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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Reduziert eine Versorgung mit physikalischer oder Schmerztherapie die Verordnungshäufigkeit von Schmerzmedikamenten?

Meeting Abstract

  • Falko Tesch - Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany
  • Toni Lange - Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Germany
  • Patrik Dröge - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Qualitäts- und Versorgungsforschung, Berlin, Germany
  • Andreas Klöss - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Qualitäts- und Versorgungsforschung, Berlin, Germany
  • Christian Günster - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Qualitäts- und Versorgungsforschung, Berlin, Germany
  • Fritz Uwe Niethard - Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e V. (DGOU), Berlin, Germany
  • Jochen Schmitt - Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf238

doi: 10.3205/19dkvf238, urn:nbn:de:0183-19dkvf2383

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Tesch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland konnte für die Versorgung von Rückenschmerzpatienten in den letzten 10 Jahren ein Anstieg an Opioid Verordnungen [1] festgestellt werden. Unklar bleibt, ob dies vorwiegend durch eine Alterung der Bevölkerung, eine Verbesserung der Versorgung oder einer erhöhten Nachfrage dieser Leistungen verursacht wurde. Eine Verordnung von physikalischer – oder Schmerztherapie stellt einen Hinweis für den Schweregrad der Schmerzen im jeweiligen Jahr dar, während sie zugleich als Intervention im Vorjahr gesehen werden kann.

Fragestellung: Kann eine ambulante konservative Therapie den Rückenschmerz reduzieren und damit zu einer geringeren Verordnung von Schmerzmedikamenten beitragen?

Methode: In einem durch den Innovationsfonds geförderten Projekt (DEWI) wurden ausgehend von bundesweiten anonymisierten AOK-Routinedaten Rückenschmerzpatienten (ambulanten oder stationären Diagnose M40-M54) für die Jahre 2006 bis 2016 ausgewählt. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Schweregrad der Schmerzen mit der Verordnung von Schmerzmitteln approximieren lässt. Die abhängigen Variablen waren die Verordnungen von NSAR, Cox-2-Inhibitoren, nichtopioide Analgetika, schwach/stark wirkende Opioide auf Versichertenebene. Die unabhängigen Variablen waren die Verordnungen an Heilmitteln (Krankengymnastik, Manuelle Therapie, Massagen) mit Indikation Wirbelsäule sowie ärztliche Schmerztherapien (Schmerzanamnese, Chirotherapie, Akupunktur). Der Einfluss dieser Therapien wurde über ein dynamisches Panelmodell mit Hilfe des Arellano-Bond Schätzers [2] modelliert.

Ergebnisse: Die Verordnungshäufigkeit an Schmerzmedikamenten ist abhängig von den Verordnungen im vorhergehenden Jahr. Während die Behandlung mit physikalischer- oder Schmerztherapie im jeweiligen Jahr ebenfalls mit der Erkrankungsschwere und damit erhöhten Schmerzmittelverordnungen gesehen werden kann, ist eine Behandlung im vorhergehenden Jahr je nach Therapieverfahren oft mit einer reduzierten Verordnungshäufigkeit von Schmerzmedikamenten assoziiert. Dies gilt jedoch weniger für Opioide. Als Negativkontrolle konnte eine Assoziation von bildgebenden Verfahren mit Schmerzmedikamenten im Betrachtungsjahr, jedoch nicht im vorhergehenden Jahr, festgestellt werden.

Diskussion: Eine konservative Therapie könnte die Verordnungshäufigkeit für nicht-opioide Schmerzmittel senken und damit auch die Lebensqualität der Patienten erhöhen. Dieser Befund ist jedoch dadurch begrenzt, dass keine Indikationen für die medikamentöse Schmerztherapie in Krankenkassendaten dokumentiert werden und zusätzlich NSAR oft auch ohne ärztliches Rezept erhältlich sind.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse aus dem Projekt DEWI ermöglichen ein besseres Verständnis über den Zusammenhang von physikalischer- oder Schmerztherapie und medikamentöser Behandlung von Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen.

Förderung: Innovationsfonds/ Versorgungsforschung


Literatur

1.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR). Gutachten 2018. 2018.
2.
Arellano M, Bond S. Some Tests of Specification for Panel Data: Monte Carlo Evidence and an Application to Employment Equations. The Review of Economic Studies. 1991;58(2):227-297.