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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Optimierung des Entlassungsprozesses in Brustzentren durch Value Stream Mapping

Meeting Abstract

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  • Kerstin Dittmer - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät, Universität zu Köln, Versorgungsforschung, Köln, Germany
  • Marina Nowak - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät, Universität zu Köln, Versorgungsforschung, Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät, Universität zu Köln, Rehabilitationswissenschaft, Köln, Germany
  • Ute Karbach - Technische Universität Dortmund, Fachgebiet Rehabilitationssoziologie, Dortmund, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf307

doi: 10.3205/19dkvf307, urn:nbn:de:0183-19dkvf3071

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Dittmer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Für Patientinnen nach einer Brustkrebsoperation stellt der Übergang in die ambulante Nachbehandlung eine besondere Herausforderung dar, da in der Regel eine Weiterbehandlung, z.B. Chemotherapie, erfolgt. Um diesen Übergang gut vorzubereiten und aufgrund der kurzen stationären Aufenthaltsdauer, bedarf es eines koordinierten Entlassungsprozesses im Krankenhaus. Zur Gestaltung eines zielführenden Entlassungsprozesses für Brustkrebspatientinnen ist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit zwingend erforderlich. Der Entlassungsprozess wird von den Befragten der Patientinnenbefragung in den NRW-Brustzentren jedoch weniger gut bewertet (Ansmann et al., 2015). Eine Möglichkeit Arbeitsprozesse in Krankenhäuser zu verbessern, ist die Anwendung von Prozessoptimierungsmethoden aus anderen Wirtschaftszweigen. Die Methode Value Stream Mapping, ursprünglich aus der Automobilindustrie stammend (Womack & Jones, 1990), wurde bereits international zielführend im Kontext Krankenhaus angewandt (Nowak et al., 2017) und findet in der vorliegenden Interventionsstudie in vier Brustzentren in NRW Anwendung.

Fragestellung: Kann der Entlassungsprozess in Brustzentren in NRW mit Hilfe des Value Stream Mapping zeitlich messbar optimiert werden?

Methode: Bei der vom Innovationsfonds geförderten Studie (Förderkennzeichen 01VSF16040) handelt es sich um ein Prä-Post-Follow-up-Studiendesign in vier Brustzentren in NRW. Die Datenerhebung findet von November 2017 bis Juli 2019 statt. Im ersten Schritt wird mit einem multiprofessionellen Team der Entlassungsprozess des jeweiligen Brustzentrums, gemeinsam mit zwei Moderatorinnen, erarbeitet. Dabei werden alle Arbeitsschritte des Entlassungsprozesses visualisiert. Es folgt eine Validierung der einzelnen Prozessschritte im Krankenhausalltag mit anschließender erster Zeitmessung (t0). In einem zweiten Treffen werden dem Team die Ergebnisse der ersten Zeitmessung präsentiert und Schwachstellen im Prozessablauf eruiert. Zur Auflösung der Schwachstellen entwickeln die Teammitglieder entsprechende Maßnahmen, z.B. Einrichtung eines festen Wochentags für Abschlussgespräche zur Reduzierung der Wartezeit auf das Gespräch. Der Erfolg der Maßnahmenumsetzung wird in zwei weiteren Zeitmessungen, sechs Wochen (t1) und sechs Monate (t2) nach dem zweiten Treffen, überprüft. Die Zeitmessung wird von einer Study Nurse durchgeführt. Die Zeiten der jeweiligen Prozessschritte und die sich möglicherweise ergebenden Wartezeiten für die Patientinnen werden ermittelt und zwischen den einzelnen Messzeitpunkten verglichen. Ebenfalls werden die Häufigkeit und Uhrzeiten der Patientenkontakte ausgewertet.

Ergebnisse: Bisher konnten 242 Patientinnen in die Zeitmessung eingeschlossen werden. Für das erste Brustzentrum liegen Daten von 60 Patientinnen vor, für das zweite von 61 Patientinnen und für das dritte von 71 Patientinnen. Im vierten Brustzentrum wurden in der t0- und die t1-Messung 50 Patientinnen eingeschlossen, die t2-Messung erfolgt im Juni/Juli diesen Jahres.

Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass durch die Visualisierung des Entlassungsprozesses in jedem der vier Brustzentren Schwachstellen durch das interprofessionelle Team aufgedeckt werden konnten. Für die meisten Schwachstellen konnten von dem Team lösungsorientiert Maßnahmen entwickelt werden. Die ersten Auswertungen der Zeitmessung zur Überprüfung der Maßnahmen ergaben z.B., dass die Wartezeit auf das Abschlussgespräch in zwei Brustzentren gesenkt werden konnte (von durchschnittlich 87 auf 21 Minuten bzw. von 25 auf acht Minuten). In einem anderen Brustzentrum konnte die Dauer der Sentinel-Lymphknoten-Diagnostik, von durchschnittlich 158 Minuten auf 107 Minuten, gesenkt werden. Bei einigen Maßnahmen, wie dem Ziel, dass die Patientinnen bereits am prästationären Tag die Kompressions-Brustbandage erhalten, konnte keine Veränderung gemessen werden. Ein Teil der erarbeiteten Maßnahmen konnte nicht durch die Zeitmessung überprüft werden, Beispiel hierfür ist das Mitgeben von Rezepten bei Entlassung.

Diskussion: Die Methode Value Stream Mapping zeigt Schwachstellen im Entlassungsprozess von Brustzentren auf. Die Projektteams waren mit Hilfe der Moderatoren in der Lage zu den meisten Schwachstellen Maßnahmen zu entwickeln. Die Probleme, die innerhalb des Brustzentrums erkannt wurden, konnten in vielen Fällen auch umgesetzt werden. In den Fällen in denen Schnittstellen zu anderen Bereichen des Krankenhauses involviert waren gestaltete sich die Umsetzung meist schwieriger. Einzelne Prozessschritte, wie die Organisation des Abschlussgespräches, konnten zeitlich messbar optimiert werden.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse lassen vermuten, dass Value Stream Mapping einen guten Rahmen zur interprofessionellen Zusammenarbeit bietet. Dadurch können berufsgruppenübergreifende Probleme unkompliziert gelöst werden.