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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Einflussfaktoren auf die Pflegebelastung der Angehörigen von Menschen mit Demenz: der Bayerische Demenz Survey (BayDem)

Meeting Abstract

  • Nikolas Dietzel - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Interdisziplinäres Zentrum für HTA und Public Health (IZPH), Erlangen, Germany
  • Linda Karrer - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Interdisziplinäres Zentrum für HTA und Public Health (IZPH), Erlangen, Germany
  • Franziska Wolff - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Interdisziplinäres Zentrum für HTA und Public Health (IZPH), Erlangen, Germany
  • André Kratzer - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
  • Manuela Hess - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Interdisziplinäres Zentrum für HTA und Public Health (IZPH), Erlangen, Germany
  • Elmar Gräßel - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
  • Peter L. Kolominsky-Rabas - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Interdisziplinäres Zentrum für HTA und Public Health (IZPH), Erlangen, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf255

doi: 10.3205/19dkvf255, urn:nbn:de:0183-19dkvf2552

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Dietzel et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Gegenwärtig leben in Deutschland etwa 1,7 Mio. Menschen mit Demenz (MmD) [1]. Die Pflege dieser Menschen wird nach aktuellen Schätzungen zu etwa 70% von Angehörigen im häuslichen Umfeld der MmD erbracht [2]. Der im Verlauf der Erkrankung steigende Pflegebedarf der MmD kann von den pflegenden Angehörigen als Belastung wahrgenommen werden, was sich negativ auf deren Lebensqualität und gesundheitlichen Zustand auswirkt [3].

Fragestellung: Ziel dieser Untersuchung ist es, Einflussfaktoren auf die Pflegebelastung zu analysieren.

Methode: Der Bayerische Demenz Survey (BayDem) ist eine multizentrische Längsschnittstudie, die an drei Standorten (Dachau, Erlangen, Kronach) in Bayern durchgeführt wurde. Projektteilnehmer waren MmD (nach ICD-10), sowie deren pflegende Angehörige. Die Verlaufsdaten wurden in standardisierten persönlichen Interviews in enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren vor Ort erhoben. Das subjektive Belastungsempfinden der Angehörigen wurde mit dem Instrument „Häusliche Pflege-Skala“ nach Gräßel (HPS kurz) [4] erfasst. Für die statistischen Analysen wurde ein multivariates Regressionsmodell gerechnet.

Ergebnisse: Im Rahmen von BayDem wurden 339 pflegende Angehörige von MmD zum Zeitpunkt der ersten Befragung (t0) in Bezug auf ihre subjektive Pflegebelastung untersucht. Als Ergebnis der Analyse konnten sechs zentrale Einflussfaktoren auf die Pflegebelastung identifiziert werden. Bei den Faktoren handelt es sich um das Geschlecht der MmD (p = 0,033), psychologische und Verhaltenssymptome (BPSD) (p < 0,001) sowie eine Verschlechterung der Funktionsfähigkeit im Alltag (ADL/IADL) (p = 0,016) der MmD, das Geschlecht der pflegenden Angehörigen (p < 0,001) sowie ihre Stellung zum MmD (p = 0,043) und das Zusammenleben mit dem MmD (p = 0,002).

Diskussion: Von den identifizierten Einflussfaktoren lassen sich die Verschlechterung der Funktionsfähigkeit im Alltag (ADL/IADL) und die Zunahme herausfordernder Verhaltensweisen der MmD gezielt beeinflussen. Die Ursachen für den belastenden Einfluss dieser Faktoren sind vielschichtig. Die Verschlechterung der Funktionsfähigkeit des MmD geht mit einem gestiegenen Pflegebedarf und -aufwand einher [5]. Psychologische und Verhaltenssymptome sind kaum vorhersehbar, schwer zu bewältigen und können bei den Angehörigen das Gefühl von Scham oder Erniedrigung hervorrufen [6]. Zudem kann das Zusammenleben mit dem MmD zu einem Verlust der Distanz führen, wodurch die Pflege als ein allgegenwärtiger Zustand wahrgenommen wird, der wenig Raum für physische und psychische Entlastung lässt [7].

Praktische Implikationen: Entscheidungsträger in Politik und im Gesundheitswesen sind gefordert, entsprechend der spezifischen, beeinflussbaren Faktoren der Pflegebelastung substantielle und tragfähige Lösungen zu entwickeln, um Angehörige zu unterstützen. Ein Lösungsansatz zur Reduzierung der Pflegebelastung stellt die Kombination pharmakologischer und nicht-pharmakologischer Interventionen zur Behandlung der krankheitsspezifischen Faktoren sowie einem „Empowerment“ und der Bereitstellung von Unterstützungsangeboten für die Angehörigen dar.

Förderhinweis: Das Projekt BayDem wird durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) gefördert (Förderkennzeichen: G42b-G8092.9-2014/10-7).


Literatur

1.
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. Informationsblatt 1 – Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. 2018 [Zugriff am 13.02.2019]. Verfügbar unter: https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf Externer Link
2.
Conrad I, Alltag S, Matschinger H, et al. Lebensqualität älterer pflegender Angehöriger von Demenzerkrankten. Der Nervenarzt. 2018;89:500-508.
3.
Karg N, Graessel E, Randzio O, Pendergrass A. Dementia as a predictor of care-related quality of life in informal caregivers: a cross-sectional study to investigate differences in health-related outcomes between dementia and non-dementia caregivers. BMC Geriatr. 2018 Aug 23;18(1):189. DOI: 10.1186/s12877-018-0885-1 Externer Link
4.
Pendergrass A, Malnis C, Graf U, Engel S, Graessel E. Screening for caregivers at risk: Extended validation of the short version of the Burden Scale for Family Caregivers (BSFC-s) with a valid classification system for caregivers caring for an older person at home. BMC Health Serv Res. 2018 Apr 2;18(1):229. DOI: 10.1186/s12913-018-3047-4 Externer Link
5.
Haro JM, Kahle-Wrobleski K, Bruno G, Belger M, Dell’Agnello G, Dodel R, Jones RW, Reed CC, Vellas B, Wimo A, Argimon JM. Analysis of burden in caregivers of people with Alzheimer's disease using self-report and supervision hours. J Nutr Health Aging. 2014 Jul;18(7):677-84. DOI: 10.1007/s12603-014-0036-0 Externer Link
6.
Cheng ST. Dementia Caregiver Burden: a Research Update and Critical Analysis. Curr Psychiatry Rep. 2017 Aug 10;19(9):64. DOI: 10.1007/s11920-017-0818-2 Externer Link
7.
Adelman RD, Tmanova LL, Delgado D, Dion S, Lachs MS. Caregiver burden: a clinical review. JAMA. 2014 Mar 12;311(10):1052-60. DOI: 10.1001/jama.2014.304 Externer Link