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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Over-the-counter (OTC-) Präparate bei Privatversicherten – eine Querschnittsanalyse

Meeting Abstract

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  • Katja Götz - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Germany
  • Christian Jacke - Wissenschaftliches Institut der Privaten Krankenversicherungen (WIP), Köln, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf229

doi: 10.3205/19dkvf229, urn:nbn:de:0183-19dkvf2291

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Götz et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Unter der Prämisse, dass Gesundheit ein superiores Gut ist und jeder Einzelne dafür Sorge trägt, gewinnt die Selbstmedikation zunehmend an Bedeutung. Stetig wachsende Umsatz- und Absatzzahlen für Over-the-Counter (OTC) Präparate sind ein Ausdruck dieser Entwicklung [1]. Die Daten des Bundesgesundheitssurveys deuten an, dass präventive und kurative Aspekte zu den häufigsten Gründen für die stärkere Inanspruchnahme zählen [2]. Welche Arzneimittel davon betroffen sind, ist dabei weitestgehend unbekannt. Seit 2004 sind diese Präparate bis auf wenige Ausnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erstattungsfähig. In der privaten Krankenversicherung (PKV) ist die Kostenerstattung eines Arzneimittels nicht von der Verschreibungspflicht abhängig, so dass hier die Möglichkeit einer genaueren Betrachtung gegeben ist.

Fragestellung: Die vorliegende Querschnittsanalyse zielt auf die Beschreibung der häufigsten Verordnungen von OTC-Präparaten in der PKV ab.

Methode: Die Querschnittsanalyse nutzt die bei 18 PKVen eingereichten Arzneimittelrezepte und Rechnungen des ambulanten Sektors 2016. Die Verbrauchszahlen wurden anhand von alters- und geschlechtsspezifischen Kopfschäden gebunden hochgerechnet. Von den insgesamt 99,94 Mio. Rezepten gingen 10,5 Mio. OTC-Angaben in die Deskriptionen ein. Über die Pharmazeutische Zentralnummer (PZN) konnten weitere Informationen aus der ABDATA entnommen werden. Dazu zählte das Merkmal Waren- und Haupt- bzw. Randsortiment sowie dazugehörige Unterkategorien, um systematische Häufigkeitsauszählungen durchzuführen.

Ergebnisse: Die Datenbasis bezieht sich auf den Verbrauch von 18 PKVen, die insgesamt knapp 90% der 8,8 Mio. Privatversicherten abdecken. Die vorliegenden Analysen stützten sich auf 103.637 PZNs des Randsortiments. Die drei häufigsten abgerechneten Randsortimente waren: Krankenbedarf (46,2%), Arzneimittel besonderer Therapierichtungen (32,1%) und Apothekenübliche Nahrungsmittel (15,7%). Innerhalb des Krankenbedarfs wies die parenterale Applikation mit 14,2% aller Packungen den größten Anteil auf und bei den Arzneimitteln besonderer Therapierichtungen waren es Homöopathie (24,9%) und Anthroposophie (7,2%). Bei ersteren finden sich Präparate für Verstauchungen, zur Beruhigung nervöser Zustände und Erkältungspräparate. Bei letzteren finden sich viele additive Misteltherapien zur Tumorbehandlung, Präparate zur Beruhigung und gegen Bindehautentzündungen.

Diskussion: OTC-Präparate übernehmen eine wichtige Funktion, da sie ein niederschwelliges Angebot zusammen mit einer adäquaten Beratung in der Apotheke schnell Linderung versprechen. Bei leichten und kurzweiligem Unwohlsein oder vorrübergehenden Störungen können unnötige Arztbesuche vermieden werden. Neben saisonalen Effekten wie Erkältungen oder Allergien sind Arzneimittel gegen Unruhe und nervöse Zustände, aber auch additive Mittel gegen Tumorerkrankungen auffällig. Ob ein stetiger Übergang von einer Bedarfs- zur Dauermedikation vorliegt, kann mit den Daten nicht beantwortet werden. Es wäre dringend mehr Evidenz zu Nutzen und Schaden, aber insbesondere zu Wechselwirkungen mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln nötig. Dies gilt sowohl für private wie auch für gesetzlich Versicherte.

Praktische Implikationen: Der Nutzennachweis für OTC-Präparate sollte auch vor dem Hintergrund unerwünschter Arzneimittelwechselwirkungen erbracht werden. Die Einschätzung der (Wechsel-)Wirkungen von rezeptpflichtigen- und OTC-Präparaten kann der Versicherte nicht erbringen. Apotheker, Ärzte und andere Leistungserbringer benötigen hierzu jedoch sämtliche Medikationsdaten für eine umfassende Aufklärung. Medikationspläne und elektronische Patientenakten, in welcher Form auch immer, können hier sicher helfen.


Literatur

1.
IQVIA. IQVIA Marktbericht. Entwicklung des deutschen Pharmamarkts im Jahr 2018. 2019. Verfügbar unter: https://www.iqvia.com/-/media/iqvia/pdfs/cese/germany/publikationen/marktbericht/pharma-marktbericht-jahr-2018-iqvia.pdf?la=de-de&hash=D0D4CFFAB622C3F8D95138973B1606F92873E246&_=1550740522363 Externer Link
2.
Knopf H, Melchert HU. Bundes-Gesundheitssurvey: Arzneimittelgebrauch. Konsumverhalten in Deutschland. Berlin: Robert-Koch-Institut; 2003.