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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Welche Erfahrungen berichten Patient*innen mit Migrationshintergrund mit der Versorgung in Notaufnahmen und welche Faktoren sind damit assoziiert? Vorläufige Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit

Meeting Abstract

  • Anna Schneider - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Anna Slagman - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Notaufnahmen Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum (CCM/CVK), Berlin, Germany
  • Antje Fischer-Rosinsky - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Notaufnahmen Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum (CCM/CVK), Berlin, Germany
  • Martin Möckel - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Notaufnahmen Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum (CCM/CVK), Berlin, Germany
  • Liane Schenk - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf143

doi: 10.3205/19dkvf143, urn:nbn:de:0183-19dkvf1432

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Schneider et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Notaufnahmen in Industrienationen verzeichnen seit Jahren steigende Patientenzahlen. Neben Gründen für eine häufigere Inanspruchnahme durch alle Patient*innen, wurden in diesem Kontext spezifische Nutzungsmuster von Patient*innen mit Migrationshintergrund untersucht. Demnach gibt es Hinweise auf eine höhere Nutzungsfrequenz von Notaufnahmen durch Migrant*innen im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung sowie Unterschiede in der Art der Einweisung und Einstufung der Behandlungsdringlichkeit (Triage-Kategorie). Oftmals werden die mangelnde Kenntnis des lokalen Gesundheitssystems und eine fehlende Anbindung zur haus- und fachärztlichen Versorgung als Erklärungsansätze für die beobachteten Unterschiede herangezogen. Des Weiteren werden Differenzen im Nutzungsverhalten im Zusammenhang mit weiteren migrationsspezifischen Faktoren diskutiert, wie z.B. dem Herkunftsland der Patient*innen, potentiellen Sprachbarrieren, dem Aufenthaltsstatus und dem Grad der Akkulturation der Patient*innen. Trotz dieser Forschungsergebnisse fehlt eine Übersicht zu Studien, die sich mit den spezifischen Erfahrungen beim Notaufnahmebesuch und damit assoziierten Faktoren (wie z.B. Wartezeiten, Freundlichkeit des Gesundheitspersonals) aus der Perspektive von Migrant*innen befassen.

Fragestellung: Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit ist es, den aktuellen Wissensstand zu Erfahrungen mit der Versorgung in Notaufnahmen seitens Patient*innen mit Migrationshintergrund zu analysieren. Zu bearbeitende Fragestellungen sind:

1.
Wie erleben Patient*innen mit Migrationshintergrund die Versorgung und den Aufenthalt in einer Notaufnahme?
2.
Welche Faktoren sind mit diesen migrantenseitigen Erfahrungen assoziiert?

Methode: Dieses systematische Review synthetisiert und interpretiert die Ergebnisse qualitativer und quantitativer Originalarbeiten sowie solcher mit einem Mixed Methods-Ansatz. Die PRISMA-Richtlinien wurden bei der Planung, Durchführung und dem Bericht der Ergebnisse eingehalten. Eingeschlossen werden Studien zu erwachsenen Patient*innen mit Migrationshintergrund (definiert z.B. anhand von Nationalität, Ethnizität, Sprache, Geburtsland) welche in deutscher oder englischer Sprache publiziert wurden und die Erfahrungen bzw. Zufriedenheit mit der Versorgung in Notaufnahmen aus der Patient*innenperspektive zum Untersuchungsgegenstand haben. Ausgeschlossen werden nicht empirische Arbeiten und solche mit Bezug zu spezialisierten Settings (z.B. pädiatrische oder psychiatrische Notaufnahmen) sowie Studien im präklinischen Kontext. Sieben bibliografische Datenbanken wurden systematisch mit mehrteiligen Such-Terms durchsucht. Zudem wurden die Referenzlisten aller inkludierten Volltexte in Bezug auf weitere geeignete Studien geprüft. Derzeit findet die Datenextraktion aus den Originalarbeiten in eine standardisierte konsentierte Datenerfassungsmaske statt. Die eingeschlossenen Studien werden weiterhin hinsichtlich ihres Verzerrungsrisikos bewertet. Die Fertigstellung der systematischen Übersichtsarbeit ist für Oktober 2019 avisiert.

Vorläufige Ergebnisse: Insgesamt wurden 1.112 Titel und Abstracts von zwei Reviewern auf Eignung geprüft. Der Großteil der Einträge (n=983) wurde aufgrund der Behandlung eines anderen Themas ausgeschlossen. Für das Volltextscreening stehen momentan n=106 Studien zur Verfügung. Alle in diesem Schritt inkludierten Studien sind englischsprachig mit einem Fokus auf angloamerikanische Länder. Studien aus Deutschland wurden nicht identifiziert.

Diskussion: In diesem frühen Stadium der systematischen Übersichtsarbeit zeichnet sich bereits eine Dominanz englischsprachiger Studienergebnisse zum Thema der Erfahrungen von Migrant*innen mit der Versorgung in Notaufnahmen ab. Es mangelt an Evidenz aus dem deutschsprachigen Raum, welche einerseits die Spezifika des hiesigen Gesundheitssystems wie sektorierte Versorgungsstrukturen und andererseits die typischen Zuwanderungskonstellationen und Migrantenpopulationen in der deutschen Gesellschaft berücksichtigen würde.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse dieser Arbeit werden es ermöglichen, Forschungsdesiderate, aber auch Verbesserungspotentiale in der notfallmedizinischen Versorgung von Patient*innen mit Migrationshintergrund zu identifizieren. Perspektivisch lassen sich aus den Ergebnissen Ansatzpunkte für geeignete Interventionen im Sinne einer patientenzentrierten Versorgungsforschung ableiten.