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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Krebsfrüherkennung beim Cervix-Carcinom im Spiegel der GKV-Routinedaten: Screening-Inanspruchnahme in Abhängigkeit von Alter und Wohnort

Meeting Abstract

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  • Dirk Horenkamp-Sonntag - Techniker Krankenkasse, Versorgungsmanagement, Hamburg, Germany
  • Eva Maria Bitzer - Pädagogische Hochschule Freiburg (PHFR), Public Health & Health Education, Freiburg, Germany
  • Siegfried Geyer - Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Medizinische Soziologie, Hannover, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf154

doi: 10.3205/19dkvf154, urn:nbn:de:0183-19dkvf1540

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Horenkamp-Sonntag et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Beim Cervix-Ca-Screening wurden bislang eine Abstrichuntersuchung (sog. Pap-Test) für Frauen ab dem 20. Lebensjahr einmal jährlich durch die GKV gemäß GBA-Früherkennungsrichtline übernommen. Dieser dient zur Erkennung von Vorstufen eines Gebärmutterhalskrebs, wobei als häufigste Ursache eine Infektion mit bestimmten Typen des humanen Papillomvirus (HPV) gilt.

Ab dem 01.01.2020 wird durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesauschuss die Krebsfrüherkennung beim Gebärmutterhals neu geregelt. Wichtige Elemente sind dabei u.a. die Verbesserung der Qualitätssicherung, die Durchführung eines organisierten Einladungsverfahrens, eine Anpassung des Screeningintervalls und Regelungen zum Follow-up auffälliger Befunde. Zukünftig können Frauen von 20 bis 34 Jahren jährlich das zytologiebasierte Screening in Anspruch nehmen, während für Frauen ab 35 Jahren alle drei ein Anspruch auf ein kombiniertes Screening aus zytologischer Untersuchung und HPV-Test besteht.

Fragestellung: Es wurde untersucht, ob und inwiefern die bislang geltenden GBA-Vorgaben zur Krebsfrüherkennung beim Cervix-Ca in der Versorgungswirklichkeit aktuell umgesetzt werden. Dabei wurde sowohl nach regionalen Aspekten (Wohnort der Versicherten) als auch nach altersspezifischen Einflüssen (Alters-gruppen 20-34, 35-49, 50-64 sowie > 65 Jahre) differenziert. Zusätzlich wurden die Veränderungen im (Lang-) Zeitverlauf detailliert analysiert und es wurde überprüft, inwiefern Korrelationen zu Versorgungsstrukturen (gynäkologische Facharztdichte) und therapeutischen Konsequenzen (u.a. Konisation) existieren.

Methodik: Datengrundlage sind sektorenübergreifende Abrechnungsdaten der Techniker Krankenkasse (n = 10 Millionen Versicherte) im Zeitraum 2013-2018. Operationalisiert wurde für die Inanspruchnahme mit entsprechenden EBM-GOPs (u.a. 01733, 32820) sowie für die Ca-Diagnosen und die damit verbundenen Interventionen mit entsprechenden ICD-Diagnosen (u.a. C53.8, N87, D06.7) und OPS-Codes (u.a. 1-471.2, 1-472.0, 5671.0/5671.1).

Ergebnisse: In 2017 beträgt die durchschnittliche (jährliche) Screening-Inanspruchnahme 55,2%, wobei diese in der jüngeren Altersgruppe (20-34 Jahre) am höchsten (62,7%) und in der ältesten (> 65 Jahre) am niedrigsten (36,9%) ist. In Sachsen kommen auf einen gynäkologischen Vertragsarzt im Mittel 190 TK-Versicherte Frauen > 20 Jahre, in Hamburg durchschnittlich 600. Von den 2.277.579 Frauen > 20 Jahre, die 2017 an der Krebsvorsorge teilgenommen haben, war die Screening-Inanspruchnahme im Saarland am geringsten (48,3%) und in Brandenburg (59,9%), Mecklenburg-Vorpommern (59,2%) und Sachsen (59,9%) am höchsten. Bei diesen drei Bundesländern gab es im Zeitverlauf von 2013 zu 2017 die größten Abnahmen bei der jährlichen Inanspruchnahme (-9,0% vs. -5,4% vs. -4,1%) während zeitgleich in Hamburg der größte Zuwachs (+3,4%) erfolgt ist.

Gynäkologische Interventionen an der Gebärmutter erfolgten im Durchschnitt von 2014 bis 2017 in Schleswig Holstein (1,02% aller weiblichen TK-Versicherten über 20 Jahre) und Hamburg (1,01%) deutlich mehr als in Bremen (0,55%) und Sachsen (0,64%). Im Jahr 2017 waren Cervix-Carcinome in Baden Württemberg am niedrigsten (0,54%) und in Mecklenburg-Vorpommern am höchsten in den GKV-Routinedaten dokumentiert (0,84%).

Diskussion: Beim Cervix-Ca lassen sich Screening-Maßnahmen mit GKV-Routinedaten transparent darstellen. Im Gegensatz zu anderen medizinischen Indikationen (z.B. Colon-Ca) können durch das jährliche Wiederholungsintervall Inanspruchnahmequoten bei anspruchsberechtigten Versicherten exakt ausgewiesen werden. Hinsichtlich der Leistungsinanspruchnahme gibt es eine regionale Streuung, die mit der gynäkologischen Facharztdichte vor Ort und den medizinischen Konsequenzen bei positiven Screening-Befunden korreliert. In weiteren Untersuchungen ist noch zu analysieren, inwiefern die regionale Varianz bei der Krebsfrüherkennung durch (sozioökonomische) Alterspräferenzen auf Patientenseite und Präferenzen für bestimmte Screeningintervalle auf Ärzteseite erklärt werden kann.

Praktische Implikationen: Im Rahmen einer Politikfolgenforschung sind GKV-Routinedatenanalysen geeignet, zeitnah Hinweise auf Veränderungen bei der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsprogrammen zu geben. Die regionale Variabilität der Inanspruchnahme von Leistungen zur Krebsfrüherkennung sollte bei der Einführung von strukturierten Einladungsprogrammen berücksichtigt werden.