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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Der isPO-Onkolotse – Integration der Selbsthilfe in die psychoonkologische Versorgung

Meeting Abstract

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  • Sandra Salm - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, Medizinsoziologie, Köln, Germany
  • Michael Kusch - Klinik I für Innere Medizin, Universitätsklinikum Köln, Klinische Psychoonkologie, Köln, Germany
  • Stefanie Houwaart - Haus der Krebs-Selbsthilfe - Bundesverband e.V., Bundesgeschäftsstelle, Bonn, Germany
  • Antje Dresen - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, Universität zu Köln, Medizinsoziologie, Köln, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf344

doi: 10.3205/19dkvf344, urn:nbn:de:0183-19dkvf3448

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Salm et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Im Zuge des laufenden Projekts „isPO – integrierte, sektorenübergreifende Psychoonkologie“ wird ein neues Programm zur gestuften psychoonkologischen Versorgung von Menschen mit Krebserstdiagnose entwickelt, implementiert und evaluiert. Primäres Ziel ist es, Ängste und Depressionen im ersten Jahr nach Diagnosestellung zur reduzieren. Die erste Versorgungsstufe des isPO-Programms wird allen teilnehmenden Patient*innen zuteil. Dabei geht es im Wesentlichen um zentrale Informationen, die im Rahmen einer basalen psychosozialen Versorgung ein sogenannter isPO-Onkolotse vermittelt. Es handelt sich dabei um eine von Krebs selbstbetroffene Person, die für ihre Tätigkeit innerhalb von isPO geschult und zertifiziert wird.

Die Rolle des isPO-Onkolotsen besteht darin, „Wegweiser*in“ und „Mutmacher*in“ für die Patient*innen zu sein. Aufgrund eigener Erfahrungen ist er*sie oftmals eher als eine nicht-betroffene Person in der Lage, die Patient*innen-Perspektive einzunehmen und Informationen authentisch zu erläutern. Außerdem werden die isPO-Onkolotsen als Teil des psychoonkologischen Versorgungsteams begriffen.

Im Sinne der Patient*inneninformation besteht die Versorgung durch den isPO-Onkolotsen aus einem Info-Paket „Rund um Krebs“ sowie einem persönlichen Gespräch. Dabei ist explizit festgelegt, dass weder medizinische, psychosoziale oder juristische Ratschläge und Empfehlungen ausgesprochen noch die eigene Krankheitsgeschichte zum Maßstab gemacht werden. Das Info-Paket enthält folgende Bestandteile: Adressen zu wohnortnahen Hilfsangeboten, Informationen zu Leistungsangeboten der Krankenkasse, ausgewählte Broschüren der Krebsgesellschaft NRW und Kontaktadressen zur Krebs-Selbsthilfe und weitergehenden Hilfsangeboten.

Fragestellung: Zur Evaluation der Versorgung durch den isPO-Onkolotsen wird der Frage nachgegangen, inwieweit die von den Patient*innen wahrgenommene Versorgungsqualität einen Einfluss auf die Veränderung ihrer psychischen Belastung (prä-post) hat.

Methode: Als Endpunkt wird die Differenz der Ausprägung von Angst- und Depressionssymptomen der Messzeitpunkte vor Einschreiben in das Versorgungsprogramm (T0) und nach viermonatiger Laufzeit (T1) betrachtet. Gemessen werden diese mithilfe der „Hospital Anxiety and Depression Scale“ (HADS). Die wahrgenommene Qualität der Versorgung durch den isPO-Onkolotsen wird anhand einer schriftlichen Patient*innenbefragung erfasst. Zur statistischen Analyse wird die regression of difference herangezogen. Dabei soll betrachtet werden, inwieweit die wahrgenommene Versorgungsqualität die Varianz der Differenz in den HADS-Werten erklärt.

Ergebnisse: Die Ergebnisse dienen der Bewertung von Qualität und Wirksamkeit der Versorgung durch den isPO-Onkolotsen. Diese erfolgt im Lichte des Forschungsstandes zur informationellen und emotionalen Unterstützung durch eine gleichbetroffene Person (one-to-one peer support) innerhalb der (psycho-)onkologischen Versorgung [1], [2].

Diskussion: Interventionen des one-to-one peer support sind international bislang unzureichend untersucht [2], insbesondere deren Wirksamkeit [1]. Somit bietet der Fokus auf die Versorgung durch den isPO-Onkolotsen die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zur Selbsthilfeforschung beizutragen.

Praktische Implikationen: Mit der Integration der Selbsthilfe kommt das isPO-Programm der Forderung des Nationalen Krebsplans nach einer „engeren Einbindung der Selbsthilfe in die Versorgung“ nach (siehe Ziel 7) [3]. Außerdem entspricht die Ausgestaltung des isPO-Onkolotsenkonzeptes den Empfehlungen der S3-Leitlinie zur Psychoonkologie [4]. Dies betrifft den Einsatz von Gleichbetroffenen als Gesprächspartner*innen, die Vermittlung von Informationen zum Alltagsleben mit Krebs und zu Angeboten der Krebs-Selbsthilfe, die Qualifizierung von Selbsthilfevertreter*innen und eine Kooperation der psychoonkologischen Fachkräfte mit der Selbsthilfe.

Somit läge im Erfolgsfall mit isPO erstmals ein psychoonkologisches Versorgungsprogramm vor, das die Unterstützung durch eine selbstbetroffene Person als festen und zentralen Baustein vorsieht.


Literatur

1.
Meyer A, Coroiu A, Korner A. One-to-one peer support in cancer care: a review of scholarship published between 2007 and 2014. Eur J Cancer Care (Engl). 2015 May;24(3):299-312. DOI: 10.1111/ecc.12273 Externer Link
2.
Macvean ML, White VM, Sanson-Fisher R. One-to-one volunteer support programs for people with cancer: a review of the literature. Patient Educ Couns. 2008 Jan;70(1):10-24.
3.
Bundesministerium für Gesundheit. Nationaler Krebsplan: Handlungsfelder, Ziele, Umsetzungsempfehlungen und Ergebnisse. 2012. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Broschuere_Nationaler_Krebsplan.pdf Externer Link
4.
Leitlinienprogramm Onkologie. Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten. Langfassung Version 1.1. 2014. Verfügbar unter: http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Leitlinien.7.0.html Externer Link