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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Opportunitätskosten nosokomialer Infektionen in der Unfallchirurgie/Orthopädie

Meeting Abstract

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  • Dominik Bures - Universität Witten/Herdecke, Witten, Germany
  • Dirk Sauerland - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, Witten, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf302

doi: 10.3205/19dkvf302, urn:nbn:de:0183-19dkvf3028

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Bures et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Nosokomiale Infektionen (NI) stellen die häufigste Komplikation bei Krankenhausaufenthalten in Industrieländern dar. Sie sind nicht nur eine große Belastung für die betroffenen Patienten, sondern auch eine organisatorische und finanzielle Herausforderung für die behandelnden Krankenhäuser. Die Belastung der Krankenhäuser offenbart sich nicht nur in den direkten Kosten (etwa durch den Einsatz zusätzlicher Medikamente), die durch die Behandlung von NI-Patienten entstehen, sondern auch in indirekten Kosten. Zu diesen zählen insbesondere die Opportunitätskosten der Bettentage, die für NI-Patienten benötigt werden. Ökonomisch betrachtet blockieren NI-Patienten, die in der Regel eine deutlich höhere Verweildauer haben, Betten, die dann nicht mehr für die Behandlung „normaler Fälle“ zur Verfügung stehen. Schätzungen zufolge sind ca. 20 % bis 40 % der NI vermeidbar. Durch den Einsatz sogenannter Hygieneärzte sollen die Infektionszahlen in deutschen Krankenhäusern reduziert werden. Um die mit dieser Maßnahme verbundenen Kosten und Nutzen abzuschätzen, werden hier die Opportunitätskosten von NI-Patienten analysiert. Grundlage der Analyse sind Daten aus einer Abteilung für Unfallchirurgie/Orthopädie eines deutschen Akutkrankenhauses.

Methoden: Neben Angaben zum Alter und Geschlecht der Patienten beinhalten die vorliegenden Daten u.a. Informationen zu den fallbezogenen Diagnosen, DRG-Erlösen sowie zur Aufenthaltsdauer. Der Datensatz umfasst insgesamt 5.910 Patienten, die im Jahr 2016 in der Unfallchirurgie/Orthopädie versorgt wurden. Bei 53 Patienten wurde eine NI diagnostiziert. Aufgrund der hohen Heterogenität zwischen der Gruppe der Normalfälle und den NI-Patienten wurden, basierend auf einem dreistufigen Verfahren, homogenere Subgruppen für die Analyse gebildet. In Stufe 1 wurden Patienten mit einer MDC-8 Diagnose selektiert. In Stufe 2 wurden Patienten mit einer der fünf häufigsten aufgetretenen Diagnosen (S82, S72, S83, S32, T84) im Zusammenhang mit einer NI ausgewählt. Anschließend waren 29 NI-Patienten und 1.677 Normalfälle im Datensatz vorhanden. In Stufe 3 wurden für diese 29 NI-Patienten statistische Zwillinge (Matching nach Geschlecht, Alter, Hauptdiagnose) gesucht. Diese Subgruppe umfasst 29 NI-Patienten und 425 Normalfälle. Zur Analyse der Opportunitätskosten wurden die realisierten DRG-Erlöse pro Tag (DRG) für beide Patientengruppen sowie die durchschnittliche Verweildauer (LOS) für die NI-Patienten berechnet. Zusätzlich wurde die durchschnittliche Bettenauslastung (DBA) der betroffenen Station berücksichtigt. Die Opportunitätskosten (OK) der Behandlung von NI-Patienten ergeben sich dann als OK = LOSNI x DRGnormal x DBA – LOSNI x DRGNI = LOSNI x (DRGnormal x DBA – DRGNI)

Ergebnisse: Auf Basis des ermittelten Durchschnitts offenbart sich, dass die durchschnittliche Liegezeit der NI-Fälle (23,5 Tage) in der Subgruppe um 15,8 Tage höher ist, als die Liegezeit der Normalfälle (7,7 Tage). Patienten mit einer NI belegen demzufolge rund dreimal so lange ein Krankenhausbett, gegenüber einem vergleichbaren Fall ohne eine solche Komplikation. Legt man den durchschnittlichen DRG-Erlös zugrunde, ergeben sich demnach Erlöseinbußen in Höhe von rund 15.000 € pro NI-Patient in der Subgruppe. Demgegenüber stehen realisierte Erlöse in Höhe von etwa 11.000 €. Hochgerechnet auf die 29 Patienten der Subgruppe, ergeben sich somit, bedingt durch NI, jährliche Opportunitätskosten in Höhe von etwa 116.000 €. Die Erlöse des Krankenhauses könnten dementsprechend um ca. 36 % höher ausfallen.

Fazit: Nosokomiale Infektionen stellen eine erhebliche finanzielle Belastung für die Krankenhäuser dar. Herbeigeführt durch Opportunitätskosten, in Form von blockierten Krankenhausbetten, gehen dem Krankenhaus nennenswerte Erlöse verloren. Patienten mit einer NI sind gegenüber Normalfällen mit einer deutlich verlängerten Liegezeit assoziiert. Im Schnitt weist ein NI-Patient in dem analysierten Sample eine verlängerte Liegezeit von über zwei Wochen auf, gegenüber einem vergleichbaren Fall ohne eine Komplikation dieser Art. So entstehen bedingt durch nosokomiale Infektionen und den damit verbundenen blockierten Krankenhausbetten hohen Erlöseinbußen. Gelingt es, durch den Einsatz von Hygieneärzten die Zahl der NI-Fälle zu reduzieren, hat dies ökonomische Vorteile für das jeweilige Krankenhaus. Der Vorteil für die Patienten ist dabei evident.