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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Der Einfluss leitliniengerechter Versorgung bei pflegebedürftigen Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 auf einen Heimeintritt

Meeting Abstract

  • Susanne Stiefler - Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Universität Bremen, Abteilung 7: Pflegewissenschaftliche Versorgungsforschung, Bremen, Germany
  • Kathrin Seibert - Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Abteilung 7: Pflegewissenschaftliche Versorgungsforschung, Bremen, Germany
  • Dominik Domhoff - Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Abteilung 7: Pflegewissenschaftliche Versorgungsforschung, Bremen, Germany
  • Karin Wolf-Ostermann - Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Abteilung 7: Pflegewissenschaftliche Versorgungsforschung, Bremen, Germany
  • Dirk Peschke - Hochschule für Gesundheit Bochum, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Bochum, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf243

doi: 10.3205/19dkvf243, urn:nbn:de:0183-19dkvf2432

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Stiefler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Diabetes mellitus Typ 2 zählt zu den häufigen chronischen Erkrankungen in Deutschland insbesondere in höherem Alter. Aufgrund einer häufig hohen Komorbidität und möglichen schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen ist eine qualitativ hochwertige und passende Versorgung insbesondere bei älteren, pflegebedürftigen Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 notwendig. Die qualitativ hochwertige Versorgung ist auch notwendig, um dem Paradigma „ambulant vor stationär“ und dem Wunsch vieler pflegebedürftiger Personen möglichst lange in der eigenen Häuslichkeit zu verbleiben nachzukommen. Deshalb sind Erkenntnisse über die Versorgungsqualität und ihren Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit für einen Eintritt in die stationäre Langzeitpflege von besonderer Relevanz.

Fragestellung: Welchen Einfluss hat eine leitliniengerechte Versorgung von pflegebedürftigen Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 auf den Eintritt in die stationäre Langzeitpflege?

Methode: In eine retrospektive Kohortenstudie im Längsschnittdesign wurden ältere Personen (65 Jahre oder älter), die im Jahr 2006 inzident pflegebedürftig wurden und im Verlauf des Beobachtungszeitraums mindestens einmalig Diabetes mellitus Typ 2 diagnostiziert bekamen, in die Sekundärdatenanalyse von Krankenkassen-Routinedaten eingeschlossen. Die Population wurde über einen Beobachtungszeitraum von zehn Jahren nach dem Baselinejahr 2006 bis einschließlich 2016 betrachtet. Als Qualitätsindikatoren wurden unter anderem Indikatoren der leitliniengerechten Versorgung aus dem Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung (QISA) und den Nationalen Versorgungsleitlinien verwendet. Die Datenauswertung erfolgte mittels SAS® 9.4 unter Anwendung von bivariaten und multivariaten Cox Regressionsanalysen durch die Ermittlung von Hazard Ratios (HR).

Ergebnisse: 23.416 pflegebedürftige Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 wurden für die Analysen betrachtet. Alle untersuchten Qualitätsindikatoren waren in den bivariaten Analysen auf einem Signifikanzniveau von p < .0001 signifikant. Personen mit HbA1c-Kontrolle (HR = 1,2), die stationär im Krankenhaus behandelt wurden (HR = 1,4), mit Kontrolle der Triglyceride, des LDL- und HDL-Cholesterins (HR = 1,5) und mit Kontrolle von Serumkreatinin (HR = 1,7) traten zu einer höheren Wahrscheinlichkeit in ein Heim ein. Bei einer Inanspruchnahme einer jährlichen augenärztlichen Untersuchung (HR = 0,9) sowie jährlicher Augenhintergrunduntersuchung (HR = 0,8) waren im Verhältnis seltener Heimeintritte zu verzeichnen. Ergebnisse multivariater Modelle werden auf dem Kongress präsentiert.

Diskussion: Leitliniengerechte Versorgung in Bezug auf regelmäßige Kontrolle von Laborwerten zeigt sich wider Erwarten als ein Prädiktor für Heimeintritt. Unbekannt sind die Ergebnisse der Laborwerte, welche zusätzliche Hinweise auf protektive oder prädiktive Einflüsse geben könnten. Ebenso bleibt offen, ob ein regelmäßiger Kontakt zu einzelnen Leistungserbringern vielmehr frühzeitig Defizite in der häuslichen Lebenssituation aufdeckt, die einen Heimeintritt erforderlich machen. Das unerwünschte Ereignis einer stationären Krankenhausbehandlung von Diabetikern weist ebenfalls auf eine höhere Heimeintrittswahrscheinlichkeit hin. Anhaltspunkte für einen protektiven Effekt auf einen Eintritt in die stationäre Langzeitpflege finden sich im Sinne empfohlener augenärztlicher Untersuchungen für Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2. Für eine umfassendere Betrachtung der Einflüsse leitliniengerechter Versorgung müssen weitere Determinanten fokussiert werden, so zum Beispiel Angaben zum DMP Diabetes mellitus Typ 2, die in den zu Grunde liegenden Daten nicht verfügbar waren.

Praktische Implikationen: Qualitätsindikatoren, die protektive Einflüsse auf einen Heimeintritt vermuten lassen wie empfohlene augenärztliche Untersuchungen, unterstreichen die Notwendigkeit einer leitliniengerechten Versorgung von pflegebedürftigen Personen mit Diabetes mellitus Typ 2. Durch die Vermeidung von Komplikationen und Folgeerkrankungen bei Diabetikern sollen stationäre Krankenhausaufenthalte minimiert werden, welche sich als Prädiktor für einen Heimeitritt darstellten. Aus spezifischen Qualitätsindikatoren, die eine leitliniengerechte Versorgung abbilden, jedoch auf eine erhöhte Heimeintrittswahrscheinlichkeit hinweisen, ergibt sich weiterer Forschungsbedarf.

Förderung: Die Studie wird gefördert aus Mitteln des Innovationsfonds zur Förderung von Versorgungsforschung, Förderkennzeichen: 01VSF16042.