gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Referenzauswertung zur dokumentierten Prävalenz und Inzidenz des Diabetes-mellitus – Ergebnisse auf Basis aller gesetzlich Krankenversicherten

Meeting Abstract

  • Christian Schmidt - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Germany
  • Jochen Dreß - Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, Datenaufbereitungsstelle, Köln, Germany
  • Lukas Reitzle - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Germany
  • Alexander Rommel - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Germany
  • Thomas Ziese - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Germany
  • Christin Heidemann - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf232

doi: 10.3205/19dkvf232, urn:nbn:de:0183-19dkvf2325

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Schmidt et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Diabetes mellitus ist eine häufige Erkrankung mit hoher Public-Health Relevanz. Mit dem Aufbau der Diabetes-Surveillance am Robert Koch-Institut (RKI) wird das Diabetesgeschehen indikatorenbasiert und wiederkehrend für Deutschland abgebildet. Die Prävalenz und Inzidenz des diagnostizierten Diabetes sind dabei zwei Kernindikatoren. Der Einbezug von routinemäßig erhobenen Daten zur Berechnung der Prävalenz und Inzidenz des Diabetes mit Daten aller gesetzlich Krankenversicherten (GKV-Versicherten) ist für die Surveillance anzustreben, da Daten einzelner Krankenkassen nicht repräsentativ für alle GKV-Versicherten sind und Befragungsdaten meist mit größeren zeitlichen Abständen erhoben werden. Neben der Datengrundlage fehlt bislang auch eine konsentierte Definition, welche Personen mit Diabetes aus Routinedaten vergleichbar über die Zeit aufgreift. In Zusammenarbeit mit externer Expertise aus Epidemiologie, Versorgungsforschung und der Datenaufbereitungsstelle des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information wurde für die Diabetes-Surveillance eine Referenzdefinition erstellt und die Daten aller GKV-Versicherten nach der Datentransparenzverordnung (DaTraV) zur Erstellung der Ergebnisse verwendet.

Fragestellung:

1.
Wie hoch ist die Prävalenz des dokumentierten Diabetes in Deutschland und seinen Bundesländern?
2.
Wie entwickelte sich diese Prävalenz im Zeitraum 2011-2013?
3.
Können mit der Referenzdefinition Neuerkrankungsfälle plausibel geschätzt werden?

Methode: Datengrundlage bilden die DaTraV-Daten der Berichtsjahre 2011, 2012 und 2013. Die Definition der Referenzauswertung bezüglich der dokumentierten Prävalenz wurde über die ICD-10-Diagnosen E10.- bis E14.- vorgenommen. Demnach mussten mindestens zwei ambulant gesicherte (m2Q-Kriterium) oder eine stationäre Haupt- oder Nebendiagnose für die Falldefinition vorliegen. Bezüglich der Typenunterscheidung wurde ebenfalls das m2Q-Kriterium angewendet, allerdings mit der Erweiterung, dass für Typ-1-Diabetes (bzw. Typ-2-Diabetes) bei Vorliegen einer ambulant gesicherten E10.- (bzw. E11.-) Diagnose auch unspezifische Diagnosen (d.h. E12.- bis E14.-) zur Erfüllung des m2Q-Kriteriums ausreichten. Neben einer Stratifizierung nach Geschlecht und 5-Jahres-Altersgruppen erfolgte für den Diabetes über alle Typen eine Auswertung nach Bundesländern. Validierungsmengen bezogen sich zum einen auf die Ergebnismenge mit Diabetes als ausschließlich stationäre Nebendiagnose, zum anderen auf Personen mit Antidiabetika, die nicht in der auf den ICD-10-Diagnosen basierenden Ergebnismenge enthalten sind und die keinen Schwangerschaftsdiabetes aufweisen. Personen ohne eine gesichert ambulant oder stationär dokumentierte Diabetesdiagnose im Jahr 2011, die ein m2Q-Kriterium (E10.- bis E14.-) innerhalb von vier aufeinanderfolgenden (auch überjährigen) Quartalen in den Jahren 2012 und 2013 aufweisen, wurden als inzidente Fälle im Jahr 2012 definiert.

Ergebnisse: Die dokumentierte Prävalenz des Diabetes zeigt deutliche, regionale Unterschiede: in Sachsen-Anhalt beträgt diese im Jahr 2011 14,4% und altersstandardisiert (Mikrozensus 2011) 11,8%, wohingegen sie in Hamburg bei 7,3% und altersstandardisiert bei 8,0% liegt. Im Zeitverlauf der Jahre 2011 bis 2013 steigt die Prävalenz (altersstandardisiert) in Deutschland von 9,7 % (9,5%) auf 9,9 % (9,6%) und 10,1% (9,7%), wobei jeweils Männer höhere Werte zeigen. Der Typ-2-Diabetes und Typ-1-Diabetes zeigen eine dokumentierte Prävalenz von 7,6% und 0,28%. Ein unspezifischer Diabetes wird mit 1,9% relativ häufig dokumentiert. Über alle Altersgruppen zeigen 0,21% der Personen ausschließlich mindestens eine stationäre Nebendiagnose und 0,17% der Personen mindestens eine Verschreibung eines Antidiabetikums ohne dokumentierte Diagnose (m2Q: E10.- bis E14.-). Im Jahr 2012 sind 565.040 GKV-Versicherte neu an Diabetes erkrankt.

Diskussion: Auf Basis der Referenzdefinition zeigen sich deutliche regionale Unterschiede der dokumentierten Prävalenz. Für Deutschland ist ein Anstieg der dokumentierten Prävalenz über alle Erkrankungstypen in den Jahren von 2011 bis 2013 zu verzeichnen. Eine Unterscheidung der Erkrankungstypen ist aufgrund der häufigen Kodierung unspezifischer Diagnosen schwierig.

Praktische Implikationen: In der Diabetes-Surveillance des RKI werden mit der Referenzauswertung zum dokumentieren Diabetes Prävalenzen auf Grundlage von Daten aller GKV-Versicherten über die Zeit vergleichbar präsentiert. Eine valide regionale und zeitliche Einordnung des Diabetesgeschehens ist hierdurch möglich. Perspektivisch sollen die Zahlen verstetigt abgebildet werden und in Zusammenarbeit mit der Datenaufbereitungsstelle weitere Analysen auf Basis der DaTraV-Daten erfolgen.