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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Zusammenhang zwischen Fallmenge und neonatalem Outcome bei unselektierten oder Niedrig-Risiko-Geburtskohorten – ein systematisches Review

Meeting Abstract

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  • Felix Walther - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der TU Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany
  • Denise Küster - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden, Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Germany
  • Anja Bieber - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Medizinische Fakultät, Halle, Germany
  • Jochen Schmitt - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der TU Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf209

doi: 10.3205/19dkvf209, urn:nbn:de:0183-19dkvf2099

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Walther et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bei der Versorgung von Neugeborenen reicht das Spektrum von einer „natürlichen“ und von Hebammen begleiteten Geburt bis hin zur Maximalversorgung extrem unreifer oder schwerkranker Kinder unter Einbezug entsprechender personeller und technischer Ressourcen. Die Primärstudienlage bei Hochrisikogeburten (u.a. Geburtsgewicht <1500 g) deutet auf einen Zusammenhang zwischen neonatalem Outcome und Fallmenge bzw. Zentralisierungsgrad hin. Mit der dazugehörigen Mindestmenge hat der Gesetzgeber der Studiensituation Rechnung getragen und die Versorgung von Geburten mit Geburtsgewicht <1250 g an eine definierte Menge von 14 Fällen gebunden. Vor diesem Hintergrund wird ebenfalls über das Verhältnis zwischen Fallmenge und Outcome bei Reifgeborenen/ Niedrig-Risiko-Geburten diskutiert.

Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Fallmenge einer Geburtsklinik (primäre Exposition) und Behandlungsqualität, definiert als kindliche und/oder mütterliche Sterblichkeit (primäres Outcome) bei explizit reifgeborenen Niedrigrisikogeburten sowie unselektierten Geburtskohorten?

Methode: Von März bis Mai 2018 (Update für Mai 2019 geplant) führten die Autoren ein systematisches Review durch. Nach der Registrierung bei PROSPERO erfolgte die systematische Suche in den Datenbanken Medline und Embase. Eingeschlossen wurden Studien, die mindestens maternale oder kindliche Sterblichkeit im Zusammenhang mit der Fallmenge untersuchten. Sekundäre Outcomes waren u.a. Kaiserschnittraten, Geburtskomplikationen, Wiederaufnahmen und Entwicklungsverzögerungen. Um eine Vergleichbarkeit des Settings sowie der Zeiträume zu gewährleisten, wurden nur Studien aus Ländern herangezogen, deren Neonatalsterblichkeit <5/1000 Geburten liegt und mit einem Publikationsdatum zwischen 2000 und April 2018. Die PRISMA-Methodenstandards kamen bei der Durchführung des Reviews zur Anwendung.

Ergebnisse: Von 6.464 Treffern wurden nach einem mehrstufigen Auswahlprozess 10 Studien / 11 Publikationen zu obengenannter Fragestellung eingeschlossen. Die Untersuchungen wurden hauptsächlich in Westeuropa durchgeführt und basierten primär auf Geburtsregistern und deuten nach der qualitativen Analyse auf ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko vor allem in sehr kleinen und kleinen Geburtskliniken hin. Eine Meta-Analyse konnte aufgrund inhaltlicher Heterogenität bei der Bestimmung von Fallschwellen, Mortalitätsdefinitionen und Adjustierungen nicht durchgeführt werden. Ein Vergleich der heterogenen Studienergebnisse wurde dadurch sehr erschwert. Für kleine und insbesondere sehr kleine Häuser zeigten sich Hinweise auf ein höheres Sterblichkeitsrisiko, während die Zahl der Kaiserschnitte in sehr kleinen und kleinen Krankenhäusern niedriger ist. In 3 von 4 Studien lag eine erhöhte 7-Tages-Mortalität vor und 4 von 7 Studien zeigten Hinweise auf eine erhöhte 28-Tages-Mortalität in kleinen und sehr kleinen Kliniken.

Diskussion: Grundsätzlich gibt es für den Zusammenhang zwischen dem neonatalen Outcome Reifgeborener und der Fallzahl von Geburtskliniken deutlich weniger Studienevidenz als für die Frühgeborenen. Das Review zeigte, dass ein tendenziell höheres Sterblichkeitsrisiko in sehr kleinen und kleinen Geburtskliniken vorliegt. Zugleich war der übergeordnete Vergleich der Evidenz aufgrund unterschiedlicher Adjustierung sowie differenten Definitionen zu „großen“ und „kleinen“ Kliniken und den gewählten Referenzbereichen sehr erschwert. Aufgrund dieser Limitationen sowie der Nicht-Betrachtung struktureller und organisationsbezogener Charakteristika (Bsp. Verlegungsstrategie, Stadt-Land-Unterschiede) verhindern eine generalisierbare Bewertung eines mortalitätsrelevanten Zusammenhangs zwischen Fallmenge und Outcome bei Reifgeborenen.

Praktische Implikation: Trotz beträchtlicher Heterogenität und qualitativen Einschränkungen bei der Studienmethodik deutet die derzeitige Studienlage auf höhere Mortalitätsraten von Termingeborenen in kleinen und sehr kleinen Kliniken mit Geburtszahlen von <1.000 pro Jahr.