gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Wenn eine Brücke zur Barriere wird – Sichtweisen von Müttern zum gesunden Aufwachsen ihrer Kinder im Kiez

Meeting Abstract

  • Heike Schuchardt - Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Berlin, Germany
  • Ursula Bühler-Reinhart - Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Berlin, Germany
  • Gwendolyn Näher - Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Berlin, Germany
  • Julia Rieger - Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Berlin, Germany
  • Ines Wulff - Charité-Universitätsmedizin Berlin CC1, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf184

doi: 10.3205/19dkvf184, urn:nbn:de:0183-19dkvf1845

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Schuchardt et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Kinder aus schwieriger sozialer Lage haben geringere Chancen auf ein gesundes Aufwachsen [1]. Sie bewegen sich weniger, sind häufiger übergewichtig und zeigen vermehrt psychische Auffälligkeiten [2]. Vor diesem Hintergrund ist im Jahr 2016 das Projekt „Gesund Aufwachsen in Charlottenburg- Wilmersdorf“ gestartet [3]. Es verfolgt das Ziel, eine Präventionskette aufzubauen und durch die Vernetzung beteiligter Akteure Kindern im Stadtteil ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen [4].

Fragestellung: Welche Sichtweisen und Bedürfnisse formulieren Mütter von 0 bis 6-jährigen Kindern in Charlottenburg Nord in Bezug auf die Themen Gesund Aufwachsen, Ernährung, Bewegung und psychische Gesundheit?

Methode: Im Rahmen der qualitativ-explorativen Studie wurden die subjektiven Sichtweisen der Mütter in leitfadengestützten Interviews (n=14) zu den verschiedenen Themenschwerpunkten erfragt. Die Leitfäden wurden theoriebasiert erstellt. Der Zugang zu den Eltern erfolgte überwiegend mittels Gatekeeper über eine Kindertagesstätte und über ein Familienzentrum. Die Interviews wurden regelgeleitet transkribiert und anhand deduktiv und induktiv entwickelter Kategorien inhaltsanalytisch mithilfe der QDA-Software ausgewertet.

Ergebnisse: Alle Teilnehmerinnen formulierten ein Bewusstsein und Interesse bezüglich des gesunden Aufwachsens ihrer Kinder. Das Thema Bewegung wurde in nahezu allen Interviews in diesem Zusammenhang als wichtig erachtet. Unter anderem konstatierten die Befragten einen Mangel an interessanten Spielplätzen und Freiflächen sowie die Gefahren durch die Ver-kehrslage an einer Autobahnbrücke. Hinsichtlich gesunder Ernährung wurde der Wunsch nach einem Kiezgemeinschaftsgarten, nach einem Kindercafé und nach einer ausgewogenen Frühstückszubereitung durch die Kita geäußert. In Bezug auf die psychische Gesundheit wurden als Hürden Unwissenheit, aufwendige Anmeldebedingungen in Beratungsstellen und die für Familien ungünstige Terminierung von Angeboten genannt. Hier bestand der Wunsch nach professionellen Berater*innen innerhalb der Kita und besser terminierten, altersübergreifenden Angeboten, die auch für Familien mit mehreren Kindern handhabbar sind. Als bedeutende Institutionen wurden die Kita, die Kinderärzt*innen, das Familienzentrum und der Ersthausbesuch nach Geburt durch das Gesundheitsamt benannt.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass von den Müttern vor Ort neben konkreten Angeboten innerhalb der Settings insbesondere auch verhältnispräventive Maßnahmen als zielführend zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancen gesehen werden. Dazu ist es notwendig, nicht nur die gesundheitliche Versorgung über das Gesundheitssystem sicherzustellen, sondern Bedingungen in allen Lebensbereichen zu schaffen, die gesundheitsförderlich wirken.

Aus den Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass auch aus Nutzerinnenperspektive ein ressortübergreifendes Arbeiten im Sinne von „Health in all Policies“ für ein gesundes Aufwachsen unabdingbar ist.

Praktische Implikationen: Aus den Ergebnissen ist abzuleiten, dass Kitas und Kinderärzt*innen eine zentrale Rolle einnehmen sollten, um niedrigschwellige Zugänge für die Familien zum Versorgungssystem und zu Angeboten der Prävention und Gesundheitsförderung zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten Kitas und Schulen verhältnispräventive Maßnahmen ergreifen sowie die Bewegungsräume im Kiez in Zusammenarbeit mit dem Grünflächenamt bewegungsförderlicher gestaltet werden. Kontaktfördernde Angebote könnten in Kooperation mit bereits vorhandenen Akteuren realisiert werden. Die Implementierung professioneller Ansprechpartner*innen in den Kinderbetreuungs-Institutionen wäre ein wichtiger Schritt, um Familien in belastenden Situationen einen niedrigschwelligen Zugang zu Hilfsmaßnahmen zu ermöglichen.


Literatur

1.
Richter M, Hurrelmann K. Gesundheitliche Ungleichheit. Grundlagen, Probleme, Konzepte. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2006.
2.
Lambert T, Kuntz B. Gesund aufwachsen – welche Bedeutung kommt dem sozialen Status zu? Berlin: Robert-Koch-Institut; 2015. Verfügbar unter: http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2015_1_gesund_aufwachsen.pdf?__blob=publicationFile Externer Link
3.
Dilßner-Nweke H. Newsletter #1: Startschuss für ein Großprojekt. Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf; 2016. Verfügbar unter: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/verwaltung/aemter/gesundheitsamt/assets/1-newsletter_gesund-aufwachsen.pdfhttps://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/verwaltung/aemter/gesundheitsamt/assets/1-newsletter_gesund-aufwachsen.pdf Externer Link
4.
Kooperationsverbund gesundheitliche Chancengleichheit. Integrierte kommunale Strategien als Beitrag zur Verbesserung gesundheitlicher Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche. BZgA, Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V.; 2013. Verfügbar unter: https://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/integrierte-kommunale-strategien/ Externer Link