicherheiten in der Kommunikation über die Erkrankung und im Umgang mit den Kindern zusätzliche belastende Faktoren darstellen. Für die psychosoziale Versorgung betroffener Eltern ist es daher relevant, die spezifische Situation der Familien einzubeziehen. Deutschlandweit gibt es bereits vereinzelt psychosoziale Angebote für Familien mit einem krebskranken Elternteil, jedoch liegen bisher keine systematischen Erkenntnisse zu spezifischen Unterstützungsbedürfnissen der Familien vor.

Fragestellung: Vor dem dargestellten Hintergrund werden folgende Fragestellungen untersucht:

  • Welche familienbezogenen Unterstützungsbedürfnisse berichten an Krebs erkrankte Mütter?
  • Wie groß ist der Anteil betroffener Mütter, die ein psychosoziales Unterstützungsangebot in Anspruch nehmen?
  • Was sind Barrieren der Inanspruchnahme psychosozialer Unterstützungsangebote?

Methode: Die Fragestellungen wurden mithilfe eines querschnittlichen Studiendesigns untersucht. Auf Basis qualitativer Vorarbeiten wurde eine Liste von 25 familienbezogenen Unterstützungsbedürfnissen erstellt und eingesetzt. Insgesamt wurden n=68 krebskranke Mütter mit mindestens einem minderjährigen Kind (< 18 Jahre) zu ihren Unterstützungsbedürfnissen und der Inanspruchnahme eines psychosozialen Unterstützungsangebots befragt. Die Datenerhebung erfolgte konsekutiv über bestehende Kooperationen mit örtlichen onkologischen Stationen. Es wurden deskriptive Analysen angewandt.

Ergebnisse: Die befragten Mütter sind durchschnittlich 43 Jahre als (SD=6.3), 85% leben in einer Partnerschaft. Die häufigsten Diagnosen sind Brustkrebs (76%) und gynäkologische Krebserkrankungen (22%).

Als häufigste Unterstützungsbedürfnisse für sich selbst als Mutter werden Informationen über die seelische Verarbeitung bei Kindern (74%) und Unterstützung im Umgang mit den Kindern (68%) genannt. Bezüglich eigener Sorgen und Ängste als Mutter wünschen sich 63% der Patientinnen Unterstützung und 62% geben das Bedürfnis an, bei der Aufklärung ihrer Kinder unterstützt zu werden.

Für ihr Kind berichten 71% der Mütter ein Bedürfnis nach altersangemessenen Informationen über die Erkrankung und 53% wünschen sich für ihr Kind professionelle Unterstützung im Umgang mit der Erkrankung. Etwa jede zweite Mutter gibt Unterstützungsbedürfnisse für ihren Partner im Umgang mit den Kindern (57%) sowie im Umgang mit der Erkrankung an (56%). 63% der Mütter haben den Wunsch, Angebote für die gesamte Familie zu erhalten und 49% wünschen sich Unterstützung bei der Kommunikation über Krebs in der Familie. Als praktische und organisatorische Unterstützungsbedürfnisse werden Informationen zur Haushaltshilfe (63%), allgemeine Informationen zum Thema Krebs und Familie (57%), Informationen zu finanziellen Hilfen (56%) und Hilfen bei der Betreuung der Kinder (52%) genannt.

In Zusammenhang mit ihrer Krebserkrankung berichten 43% der Mütter, psychosoziale Unterstützung in Anspruch genommen zu haben. Von diesen nutzten 69% psychotherapeutische Unterstützung für sich und 66% ein familienbezogenes Angebot (n=9 für sich als Elternteil, n=5 für die ganze Familien, n=5 nur für das Kind).

Als zentraler Grund für die Nicht-Inanspruchnahme psychosozialer Hilfen wird eine ausreichende Unterstützung durch das soziale Umfeld (74%) genannt. Darüber hinaus berichten Mütter, dass sie zunächst lernen wollten, selbst mit der Erkrankung umzugehen (59%), dass die Erkrankung kein großes Thema in der Familien werden solle (58%) oder dass psychosoziale Unterstützung die Familie belasten könne (28%). Etwa jede vierte Mutter gab an, nicht über ein solches Angebot aufgeklärt worden zu sein (24%).

Diskussion: Die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen den hohen Bedarf familienspezifischer Unterstützungsangebote. Gleichzeitig hat nur ein Teil der Befragten ein spezifisches Angebot genutzt. Diese Diskrepanz und die Ergebnisse im Hinblick auf Barrieren der Inanspruchnahme lassen vermuten, dass betroffene Eltern zum einen eigene bzw. familiäre Ressourcen im Umgang mit der Situation nutzen und zum anderen wenig Aufklärung über die Möglichkeit psychosozialer Unterstützungsangebote erfahren.

Praktische Implikationen: Es zeigt sich, dass die entwickelte Liste zu familienspezifischen Unterstützungsbedürfnissen die Bedürfnisse der Patientinnen angemessen abbildet und daher auch für die klinische Versorgung betroffener Eltern angewandt werden kann. Es wird deutlich, dass die Aktivierung und Stärkung vorhandener Ressourcen betroffener Eltern zentral ist und niedrigschwellige, präventive Angebot sowie eine angemessene Aufklärung darüber für die Familien weiter etabliert werden sollten.