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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Die Wahl einer Geburtsklinik – welche Rolle spielt die Distanz vom Wohnort?

Meeting Abstract

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  • Daniela Koller - LMU München, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie – IBE, München, Germany
  • Werner Maier - HelmholtzZentrum München, IGM, Neuherberg, Germany
  • Nicholas Lack - BAQ, München, Germany
  • Eva Grill - LMU München, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie – IBE, München, Germany; Klinikum der Universität München, Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum, München, Germany
  • Ralf Strobl - LMU München, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie – IBE, München, Germany; Klinikum der Universität München, Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum, München, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf210

doi: 10.3205/19dkvf210, urn:nbn:de:0183-19dkvf2101

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Koller et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Eine optimale Versorgung mit Geburtskliniken ist wohnortnah und bedarfsgerecht. Bei Geburten haben werdende Eltern meist ausreichend Zeit, sich eine Geburtsklink (GK) auszusuchen. Diese Wahl sollte idealerweise anhand der bekannten oder zu erwartenden Risikofaktoren von Mutter und Kind passgenau zu Erreichbarkeit und der Ausstattung der GK sein.

Fragestellung: Ziel der Studie ist es, Einflussfaktoren auf die Wahl einer Klinik zu identifizieren. Hypothese ist, dass die Distanz ein Haupteinflussfaktor ist.

Methodik: Die Studie ist eine Sekundärdatenanalyse. Die Analyse erfolgte auf Grundlage aller Geburten in Bayern von 2015-18, dokumentiert in den Perinatal-Daten der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung in der stationären Versorgung (BAQ). Ausschließlich die erste Geburt pro Mutter wurde ausgewertet, um einen ähnlichen Wissensstand der Eltern voraussetzen zu können. Analysiert wurden Informationen über die Mutter (u.a. Alter, Schwangerschaftsrisiken), zur Geburtsverlauf und zum Neugeborenen (u.a. Sectio, APGAR, Gewicht) und zur Klinik (Klassifikation nach Krankenhausplan). Um die fehlenden Informationen zum individuellen Sozialstatus zu kompensieren, wurde der der Bayrische Index Multipler Deprivation (BIMD) in die Analyse aufgenommen. Zur Distanzberechnung wurden die Klinik-Adressen geokodiert. Adressdaten der Mütter waren nicht dokumentiert, allerdings war die vollständige Postleitzahl des Wohnortes verfügbar. Der geografische Mittelpunkt des Postleitzahlengebietes approximierte den Ausgangspunkt der Distanzberechnung. Distanz bezieht sich auf die jeweils kürzeste Straßendistanz (Routing mit osrm Paket in R).

Ergebnisse: Es wurden 226,792 Geburten ausgewertet. Die Mütter waren durchschnittlich 29,8 Jahre alt (SD: 5,1), 35% der Geburten waren Kaiserschnitte. und legten 16,5 km (SD: 17,8) zur GK zurück. 42,9% wählten die nächstgelegene Klinik. Es wurden weitere Wege zu Perinatalzentren (durchschnittlich 17,5 km) zurückgelegt als zu den Belegkliniken (durchschnittlich 14,3 km). Wurde eine weiter entfernte Klinik gewählt, so war dies häufiger ein Perinatalzentrum (p < 0,001). Für eine weitere entfernte GK wurden durchschnittlich 6,7 Kilometer zusätzliche Anfahrtsstrecke in Kauf genommen, wobei hier die Spanne von 0,5 bis 413 Kilometer reicht. Die größten Distanzen wurden in den grenznahen Regionen der Oberpfalz und Niederbayerns zurückgelegt, die geringsten Distanzen in den Großstadtregionen München, Nürnberg und Augsburg.

Diskussion: Auch wenn viele potenzielle Faktoren der Entscheidung für eine Geburtsklinik nicht in den Perinatal-Daten abgedeckt sind (z.B. Empfehlungen von Bekannten und Ärzten, Präferenzen in der Ausstattung der Kreißsäle), kann diese Datengrundlage Hinweise zum tatsächlichen Versorgungsgeschehen und den zurückgelegten Distanzen liefern. Weitere Analysen sollten mit zusätzlichen Prädiktoren erfolgen. Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass Mütter für eine Geburt im Perinatalzentrum weitere Anreisen in Kauf nehmen. Zu den Limitationen muss genannt werden, dass die Distanzmessung über die Postleitzahlen natürlich nur eine Approximation darstellen. Geringe Distanzunterschiede können so nicht eindeutig identifiziert werden, bei längeren Wegen wird die Aussage allerdings zuverlässiger.

Praktische Implikationen: Die Distanz zum KH variiert stark nach Ausstattung und Region, was bei der Planung der lokalen Versorgungsstrukturen berücksichtigt werden sollte. In Hinblick auf Schließungen oder Neueröffnungen möglicher Kliniken oder der Bündelung von spezialisierter Versorgung ist es relevant, dass die Mütter, die eine spezialisiertere Versorgung benötigen, diese erreichen und letztendlich sich auch für diese Versorgung entscheiden können.