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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Umsetzung patientenorientierter Versorgung – Determinanten und Unterschiede zwischen Typen von Versorgungseinrichtungen

Meeting Abstract

  • Kira Isabel Hower - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, Rehabilitationswissenschaft, Köln, Germany
  • Hendrik Hillen - Universität zu Köln, Seminar für Allgemeine BWL und Management im Gesundheitswesen, Köln, Germany
  • Vera Vennedey - Uniklinik Köln, Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Köln, Germany
  • Ludwig Kuntz - Universität zu Köln, Seminar für Allgemeine BWL und Management im Gesundheitswesen, Köln, Germany
  • Stephanie Stock - Uniklinik Köln, Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Universität zu Köln, Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Köln, Germany
  • Lena Ansmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften, Department für Versorgungsforschung Abteilung Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf137

doi: 10.3205/19dkvf137, urn:nbn:de:0183-19dkvf1377

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Hower et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Gesundheits- und Sozialsysteme, Organisationen und Leistungserbringer stehen unter dem Druck, die Versorgung nach den Bedarfen von Patient*innen mit begrenzten Ressourcen zu organisieren. Um trotz knapper Ressourcen eine patientenorientierte Versorgung erfolgreich umzusetzen, müssen Barrieren auf Ebene der Versorgungssysteme, der einzelnen Organisationen sowie deren Mitarbeiter*innen überwunden werden. Bisher fehlt es an umfassenden Untersuchungen, welche organisationalen Faktoren für die Umsetzung einer patientenorientierten Versorgung insbesondere in verschiedenen Typen von Versorgungseinrichtungen relevant sind.

Fragestellung: Welche organisationalen Faktoren sind mit der Umsetzung einer patientenorientierten Versorgung in unterschiedlichen Typen von Versorgungseinrichtungen assoziiert?

Methode: Die vorliegende Untersuchung basiert auf einer quantitativen Querschnittserhebung von 1.790 Entscheidungsträgern*innen aus verschiedenen Versorgungseinrichtungen in der Stadt Köln. Mit einer Rücklaufquote von 13% haben n=236 Entscheidungsträgern*innen aus n=19 stationären Pflegeeinrichtungen & Hospizen (8,1%), n=14 Krankenhäusern (5,9%), n=6 Rehabilitationseinrichtungen (2,5%), n=79 Haus- und Facharztpraxen (33,5%), n=22 ambulante Pflege- & Hospizdienste (9,3%) und n=96 psychotherapeutische Einrichtungen (40,7%) an der Befragung teilgenommen. Für die Analysen standen Informationen von 188 Entscheidungsträgern*innen zur Verfügung.

Die Umsetzung der Patientenorientierung wurde über drei Dimensionen gemessen: Rahmenbedingungen (z.B. Einbezug ergänzender Angebote), Maßnahmen (z.B. Beteiligung von Angehörigen) und Grundhaltung (z.B. Berücksichtigung der Lebensumstände). Als organisationale Faktoren für die Umsetzung einer patientenzentrierten Versorgung wurden u.a. Indikatoren zu Prozessen (z.B. Prozessorientierung), Strategien (z.B. Personalentwicklung) sowie der Kultur (z.B. Kommunikationsklima) berücksichtigt. Mittels linearer, schrittweiser Regression mit nach Versorgungseinrichtung geclusterten Standardfehlern wurde untersucht, welche organisationalen Faktoren mit der Umsetzung patientenorientierter Rahmenbedingungen, Maßnahmen und Grundhaltungen assoziiert sind.

Ergebnisse: Die Umsetzung patientenorientierter Rahmenbedingungen, Maßnahmen und Grundhaltungen fällt nach Einschätzung der Befragten in Krankenhäusern am geringsten und in stationären Pflegeeinrichtungen, psychotherapeutischen Einrichtungen und ambulanten Pflegediensten am höchsten aus. Nach schrittweiser Einführung der unabhängigen Variablen in die Regressionsmodelle zeigte sich, dass die Umsetzung patientenorientierter Rahmenbedingungen signifikant positiv mit der organisationalen Gesundheitskompetenz assoziiert ist. Die Umsetzung patientenorientierter Maßnahmen ist signifikant positiv mit der organisationalen Gesundheitskompetenz und dem Kommunikationsklima assoziiert. Die patientenorientierte Grundhaltung ist signifikant positiv mit der Durchführung von Supervisionen, dem Kommunikationsklima und einer Fort- und Weiterbildungsbereitschaft der Mitarbeiter*innen assoziiert. Die patientenorientierte Grundhaltung ist signifikant negativ mit der Einrichtung eines einheitlichen Qualitätsmanagements assoziiert.

Diskussion: Die Umsetzung einer patientenorientierten Versorgung fällt insbesondere in Einrichtungen mit eher akutmedizinischem Versorgungsauftrag geringer aus. Unterschiedliche organisationale Faktoren waren mit den drei Dimensionen der Umsetzung von Patientenorientierung assoziiert. Die organisationale Gesundheitskompetenz zeigt Zusammenhänge mit patientenorientierten Rahmenbedingungen als auch Maßnahmen auf. Dies deutet darauf hin, dass Einrichtungen, die die Förderung von Gesundheitskompetenz ihrer Patient*innen in ihren Strukturen und Prozessen verankert haben, insgesamt mehr Rahmenbedingungen und Maßnahmen für eine patientenorientierte Versorgung schaffen. Das Kommunikationsklima scheint sowohl für die Umsetzung patientenorientierter Maßnahmen als auch für eine patientenorientierte Grundhaltung relevant zu sein. Der Zusammenhang der patientenorientierten Grundhaltung mit der Durchführung von Supervisionen und einer Fort- und Weiterbildungsbereitschaft zeigt, dass eine patientenorientierte Grundhaltung mit einer Mitarbeiterorientierung einhergeht. Die Einhaltung strikter Vorgehensweisen des Qualitätsmanagements scheint einer patientenorientierten Grundhaltung, die auf Individualität ausgerichtet ist, zu widersprechen.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz organisationaler Merkmale als Determinanten der Umsetzung einer patientenorientierten Versorgung. Das Wissen darum kann dazu beitragen, die Umsetzung von Patientenorientierung auf allen Ebenen der Versorgung zu fördern, indem Ansatzpunkte für die Neugestaltung der Gesundheits- und Sozialsysteme aufgezeigt werden. Um dies zu erreichen, werden die Ergebnisse im nächsten Schritt im Sinne des organisationalen Lernens an die Einrichtungen zurückgemeldet.