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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Instrumenten-übergreifender Vergleich der Ergebnisqualität. Entwicklung und Validierung eines Überführungsalgorithmus aus FIM und EBI

Meeting Abstract

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  • Martin Brünger - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Stefanie Köhn - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Anna Schlumbohm - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Karla Spyra - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf246

doi: 10.3205/19dkvf246, urn:nbn:de:0183-19dkvf2468

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Brünger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: In der Schweiz werden im Rahmen des Nationalen Messplan Rehabilitation in sämtlichen stationären Rehabilitationseinrichtungen trägerübergreifend klinikvergleichende Messungen der Ergebnisqualität vorgenommen [1]. In der neurologischen und muskuloskelettalen Rehabilitation können die teilnehmenden Rehakliniken wahlweise den Functional Independence Measure (FIM) [2] oder den Erweiterten Barthel-Index (EBI) [3] als Ergebnisindikator einsetzen. Beide Instrumente messen Funktionsfähigkeit in wichtigen Bereichen des Lebens (Activities of Daily Living, ADL) [4]. Um einen Ergebnisqualitätsvergleich zwischen allen Rehakliniken unabhängig vom verwendeten Instrument zu ermöglichen, ist die Transformation des jeweiligen FIM- bzw. EBI-Summenwertes in einen gemeinsamen ADL-Score erforderlich.

Fragestellung: Ziel dieser Studie war die Entwicklung und Validierung eines Umrechnungsalgorithmus aus FIM und EBI in einen gemeinsamen ADL-Score, der zum Instrumenten-übergreifenden Ergebnisqualitätsvergleich genutzt werden kann.

Methodik: Es wurde eine mehrphasige Mixed-Methods-Studie durchgeführt. Erstens wurde durch Expert*innen auf Item-Ebene eine inhaltliche Überführung analoger FIM- und EBI-Items sowie korrespondierender Antwortkategorien vorgenommen und ein Umrechnungsalgorithmus in einen gemeinsamen ADL-Score definiert.

Zweitens erfolgten zur Validierung dieses Umrechnungsalgorithmus bei 263 Patient*innen in der neurologischen Rehabilitation aus vier Rehakliniken mit fünf Standorten Messungen sowohl von FIM als auch EBI zu Rehabilitationsbeginn. Die Übereinstimmung zwischen ADL-Wert aus FIM und ADL-Wert aus EBI gemäß Umrechnungsalgorithmus wurde mithilfe von Reliabilitätsmaßen auf Item-Ebene und Skalen-Ebene beschrieben. Als graphische Darstellungsform wurden Transition Plots und Streudiagramme genutzt.

Drittens wurde der Überführungsalgorithmus auf Basis der Ergebnisse der Validierungsstudie in einem abschließenden Experten-Workshop finalisiert und konsentiert.

Ergebnisse: Die 18 FIM-Items wurden 15 der 16 EBI-Items in der Regel paarweise aufgrund inhaltlicher Kriterien zugeordnet. In drei Fällen finden aufgrund der inhaltlichen Gemeinsamkeit jeweils zwei FIM-Items Entsprechung mit einem EBI-Item. Das EBI-Item 16 (Sehen – Neglect) hat hingegen kein Analogon im FIM und fand daher keine Berücksichtigung im Überführungsalgorithmus. Anschließend wurden je Item-Paar die 7 FIM-Antwortkategorien den inhaltlich korrespondierenden 3 bis 5 EBI-Antwortkategorien zugeordnet und mit Werten zwischen 0 und 4 Punkten belegt. Der ADL-Score kann auf Skalenebene somit Werte zwischen 0 und 60 Punkten annehmen.

Das mittlere Alter der Validierungsstichprobe lag bei 67,2 Jahren (SD: 14,6; Spannweite 18-92 Jahre), der Frauenanteil bei 49,2%. Für die Item-Paare konnten in der Regel hohe Übereinstimmungsparameter verzeichnet werden. Auf Skalenebene lag die Intra-Klassen-Korrelation bei ICC=0,96, die Korrelation nach Spearman bei rs=0,96 und das adjustierte Bestimmtheitsmaß bei R2=0,91. Die Differenz des mittleren FIM-ADL-Summenwertes von 31,4 Punkten (SD: 18,3) und des mittleren EBI-ADL-Summenwertes von 31,9 Punkten (SD: 17,8) betrug im Mittel 0,4 Punkte.

Diskussion: FIM und EBI können in einen gemeinsamen ADL-Score überführt werden. Es zeigten sich im Mittel keine substanziellen Abweichungen je nach verwendetem Instrument. Die Übereinstimmungsparameter lagen in einem sehr hohen Bereich. Der Umrechnungsalgorithmus wurde inhaltlich fundiert, empirisch validiert und abschließend Experten-konsentiert.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Umrechnungsalgorithmus aufgrund der leicht unterschiedlichen inhaltlichen Konzeption und der abweichenden formalen Testkonstruktion von FIM und EBI im Einzelfall auch zu größeren Abweichungen je nach verwendetem Ursprungsinstrument führen kann. Daher sollten bei Nutzung des Umrechnungsalgorithmus und klinikvergleichender Darstellung des ADL-Scores zusätzlich deskriptiv die jeweils tatsächlich gemessenen Werte der Ursprungsinstrumente FIM bzw. EBI berichtet werden.

Praktische Implikationen: Ein Ergebnisqualitätsvergleich unabhängig von Nutzung des FIM oder des EBI scheint nunmehr valide bei Anwendung des Umrechnungsalgorithmus möglich zu sein. Dies erleichtert die klinikvergleichende Darstellung der Ergebnisqualität in der neurologischen und muskuloskelettalen Rehabilitation.


Literatur

1.
Menzi L. Praxisnahe Qualitätskontrolle. Schweizerische Ärztezeitung. 2016;96(41):1476-1477.
2.
Keith RA, Granger CV, Hamilton BB, Sherwin FS. The functional independence measure: a new tool for rehabilitation. Adv Clin Rehabil. 1987;1:6-18.
3.
Prosiegel M, Böttger S, Schenk T, König N, Marolf M, Vaney C. Der Erweiterte Barthel-Index (EBI) – eine neue Skala zur Erfassung von Fähigkeitsstörungen bei neurologischen Patienten. Neurol Rehabil. 1996;2:7-13.
4.
Wade DT. Measurement in neurological rehabilitation. Oxford; 1992.