gms | German Medical Science

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Zusammen für Familien – Strukturen intersektoraler Kooperation in der stationären Geburtshilfe

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Sara Scharmanski - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH), Köln, Germany
  • Ilona Renner - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH), Köln, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf183

doi: 10.3205/19dkvf183, urn:nbn:de:0183-19dkvf1833

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Scharmanski et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Soziale Lebensbedingungen in früher Kindheit stehen im Zusammenhang mit Entwicklungschancen und dem allgemeinen Gesundheitszustand.

Den bedeutsamen Zusammenhang zwischen sozialen Lebensbedingungen und Gesundheit hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkannt und es wurde eine Präventionsstrategie explizit für Kinder formuliert („Sustainable Development Goals“ und das „Nurturing Care Framework“). Sind die Komponenten des „Nurturing Care“ (z.B. Sicherheit und Schutz) für Kinder gewährleistet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf eine gesunde Entwicklung. Diese Entwicklungsbedingungen für alle Kinder sicher zu stellen, ist die Aufgabe aller Akteure vor Ort.

Die Frühen Hilfen in Deutschland folgen diesem Ansatz. In lokalen Präventionsnetzwerken arbeiten Akteure des Gesundheitswesens, der Kinder- und Jugendhilfe und andere kommunale Einrichtungen intersektoral zusammen, um Familien in psychosozial belastenden Lebenslagen schon früh zu unterstützen.

Die Geburtskliniken sind ein wichtiger Kooperationspartner in diesen Netzwerken Frühe Hilfen: Fast alle Kinder in Deutschland kommen in einer Geburtsklinik zur Welt. Entsprechend ist dies ein geeignetes Setting, um Familien in psychosozial belastenden Lebenslagen schon früh zu erreichen, sie über Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren und zu beraten. Bei Bedarf können die Familien aus der Geburtsklinik in die Frühen Hilfen übergeleitet werden. Fachkräfte in Geburtskliniken können für Familien somit eine Art „Lotse“ innerhalb der Helfersysteme sein.

Geburtskliniken haben sich schon früh dieser Herausforderung gestellt und bieten bereits jetzt eine Vielzahl an Aktivitäten an, um dieser „Lotsenfunktion“ gerecht zu werden.

Ab 2006 wurden zunehmend „Lotsendienste“ in Geburtskliniken eingerichtet, dessen Aufgabe die Einschätzung eines psychosozialen Hilfebedarfs, die vertiefende Beratung, ggf. die Überleitung in die Frühen Hilfen und die fallübergreifen Arbeit im lokalen Präventionsnetzwerk ist.

Doch in wie vielen Geburtskliniken sind solche „Lotsendienste“ oder „Lotsenaktivitäten“ vorhanden? Von welchen Bedingungen ist die Einrichtung eines „Lotsendienstes“ abhängig? Können familiäre Hilfebedarfe während des stationären Aufenthaltes überhaupt festgestellt werden? Welchen Nutzen bieten die „Lotsendienste“ für die einzelne Geburtsklinik?

Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen hat das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) das ZuFa Monitorings „Zusammen für Familien (ZuFa)“ auf den Weg gebracht.

Seit 2016 werden durch repräsentative Befragungen von Mitarbeitenden der stationären Geburtshilfe Hinweise auf Kooperationsintensität und -qualität zwischen diesem Akteur und den Frühen Hilfen gewonnen. Die Erhebung wurde im mixed-method Design durchgeführt.

Im Rahmen einer quantitative Fragebogenerhebung wurden alle Geburtskliniken in Deutschland mit mehr als 300 Geburten im Jahre 2015 (N = 673) kontaktiert. Insgesamt haben sich N = 383 (57 %) Geburtskliniken an der Haupterhebung beteiligt. Analysen der Repräsentativität und Selektivität der teilnehmenden Kliniken zeigen, dass mit Berücksichtigung einer nachträglichen Zellgewichtung die Stichprobe hinsichtlich geographischer und struktureller Merkmale repräsentativ ist.

Die quantitativen Daten werden mithilfe bivariater Vergleiche auf Unterschiede zwischen Geburtskliniken mit (n = 111) und ohne (n = 254) Lotsendienst geprüft. Regressionsanalytische Verfahren dienen der Analyse möglicher Bedingungsfaktoren im Zusammenhang mit dem Umsetzungsstand von Lotsendiensten bzw. Lotsenaktivitäten in Geburtskliniken.

Der standardisierten Befragung schloss sich die qualitative Datenerhebung in Form von 11 Telefoninterviews und vier Workshops in Geburtskliniken an. Ziel der Erhebungen war, Hürden und Hemmnisse bei der Umsetzung von Lotsenaktivitäten in Geburtskliniken tiefergehend zu erfassen. Auch der Aufbauprozess von Lotsendiensten in Geburtskliniken wurde näher beleuchten. Die qualitativen Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.

Der vorliegende Beitrag möchte zum einen Netzwerke Früher Hilfen und Möglichkeiten der intersektoralen Kooperation zwischen der stationären Geburtshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe darstellen. Des Weiteren werden anhand der Daten des ZuFa Monitorings (a) die aktuelle Versorgungslage von psychosozial belasteten Familien in der stationären Geburtshilfe, (b) der aktuelle Ausbaustand von Lotsendiensten und dessen begleitende Bedingungen und (c) Hinweise auf einen möglichen Gewinn für die Geburtskliniken durch intersektorale Kooperation präsentiert.