gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung von Routinedaten bei der Evaluation gesundheitsbezogener Maßnahmen. Beispiel einer Daten-Triangulation von projektbezogenen Evaluationsdaten und Routinedaten

Meeting Abstract

  • Stefan Mathis-Edenhofer - Gesundheit Österreich GmbH, Planung und Systementwicklung, Wien, Austria
  • Gunter Maier - Gesundheit Österreich GmbH, Planung und Systementwicklung, Wien, Austria
  • Sarah Ivansits - Gesundheit Österreich GmbH, Planung und Systementwicklung, Wien, Austria
  • Sonja Valady - Gesundheit Österreich GmbH, Psychosoziale Gesundheit, Wien, Austria
  • Georg Spiel - Reha-Klinik für Seelische Gesundheit Klagenfurt, Vorstand, Klagenfurt, Austria
  • Birgit Senft - statistix, Evaluation, Klagenfurt, Austria

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf340

doi: 10.3205/19dkvf340, urn:nbn:de:0183-19dkvf3404

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Mathis-Edenhofer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Eine sekundäre Datenauswertung unterstützt den Erkenntnisgewinn einer Primärstudie, die ein telemedizinisches Nachsorgeprogramm evaluiert. Die klinische Evaluationsstudie untersucht die Wirkung eines Nachsorgeprogramms zur Rückfallprävention nach einer psychiatrischen Rehabilitation anhand von Symptombelastung, Lebensqualität, beruflicher Wiedereingliederung, Krankschreibungszeiten und stationären Aufenthaltsdaten. Die Sekundärstudie prüft anhand von Daten aus der Leistungsfinanzierung in österreichischen Krankenanstalten die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung in Österreich und bietet anhand der gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen Einblicke in das Nutzenpotenzial von Routinedaten.

Methode: Zur Evaluation einer web-basierten Rehabilitationsnachsorge (W-RENA) für die Stabilisierung des Rehabilitationserfolgs wurde eine kontrollierte zweiarmige prospektive Interventionsstudie (Interventionsgruppe n=63, Kontrollgruppe n=38) durchgeführt. Die Studienergebnisse der W-RENA wurden nach einer Machbarkeitsprüfung mit einer Sekundärdatenanalyse (n=4.187) verschränkt und ausgewertet.

Ergebnisse: Die Wiederaufnahmerate bei stationären psychiatrischen Krankenhausaufenthalten war im 1-Jahres-Follow-up in der Interventionsgruppe geringer als in der Kontrollgruppe. Diese Ergebnisse konnten anhand einer aus Routinedaten abgeleiteten Kontrollgruppe verifiziert werden. Zusätzlich erfolgten Subgruppenanalysen nach Geschlecht, Alter und Region.

Diskussion: Die Studie zeigt, dass aus Routinedaten einzelne klinische Endpunkte ableitbar sind, und damit die Bildung einer externen Kontrollgruppe möglich ist. Der externe Studienarm ermöglicht, eine klinische Primärstudie zu erweitern. Die Routinedaten liefern weite Anhaltspunkte für den Effekt der Gesundheitsmaßnahme, sowie für die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung. Weiterführende Analysen sind allerdings durch datenschutzrechtliche, methodische und technische Herausforderungen eingeschränkt.

Praktische Implikationen: Die Machbarkeitsanalyse hat gezeigt, dass für eine möglichst breite Nutzung von Routinedaten – beispielsweise im Dilemma zwischen individuellen Interessen (Schutz personenbezogener Daten) und Gemeinwohlinteressen (Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung) – tragfähige Lösungen gefordert sind. Diese müssten allerdings von allen Beteiligten mitgetragen werden: Gesundheitspolitik, Patient(inn)envertreter, Gesundheitsdienstanbieter, softwareproduzierende Industrie, Kostenträgern, Kammern und Krankenkassen.

In Deutschland sind Beispiele für eine Förderung der sekundären Nutzung von Routinedaten bekannt, etwa das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2015 initiierte Förderkonzept Medizininformatik um Daten zu vernetzen und die Gesundheitsversorgung zu verbessern sowie die erste Ausschreibung des Innovationsfonds 2016 mit ihrem Fokus auf den Einsatz und die Verknüpfung von Routinedaten zur Verbesserung der Versorgung.

Auch in Österreich liegt mit der neuen Verordnung zur Dokumentation im ambulanten Bereich eine Datengrundlage vor, mit der zukünftige Analysen verbessert werden können. Um den Zugang zu Daten in Österreich zu erleichtern und datenschutz- und nutzungsrechtlichen Anforderungen leichter erfüllen zu können, bedarf es – im Gegensatz zu aufwendigen ad hoc Genehmigungen für Routinedatenauswertungen – einen vereinfachten Zugang, wie die Etablierung von Forschungsdatenplattformen, dezidierte Regeln bzw. einen definierten Genehmigungsprozess für Routinedatenauswertungen. Auch wenn Routinedaten prinzipiell verfügbar sind, kann der potenzielle Erkenntnisgewinn für Wirksamkeitsevaluationen durch den historischen Charakter der Routinedaten unzureichend sein. Daher empfiehlt sich vor angedachten Sekundärdatenauswertungen und Ansätzen zum Datenlinkage eine Prüfung der prinzipiellen Machbarkeit und die sorgfältige Abwägung von Aufwand und Nutzen.