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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Möglichkeiten und Limitationen der sektorenübergreifenden, standardisierten Programmdokumentation eines nationalen Brustkrebsfrüherkennungsprogramms zur Bestimmung des Effekts von Mammografie, Ultraschall und Doppelbefundung auf die Programmsensitivität

Meeting Abstract

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  • Thomas Link - Gesundheit Österreich GmbH, Qualitätsmessung und Patientenbefragung, Wien, Austria
  • Alexander Gollmer - Gesundheit Österreich GmbH, Qualitätsmessung und Patientenbefragung, Wien, Austria

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf151

doi: 10.3205/19dkvf151, urn:nbn:de:0183-19dkvf1513

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Link et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Gemäß der derzeitigen Evidenzlage und internationalen Empfehlungen ist die Mammografie die primäre Screeningmethode zur Brustkrebsfrüherkennung [BKF]. Ergänzende Maßnahmen wie Doppelbefundung oder ergänzendem Ultraschall [US] sollen die Programmperformance verbessern, wobei deren Effekte widersprüchlich diskutiert werden. Einerseits wird ein breiter US-Einsatz gefordert, um auch mammografisch okkulte Tumoren zu entdecken. Andererseits wird befürchtet, dadurch die Falsch-Positiv-Rate zu erhöhen. Die wissenschaftliche Literatur kann diesen Disput aufgrund der Heterogenität der verschiedenen Früherkennungsprogramme nur bedingt klären.

Fragestellung: Im vorliegenden Beitrag soll der Einfluss von Mammografieerstbefund, Mammografiezweitbefund und US auf die Programmsensitivität und -spezifität unter Routinebedingungen eines nationalen Brustkrebsfrüherkennungsprogramms [BKFP] geschätzt werden. Zudem sollen Probleme und Limitationen der verwendeten Datenbasis diskutiert werden.

Methode: Das BKFP verfügt über eine standardisierte Dokumentation aller radiologischen Früherkennungsuntersuchungen (inkl. Einzelbefunde, Endbefund und Brustdichte). Zudem beinhaltet die Datenbasis eine zu wenigstens 90 % vollzählige Dokumentation der therapierten Tumore der Brust (DCIS, invasiver Brustkrebs, andere Malignome), was die Identifikation von Intervallkarzinomen erlaubt. Es wird die Zahl der Karzinome bestimmt, die allein dem Mammografieerstbefund, Zweitbefund oder US-Befund zuzurechnen sind. Es wird der Einfluss der Einzelbefunde auf die Programmperformance geschätzt. Zudem wird versucht, die Endbefunde auf Basis der Einzelbefunde mittels Entscheidungsbaum vorherzusagen.

Ergebnisse: Bei 543.447 in den Jahren 2014 bis 2017 an 45 bis 69-jährigen Frauen durchgeführten BKF-Untersuchungen stimmten 98 % der Endbefunde effektiv (d.h. hinsichtlich ihrer Konsequenz) mit dem Mammografieerstbefund überein, wovon 1,6 % in eine Abklärungsuntersuchung mündeten. Bei 64 % der BFK-Untersuchungen wurde ein US durchgeführt, wovon 32 % mit dichtem Brustgewebe der Frau begründet wurden. Bei 10.351 BKF-Untersuchungen mit einem hinsichtlich der Konsequenz dominanten US-Befund wurden bei 11,2 % Abklärungsuntersuchungen veranlasst und 182 (1,8 %) invasive Karzinome entdeckt. Bei 1.847 Untersuchungen mit dominantem Mammografiezweitbefund wurden bei 13,2 % Abklärungsuntersuchungen veranlasst und 34 (1,8 %) invasive Karzinome entdeckt. Mittels Entscheidungsbaums aus effektivem Mammografieerstbefund und US-Befund können 99 % der Endbefunde korrekt klassifiziert werden.

Die für das gesamte Teilnahmeintervall berechnete Programmsensitivität (inkl. aller invasiven Intervallkarzinome) des Mammografieerstbefunds ist 65 %. Durch den US-Einsatz steigt die Programmsensitivität um rund 6 Prozentpunkte und durch die Doppelbefundung um etwa 1 Prozentpunkt. Die Falsch-Positiv-Rate und damit die Programmspezifität verändern sich nur marginal.

Diskussion: Durch den US-Einsatz unter Routinebedingungen konnte die Programmsensitivität leicht gesteigert werden, wobei diese berechnete Sensitivitätsverbesserung geringer ausfällt als in früheren Pilotstudien. Gleichzeitig wurde keine bedeutsame Verschlechterung der Spezifität beobachtet, was sich u.a. dadurch erklären ließe, dass abklärungsbedürftige Früherkennungsdiagnosen seltene Ereignisse sind.

Der erwartete Nutzen der Doppelbefundung konnte auf Basis der vorliegenden Routinedaten nicht bestätigt werden. Auffälligkeiten in einer einfachen Simulationsstudie stellen die Datenvalidität jedoch zumindest teilweise in Frage. Dies verdeutlicht, dass die Daten nicht dokumentenecht in einer einheitlichen, kontrollierten Umgebung erarbeitet, sondern die übermittelten Daten dezentral aus heterogenen, routinemäßig erstellten Basisdaten unterschiedlicher Qualität extrahiert werden.

Praktische Implikationen: Die vorliegenden Routinedaten können aufgrund der vielfältigen, nicht dokumentierten Einflussfaktoren nicht dazu verwendet werden, den Effekt von US und Doppelbefundung in Studienqualität zu messen und somit den Disput zwischen konfligierenden Hypothesen definitiv zu klären. Dafür bräuchte es trotz einer vollzähligen Datenbasis eine speziell auf das BKFP zugeschnittene kontrollierte Studie. Unter Berücksichtigung der Datenlimitationen lassen sich jedoch Effekte für das Routinegeschehen schätzen und so Hypothesen für kontrollierte Folgestudien generieren.