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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Versorgung von Menschen am Lebensende in Niedersachsen – eine Analyse auf Basis von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen aus dem Jahr 2016

Meeting Abstract

  • Katharina van Baal - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Sophie Schrader - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Nils Schneider - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Gabriele Müller-Mundt - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Birgitt Wiese - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany
  • Jona Theodor Stahmeyer - AOK Niedersachsen, Stabsbereich Versorgungsforschung, Hannover, Germany
  • Sveja Eberhard - AOK Niedersachsen, Stabsbereich Versorgungsforschung, Hannover, Germany
  • Kambiz Afshar - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf213

doi: 10.3205/19dkvf213, urn:nbn:de:0183-19dkvf2131

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 van Baal et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Jahr 2016 sind in Deutschland 910.902 Menschen gestorben, davon 92.368 in Niedersachsen. Der Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2015 zeigte heterogene palliative Versorgungsstrukturen mit erheblichen regionalen Unterschieden zwischen den Bundesländern und zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Eine Ist-Analyse von Qualitätsindikatoren der Versorgung am Lebensende im Flächenland Niedersachsen steht aus.

Fragestellung: Wie stellt sich die Versorgungssituation von Menschen am Lebensende in Niedersachsen auf Basis von Krankenkassendaten für das Jahr 2016 dar?

Methode: Es handelt sich um eine deskriptive Querschnittsanalyse auf Basis von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen für das Jahr 2016. Die Analyse ist Teil des auf drei Jahre angelegten Interventionsprojektes „Optimale Versorgung am Lebensende – OPAL“ (Förderer: Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses; Förderkennzeichen: 01VSF17028). In die Analyse wurden alle verstorbenen Versicherten ≥ 18 Jahre eingeschlossen, die im Sterbejahr 2016 sowie im vorherigen Kalenderjahr durchgängig versichert waren. Grundlage für die Beurteilung der Versorgungssituation waren ausgewählte Qualitätsindikatoren zur Versorgung am Lebensende auf Basis des Faktenchecks Gesundheit der Bertelsmann Stiftung. Dazu zählten u.a. die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) in den letzten drei Lebensmonaten, die Zahl der stationären Aufenthalte und Behandlungstage in den letzten sechs Lebensmonaten, die Anzahl der Leistungen der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) sowie deren zeitlicher Abstand zwischen Erstverordnung und Tod der Versicherten. Zusätzlich wurde die Anzahl an Verordnungen für Heilmittel (Physio-, Ergotherapie und Logopädie) im letzten Lebensjahr betrachtet.

Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 35.405 Verstorbene (53,3% weiblich) die oben genannten Einschlusskriterien. Das Durchschnittsalter bei Todeseintritt betrug 75,1 Jahre bei den Männern und 82,5 Jahre bei den Frauen. Eine Herzerkrankung lag bei 91,4% aller Verstorbenen vor, gefolgt von demenziellen Erkrankungen (54,8%) und chronischen Lungenerkrankungen (52,3%). In den letzten sechs Lebensmonaten hatten etwa 3/4 der Verstorbenen mindestens einen stationären Aufenthalt, 44,8% sind im Krankenhaus verstorben. 421 Verstorbene (1,2%) bekamen in den letzten drei Lebensmonaten erstmalig eine PEG-Anlage. Der Anteil an Verstorbenen mit einer AAPV-Verordnung im letzten Lebensjahr lag bei 26,9%, davon 10,2% mit einer Erstverordnung in den letzten 30 Tagen vor ihrem Tod. Für insgesamt 2.849 Verstorbene (8,1%) wurde mindestens eine SAPV-Verordnung im letzten Lebensjahr ausgestellt, davon entfallen 376 Erstverordnungen auf die letzten drei Lebenstage. Für knapp 1/3 der Verstorbenen wurde im letzten Lebensjahr eine Verordnung für Physiotherapie ausgestellt, gefolgt von Verordnungen für Ergotherapie (3,3%) und Logopädie (2,1%).

Diskussion: Die Ergebnisse dieser Analyse geben einen Überblick über die Versorgungssituation von Menschen am Lebensende in Niedersachsen auf Basis von etablierten Qualitätsindikatoren. Im Faktencheck Gesundheit wurde festgestellt, dass bundesweit etwa 46,0% aller Verstorbenen im Krankenhaus verstorben sind. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Stichprobe in dieser Untersuchung. Während für das Jahr 2014 ein Anteil von 28% der Verstorbenen mit AAPV-Leistungen in Niedersachsen berichtet wurde, lag dieser in der Stichprobe aus dem Jahr 2016 bei ähnlichen 26,9%. Demgegenüber zeigt sich ein Zuwachs des Anteils von Verstorbenen mit SAPV (2014: 5,3% vs. 2016: 8,1%). Die Analyse der Versorgungssituation dient im Projekt OPAL dem Prä-Post-Vergleich für die Beurteilung der Effekte und der Wirksamkeit einer geplanten Intervention.

Praktische Implikationen: Der Zuwachs an spezialisierten ambulanten Palliativleistungen kann auf ein gesteigertes Bewusstsein für die palliativen Bedarfe der Menschen am Lebensende hindeuten, jedoch ohne erkennbaren Einfluss auf den Sterbeort Krankenhaus und die AAPV.