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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Elterliche Gesundheitskompetenz, sozioökonomischer Status und das Gesundheitsverhalten von Kindern

Meeting Abstract

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  • Elke de Buhr - Charité Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin, Germany
  • Antje Tannen - Charité Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf296

doi: 10.3205/19dkvf296, urn:nbn:de:0183-19dkvf2969

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 de Buhr et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Health Literacy (HL) von Erwachsenen steht mit Gesundheitsindikatoren wie körperlicher Aktivität und Ernährungsgewohnheiten in enger Verbindung. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass HL von Eltern ursächlich für das Gesundheitsverhalten ihrer minderjährigen Kinder mitverantwortlich ist. Auch ist bekannt, dass sozioökonomischer Status (SES) einen starken Einfluss auf Gesundheitswissen und -verhalten hat. Obwohl das HL-Konzept in Politik und Wissenschaft in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, fehlen empirische Daten. In Deutschland wurde der Zusammenhang zwischen elterlicher HL, SES und Kindergesundheit bislang nicht untersucht. Die hier vorgestellten Ergebnisse tragen dazu bei, diese Wissenslücke zu schließen.

Fragestellung: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen elterlicher Gesundheitskompetenz, SES und dem Gesundheitsverhalten von Kindern?

Methode: In einer Querschnittsstudie wurden Daten von 4.217 Eltern und ihren Kindern an 28 allgemeinbildenden Schulen in Brandenburg und Hessen erhoben. Unterschiedliche Schultypen, einschließlich Grund- und weiterführenden Schulen, Schulen in unterschiedlichen sozialen Lagen, Schulen mit niedrigem sowie hohem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund sowie Schulen im städtischen sowie ländlichen Raum waren in der Stichprobe vertreten. Bivariate und multivariate Korrelationen zwischen HL der Eltern (basierend auf HLS-EU-Q16) und dem Gesundheitsverhalten und -status der Kinder wurden berechnet, unter Berücksichtigung von demographischen und sozioökonomischen Faktoren.

Ergebnisse: Unter den befragten Eltern zeigten 33,7% eine problematische und 12,1% eine inadäquate HL. Die wichtigste soziale Determinante von elterlicher HL war SES. Darüber hinaus standen das Alter der Eltern und der Wohnort mit HL in Zusammenhang. Eltern mit hohem SES, ältere Eltern und Eltern in Hessen wiesen eine höhere Gesundheitskompetenz auf als Eltern, die diese Charakteristiken nicht teilten. Im multivariaten Modell blieb nur SES als signifikanter Prädiktor. Andere demographische Faktoren, einschließlich Migrationsstatus sowie städtisches/ländliches Umfeld, standen in keinem statistischen Zusammenhang mit elterlicher HL.

Hohe HL der Eltern konnte mit einer Reihe von gesundheitlich positiven Verhaltensweisen der Kinder in Verbindung gebracht werden. Kinder aus Haushalten mit hoher elterlicher HL zeigten einen signifikant höheren Konsum von Gemüse, Salat und Früchten und putzten sich regelmäßiger die Zähne. Kinder unter 11 Jahren waren zudem häufiger körperlich aktiv. Ältere Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren konsumierten weniger gesüßte Getränke. Ein Zusammenhang zwischen HL der Eltern und dem Alkoholkonsum, Tabakkonsum sowie dem BMI der Kinder konnte nicht festgestellt werden. Starke Zusammenhänge zwischen elterlicher HL und Lebensqualität wurden dagegen bestätigt. Eltern mit höherer Gesundheitskompetenz verfügten über eine bessere subjektive Gesundheit, eine höhere Lebenszufriedenheit und sie bewerteten auch ihre Kinder als gesünder als Eltern mit niedrigerer Gesundheitskompetenz.

Diskussion: Obwohl nicht repräsentativ, spiegelt die beschriebene Stichprobe die Vielgestaltigkeit der deutschen Bildungslandschaft mit ihren diversen Schüler- und Elternpopulationen wieder. Sie ermöglicht erstmals, den Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz der Eltern und dem Gesundheitsverhalten von Kindern zu quantifizieren und mögliche ursächliche und verstärkende Prädiktoren von elterlicher HL und Kindergesundheit aufzuzeigen. Eine größere, für die Gesamtbevölkerung repräsentative Studie wäre wünschenswert, um diese Zusammenhänge weiter auszuleuchten.

Praktische Implikationen: Die vorliegenden Ergebnisse können genutzt werden, um gesundheitsstrategisch im Setting Schule erfolgversprechende Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz einzuleiten. Kinder aus Haushalten mit niedriger elterlicher Gesundheitskompetenz sowie geringem SES treten als Zielgruppe besonders in Erscheinung. Vulnerable Eltern sollten gezielt unterstützt werden, ihr Gesundheitswissen zu erweitern, vorhandene Informationen und Angebote zu nutzen und evidenzbasierte gesundheitsbezogene Entscheidungen für sich und ihre Kinder zu treffen.