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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Kulturelle Adaptation von Erhebungsinstrumenten am Beispiel einer Skala zur Erfassung von Patientenbefähigung (PE-13)

Meeting Abstract

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  • Anna T. Ehmann - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Monika A. Rieger - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Achim Siegel - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf322

doi: 10.3205/19dkvf322, urn:nbn:de:0183-19dkvf3225

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Ehmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Übersetzung und Anpassung eines Erhebungsinstruments für einen anderen Sprachraum oder eine andere Kulturgruppe stellt eine komplexe Aufgabe dar. Es werden Ressourcen wie Zeit, Kompetenzen und Erfahrungen benötigt, um Äquivalenz herzustellen. Viele Erhebungsinstrumente existieren bereits, die hinsichtlich ihrer Qualität und Entwicklung für den internationalen Gebrauch unterschiedlich weit entwickelt sind. Gelingt die kulturelle Anpassung und wird Konstruktäquivalenz erzielt, können Vergleiche zu einem interessierenden Outcome zwischen Ländern und Kulturen hinweg angestellt werden. Solche übergreifenden Studien haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Die Übersetzung und weitere Anpassung eines Instruments an den jeweiligen Zielkontext kann unterschiedlich gestaltet werden. Hierzu gibt es verschiedene Empfehlungen, die beispielsweise Vorwärts- und Rückwärtsübersetzungen oder Expertenkomitees umfassen können. Nach der Entwicklung einer neuen Version muss die Überprüfung der Gütekriterien in einer Validierungsstudie erfolgen. Damit werden die Konstruktäquivalenz sowie weitere psychometrische Eigenschaften der neuen Version überprüft. Die neue Version sollte praktisch auf die gleiche Weise wie das Originalinstrument funktionieren; sie kann dann zu wissenschaftlichen Zwecken im neuen Kontext verwendet werden.

Fragestellung: Ziel dieses Beitrages ist es, ein praktikables methodisches Vorgehen anhand der Übertragung eines deutschen Instruments zur Erfassung von Patientenbefähigung (PE-13) ins Englische vorzustellen.

Methode: Die Patienten-Enablement-Skala mit 13 Items (PE-13) wurde in den Jahren 2017 und 2018 entwickelt und validiert, um Patientenbefähigung (engl.: patient enablement) im deutschen Sprachraum umfassend messen zu können. Zur Entwicklung einer englischen Version wurden zunächst zwei unabhängige Vorwärtsübersetzungen des PE-13 (d.h. Übersetzungen vom Deutschen ins Englische) erstellt; diese wurden dann in einem Expertenkomitee mit zwei Muttersprachlern unterschiedlichen beruflichen Hintergrunds und zwei beteiligten Wissenschaftlern besprochen. Diskrepanzen zwischen beiden Vorwärtsübersetzungen wurden von den Muttersprachlern diskutiert; dabei wurden jeweils die Vor- und Nachteile der beiden Übersetzungen erörtert. Aufbauend auf die Diskussion beider Vorwärtsübersetzungen entwickelte das vierköpfige Expertenkomitee im Konsens eine gemeinsame englische Version der Items und des gesamten Instruments.

Ergebnisse: Zwei Vorwärtsübersetzungen boten Grundlage zum Austausch mit Muttersprachlern. Eine zusätzlich angeforderte Rückübersetzung vom Englischen ins Deutsche fand kaum Beachtung. Ausführlich eingegangen wurde auf Feinheiten in den Formulierungen des Ausfüllhinweises, der Items und der Antwortoptionen der beiden Vorwärtsübersetzungen. Die Diskussion berücksichtigte stets die Zielpopulation und die Kontextbedingungen. Für wichtig erachtet wurden dabei nicht nur sprachliche Äquivalenz, sondern auch interkulturelle und konzeptionelle Aspekte. Dies soll das folgende Beispiel verdeutlichen: In der deutschen Version des PE-13 wurde wörtlich „Erkrankungen“ verwendet (Kontext: z.B. Umgang mit und Bescheid wissen über eigene Erkrankungen). Im Englischen wurde hierfür „health condition“ bzw. „health problems“ eingesetzt, da auf die generische Bestimmung des Instruments geachtet wurde und wörtlichere Übersetzungen („diseases“ oder „illnesses“) im Gesamtkontext weniger passend erschienen. Das Ziel der Rückübersetzbarkeit war für die angemessene Übertragung des PE-13 nicht förderlich.

Diskussion: In der Literatur gibt es keine eindeutige konsentierte Handlungsempfehlung für die gute wissenschaftliche Praxis einer interkulturellen Anpassung von Erhebungsinstrumenten: Es konnte bislang keine Methode ausgemacht werden, die anderen Methoden überlegen ist (Epstein et al. 2015). Vielmehr ist es so, dass sich die Methoden nach verschiedenen Settings und Erhebungsinstrumenten stark unterscheiden. Aus diesem Grund scheint eine übergreifende, allgemeingültige Handlungsanweisung wenig sinnvoll. Die Übertragung eines bestehenden Erhebungsinstruments für eine andere Zielpopulation sollte jedoch gut überlegt sein und im Konsens mit verschiedenen Beteiligten stattfinden, die den Zielkontext gut kennen, da es sich auch um den Transfer in eine andere Kultur handelt. Die Entwicklung anderer Versionen von Erhebungsinstrumenten nimmt Einfluss auf die Qualität kulturübergreifender Studien. Nach der Übersetzung und kulturellen Adaptation einer neuen Version sollte diese im Zielkontext mit einem Pretest auf gute Verständlichkeit überprüft werden. Im Anschluss an den Pretest sollte die Datenerhebung zur Validierung erfolgen.

Praktische Implikationen: Die kulturelle Adaptation eines Erhebungsinstruments muss sorgfältig geplant und vollzogen werden. Ein übersetztes und kulturell angepasstes Instrument kann der Neuentwicklung gegenüber Vorteile bringen.