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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Ergebnisse der Evaluation des FITKIDS-Programms zum gesunden Aufwachsen von Kindern suchterkrankter Eltern (EvaFit ll)

Meeting Abstract

  • Kira Isabel Hower - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, Rehabilitationswissenschaft, Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Universität zu Köln, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Köln, Germany
  • Jörg Kons - Information und Hilfe in Drogenfragen e.V., FITKIDS, Wesel, Germany
  • Sandra Groß - Information und Hilfe in Drogenfragen e.V., FITKIDS, Wesel, Germany
  • Osman Aydin - Universität zu Köln, Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Pamela Saak - Universität zu Köln, Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Annika Schneider - Universität zu Köln, Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Lena Ansmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung Abteilung Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf292

doi: 10.3205/19dkvf292, urn:nbn:de:0183-19dkvf2920

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Hower et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland hat ca. jedes sechste Kind Eltern, die süchtig sind. Der elterliche Drogenkonsum führt häufig zu prekären Lebensbedingungen für diese Kinder führen und deren eine gesunde Entwicklung mit Blick auf ihren Gesundheitszustand, Bildungsgrad und finanzielle Situation. Kinder suchterkrankter Eltern sind durch Hilfemaßnahmen sehr schwer zu erreichen. Über den Kontakt mit den suchterkrankten Eltern hat die Sucht- und Drogenhilfe als eine der wenigen Institutionen Zugangschancen zu den betroffenen Kindern. Sie steht daher in der Verantwortung, ihre Aktivitäten auf die bessere Versorgung von Kindern auszudehnen. Bisher bezogen jedoch nur 10 % der Beratungsstellen in Deutschland Kinder drogenabhängiger Eltern in die Versorgung ein.

Das Organisations- und Personalentwicklungsprogramm FITKIDS hat zum Ziel, die gesunde Entwicklung von Kindern suchtkranker Eltern zu stärken. Die Evaluationsstudie EvaFit untersucht

1.
die Implementierung von FITKIDS in Sucht- und Drogenberatungsstellen sowie
2.
die subjektive Ergebnisqualität bei süchtigen Eltern und Kindern in den suchtbelasteten Familien.

Fragestellung: Betrachtet wird hier die subjektive Ergebnisqualität in Bezug auf die Inanspruchnahme und Akzeptanz der durch das Programm gebotenen Hilfemaßnahmen sowie direkte Veränderungen der Lebenssituation aus der Perspektive von Eltern und Kindern mit Kontakt zum FITKIDS-Programm. Ein Austausch mit den Eltern über die Lebenssituation der Kinder, ein offener Umgang mit dem Familiengeheimnis Sucht gegenüber den Kindern, gemeinsame familiäre Aktivitäten sowie die Berücksichtigung altersentsprechender Bedarfe der Kinder sind Beispiele für erwünschte Wirkungen von FITKIDS in den Zielgruppen.

Methode: Durchgeführt wurde eine qualitative Querschnittsstudie mit semi-strukturierten, leitfadengestützten Einzelinterviews mit suchterkrankten Eltern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien, die in einer FITKIDS geschulten Drogen-/Suchtberatungsstelle beraten wurden. Die Auswertung erfolge mittels strukturierender Inhaltsanalyse anhand induktiver und deduktiver Ansätze. Bei allen Interviews werden die gültigen ethischen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten. Ein positiv bewertetes Ethikvotum liegt vor.

Ergebnisse: Insgesamt wurden n=20 Interviews geführt, davon n=14 mit suchterkrankten Elternteilen und n=6 mit Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien. Die Betrachtung der geäußerten Bedarfe der Suchterkrankten, wie auch die ihrer Kinder im Vergleich mit den bereitgestellten Unterstützungsmöglichkeiten der Beratungsstellen zeigt, dass das Angebot bedarfsgerecht ist und den Wünschen der Klient*innen weitgehend entspricht. Die niedrigschwelligen Angebote für Familien- bzw. Kinderaktivitäten werden von beiden Untersuchungsgruppen als sehr positiv wahrgenommen und ermöglichen soziale Teilhabe. Direkte Veränderungen lassen sich aus den Aussagen der zwei Untersuchungsgruppen im Erziehungsverhalten sowie Erziehungsstil und der Anbindung der Kinder an eigene Hilfsangebote erkennen. Der Beratungsstelle gelingt es innerhalb ihrer Angebote, die Eltern und Kinder zum offenen Austausch über die Erkrankung anzuregen und ihre Auswirkungen auf das Familienleben zu reflektieren. Es zeigen sich weiterhin von beiden Seiten wahrgenommene Barrieren zwischen Suchterkrankten und ihren Kindern, sich außerhalb der Beratungsstelle offen bzgl. suchtnaher Themen auszutauschen.

Diskussion: Der Nutzen dieser Untersuchung bestand darin, zu prüfen, inwieweit die Implementierung des Programms innerhalb des Betreuungssettings zu einem von Eltern und Kindern wahrgenommenen Nutzen führt. Die Ergebnisse zeigen positive Entwicklungen in Bezug auf die Lebenssituation der suchtbelasteten Familien, z.B. in Bezug auf soziale Teilhabe. Die angemessene Kommunikation zwischen den suchterkrankten Eltern und ihren Kindern scheint eine besondere Herausforderung darzustellen, der bisher durch das FITKIDS-Programm nur innerhalb des Beratungssettings begegnet werden kann.

Praktische Implikationen: Die Evaluationsergebnisse liefern Ansatzpunkte für eine nachhaltige Optimierung der Programmqualität und tragen zur Evidenzbasierung in der sozialen Arbeit bei, um das gesunde Aufwachsen von Kindern suchtkranker Eltern durch die Implementierung von FITKIDS in die Arbeit der Drogenberatungsstellen zu fördern.