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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Teilnehmerrekrutierung für ärztliche Fokusgruppen am Beispiel zweier Innovationsfondsprojekte

Meeting Abstract

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  • Sophie Peter - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, AG Leistungserbringung in der Versorgungsforschung, Köln, Germany
  • Nadine Scholten - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, AG Leistungserbringung in der Versorgungsforschung, Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, Rehabilitationswissenschaft, Köln, Germany
  • Tim Ohnhäuser - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, AG Leistungserbringung in der Versorgungsforschung, Köln, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf158

doi: 10.3205/19dkvf158, urn:nbn:de:0183-19dkvf1587

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Peter et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Fokusgruppen als Form der qualitativen Datenerhebung kommen in der empirischen Sozialforschung häufig zur Anwendung. Die empfohlene Teilnehmeranzahl variiert zumeist zwischen sechs bis zwölf Personen [1]. Zudem wird eine Akquise über Gatekeeper, die Ansprache einer großen Anzahl möglicher Teilnehmer und eine Vorlaufzeit von 2-3 Monaten für die Rekrutierung empfohlen [1], [2]. Im Vergleich zu Einzelinterviews stellt solch ein Gruppentermin die Teilnehmerrekrutierung vor einige Herausforderungen. Sie wird besonders erschwert, wenn stark belastete Berufsgruppen (hier: Ärztinnen und Ärzte) adressiert werden [2]. Bisher gibt es wenig Literatur, die sich auf die spezielle Problematik der Teilnehmerakquise bei ärztlichen Fokusgruppen konzentriert und dabei mögliche Optionen konkretisiert. Innerhalb zweier Innovationsfondsprojekte wurden mehrere Fokusgruppen mit ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten (Nephrologie, Allgemeinmedizin und Onkologie), durchgeführt und dabei unterschiedliche Wege zur Akquise gewählt, die detailliert vorgestellt werden sollen.

Fragestellung: Welche Strategien unterstützen eine Rekrutierung von Ärztinnen und Ärzten für Fokusgruppen? Wie könnten die Erfolgschancen erhöht werden?

Methode: Darstellung der Rekrutierungswege; Quantitative Analyse der Rekrutierung in Kombination mit einer qualitativen Inhaltsanalyse der Gründe zur Teilnahme aus den Fokusgruppendaten.

Die Rekrutierung beider Projekte verfolgte unterschiedliche Ansätze. Projekt 1 setzte im Januar und Februar 2018 drei Rekrutierungsstrategien um. Insgesamt wurden 500 Flyer verteilt, die über den Inhalt, Ort und Zeitpunkt der Fokusgruppe informierten. Als Gatekeeper wurden die Universitätskliniken der Region, angegliederte Qualitätszirkel und Fortbildungsveranstalter innerhalb eines KV-Bereichs genutzt. Zusätzlich wurden 45 Flyer und Anmeldebögen persönlich an hausärztliche und onkologische Arztpraxen im Umkreis des Durchführungsorts verteilt. Außerdem wurden 509 Lehrpraxen dreier Unikliniken per Fax-Anmeldebogen kontaktiert.

In Projekt 2 wurde aufgrund der bundesweiten Ausrichtung eine Rekrutierung auf dem Jahreskongress der Nephrologie gewählt mit dem Ziel der Fokusgruppendurchführung auf dem Folgekongress. Es wurden über 100 Einladungen verteilt und über persönliche Ansprache 20 Interessenten gewonnen und deren Kontaktdaten aufgenommen.

Ergebnisse: Die Analyse in Projekt 1 zeigt, dass kein Teilnehmer durch die Verteilung der Flyer, weder persönlich noch durch deren Auslage, gewonnen werden konnte. Von den 509 per Fax kontaktierten Arztpraxen erklärten sich neun Personen bereit, an der Fokusgruppe teilzunehmen. Nach Absagen blieben sieben Fokusgruppenteilnehmer. Die inhaltsanalytische Auswertung lässt hier erkennen, dass die gebotene Aufwandsentschädigung für die Teilnahme deutlich weniger ausschlaggebend war als das Interesse am Thema sowie die Möglichkeit der Meinungsäußerung und Einflussnahme auf den Projektverlauf.

In Projekt 2 zeigte sich, dass der Abstand von zwei Monaten zwischen Rekrutierung und Durchführung für feste Terminfestlegungen zu lang bemessen war. Am Durchführungsort musste zusätzlich spontan rekrutiert werden, damit letztlich beide Gruppen (n=6, n=8) durchgeführt werden konnten. Weitere per E-Mail verschickte Einladungen blieben ohne Resonanz.

Diskussion: Aus den Ergebnissen der verschiedenen Akquiseversuche lässt sich ableiten, dass die Teilnahme von Ärztinnen und Ärzten an Fokusgruppen bei frühzeitigen Zusagen primär interessengeleitet ist. Das Mittel der Aufwandsentschädigung entfaltet hingegen mehr Wirkung bei kurzfristiger Rekrutierung. Ein Vorteil der Spontanrekrutierung war, dass sich die Zusammensetzung der Gruppe letztlich heterogener zeigte.

Praktische Implikationen: Das Fax als Rekrutierungsmedium hat sich vor allem bei Hausärzten bewährt und sollte bei allen innovativen Versuchen nicht vergessen werden. Ein projektübergreifender Austausch in der Versorgungsforschung über Erfahrungen mit der Rekrutierung von Ärztinnen und Ärzten für qualitative Forschung ist zu empfehlen.


Literatur

1.
Schulz M. Quick and easy!? Fokusgruppen in der angewandten Sozialwissenschaft. In: Schulz M, Mack B, Renn O, editors. Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft: Von der Konzeption bis zur Auswertung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / Springer Fachmedien; 2012. p. 9-22.
2.
Zwick MM, Schröter R. Konzeption und Durchführung von Fokusgruppen am Beispiel des BMBF-Projekts „Übergewicht und Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen als systemisches Risiko“. In: Schulz M, Mack B, Renn O, editors. Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft: Von der Konzeption bis zur Auswertung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / Springer Fachmedien; 2012. p. 24-48.