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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Evaluation einer neuen Versorgungsform für onkologische Patient*innen

Meeting Abstract

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  • Johann Frick - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Pimrapat Gebert - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft / Institut für Biometrie und Klinische Epidemiologie, Berlin, Germany
  • Daniel Schindel - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Liane Schenk - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf148

doi: 10.3205/19dkvf148, urn:nbn:de:0183-19dkvf1483

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Frick et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland erhalten jährlich über 200.000 Frauen und Männer erstmalig eine Krebsdiagnose [1]. Die Erkrankung ist sowohl bei Patient*innen als auch bei ihren Angehörigen mit hohen physischen, psychischen und sozialen Belastungen assoziiert, die einer adäquaten medizinischen, supportiven und psychosozialen Unterstützung bedürfen. Dies schließt angemessene palliative Behandlungsangebote wie auch über die stationäre Behandlung hinausgehende kontinuierliche psychosoziale Unterstützungsangebote ein [2], [3]. Gegenwärtig wird ein durch den Innovationsfonds gefördertes 12-monatiges Beratungsprogramm erprobt, welches sich an onkologische Patient*innen mit schwerwiegenden und behandlungsintensiven Krebserkrankungen richtet. Unterstützende Maßnahmen in Form von regelmäßigen Beratungen durch eigens geschultes Pflegepersonal zielen darauf ab, die Teilhabe an Entscheidungsprozessen, die Arzt-Patienten-Kommunikation und somit die Lebensqualität von onkologischen Patient*innen zu erhöhen.

Fragestellung: Erste Baseline-Ergebnisse der Evaluationsbefragungen zur Lebensqualität sowie zu weiteren sekundären Endpunkten für Interventions- und Kontrollgruppe werden vergleichend präsentiert.

Methode: Die Evaluation ist als nicht randomisierte, kontrollierte Mixed-Methods-Studie angelegt, in der Primärdaten aus Patientenbefragungen, Sekundärdaten einer Krankenkasse sowie die projektbezogenen Tagebücher der geschulten Mitarbeit*innen für die Patientenberatungen ausgewertet werden. Die Primärdatenerhebung der Evaluation umfasst insgesamt eine Baseline-Befragung zum Zeitpunkt der Rekrutierung sowie drei Follow-up-Befragungen. Der Fragebogen beinhaltet u.a. Fragen zur Lebensqualität (EORTC-QLQ-C30), Arzt-Patienten-Kommunikation (PRA-D), Informations- und Beteiligungspräferenzen (API-DM), kritische Entscheidungskonflikte (DCS-10), in Anspruch genommene Leistungen und soziodemographische Angaben. Die Outcomes wurden deskriptiv analysiert und die Gruppen anhand des t-Tests für unabhängige Stichproben und des Mann-Whitney-U-Tests verglichen.

Ergebnisse: Die Rekrutierungsphase wurde mit 150 Patient*innen in der Interventionsgruppe und 217 Patient*innen in der Kontrollgruppe im Frühjahr dieses Jahres beendet. Hauptsächlicher Grund für eine Nichtteilnahme an der Studie lag in der gesundheitlichen Verfassung der Patient*innen. In beiden Gruppen – Interventions- und Kontrollgruppe – sind Männer mit einem Anteil von ca. 60% stärker repräsentiert als Frauen. Der Altersdurchschnitt beträgt 66 Jahre [Range:25-86] in der Interventions- und 62 Jahre [Range:19-85] in der Kontrollgruppe.

Die im Rahmen der Primärdatenerhebung zu untersuchenden Outcomes zeigen zum Baseline-Zeitpunkt signifikante Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe hinsichtlich des Globalscores für die Lebensqualität (47,4 Punkte (SD=21,8) vs. 52,7 (SD=21,9), p=0,025) und des Scores für die Arzt-Patienten-Kommunikation (28,9 Punkte (SD=6,5) vs. 30,8 (SD=5,7), p=0,005). Ein nicht signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen besteht im Gesamtscore für die Informations- und Beteiligungspräferenzen (Median 11,4 Punkte [IQR: 2,27-20,5] vs. 13,6 [IQR: 4,5-22,7], p=0,125) sowie im Gesamtscore für kritische Entscheidungskonflikte (Median 20 Punkte [IQR: 5-45]) vs. 15 [IQR: 0-35], p=0,075).

Diskussion: Mit den eingeschlossenen Patienten wurden die Zielgrößen für den Sample-Umfang von Interventions- und Kontrollgruppe erreicht. Die Patient*innen der Interventions- und Kontrollgruppe weisen in den hier beschriebenen Outcomes Gruppenunterschiede auf, die zum Zeitpunkt der Baseline-Erhebung teilweise signifikant sind. Diese Differenzen in den Ausgangwerten sind in Form adjustierter Analysen zu berücksichtigen, wenn Längsschnitteffekte in drei Follow-up-Erhebungen für einen Zeitraum von einem Jahr untersucht werden. Im Rahmen des Kongresses werden weitere Messergebnisse vorgestellt und diskutiert.

Praktische Implikationen: Im Deutschen Versorgungssystem bedarf es innovativer Strukturen zur Unterstützung von onkologischen Patient*innen. Speziell ausgebildetes Pflegepersonal könnte möglicherweise ein Ansatz sein, um onkologische Patient*innen sektorenübergreifend und über einen kontinuierlichen Zeitraum zu begleiten und zu unterstützen.


Literatur

1.
Robert Koch-Institut (RKI), Hrsg. Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland. Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut; 2016. DOI: 10.17886/rkipubl-2016-014 Externer Link
2.
Künzler A, et al. Psychische Belastungen bei Krebspatienten und ihren Partnern im ersten Jahr nach Diagnosestellung. Praxis. 2010;12;99(10):593-9.
3.
Wedding U, Meran JG, Höffken K. Übertherapie in der Onkologie: Wann ist weniger mehr? Onkologe. 2008;14:691-700.