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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Evaluation von Patientenzielen in der primären Hüftendoprothetik – Ergebnisse aus Fokusgruppendiskussionen

Meeting Abstract

  • Roman Riedel - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, UniversitätsCentrum für Orthopädie & Unfallchirurgie, Dresden, Germany
  • Anne Postler - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, UniversitätsCentrum für Orthopädie & Unfallchirurgie, Dresden, Germany
  • Toni Lange - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Germany
  • Diana Druschke - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden, Germany
  • Cornelia Lützner - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, UniversitätsCentrum für Orthopädie & Unfallchirurgie, Dresden, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf136

doi: 10.3205/19dkvf136, urn:nbn:de:0183-19dkvf1366

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Riedel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Zuge der S3-Leitlinieninitiative “Evidenz- und konsensbasierte Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese (EKIT-Hüfte)” wurden an zwei Universitätsmedizin-Standorten fünf Fokusgruppen mit jeweils acht bis 12 Teilnehmern durchgeführt, um die Bandbreite der Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen aus Patientensicht zu identifizieren. Die Evidenz zeigt, dass die Erwartungen von Patienten und deren Erfüllungsgrad einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Operationsergebnis nach einer Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) haben. In einer patientenzentrierten Versorgung sind Kenntnisse über den möglichen Erfüllungsgrad globaler und individueller Patientenziele elementare Voraussetzung für eine partizipative Entscheidungsfindung bei elektiven Eingriffen. Zur Evidenzgenerierung für Arzt und Patient ist daher die Identifikation globaler Patientenziele notwendig.

Fragestellung: Diese Studie befasste sich mit folgender Fragestellung: Welche Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen haben Patienten mit Koxarthrose, die sich einer Hüft-TEP-Operation unterziehen werden?

Methodik: Initial wurden in einer Literaturrecherche (eingeschlossen wurden Reviews, systematische Reviews und Originalarbeiten hüftbezogener Scoring-Instrumente) generische (23) und krankheitsspezifische (48) Messinstrumente im Kontext Koxarthrose und Hüft-TEP identifiziert. Die einzelnen Items der Messinstrumente wurden extrahiert, zusammengefasst und als potenzielles Patientenziel hierarchisch kategorisiert. Darauf aufbauend wurde die erste Version des Kodierleitfadens für die spätere qualitative Inhaltsanalyse erarbeitet. Dieser bestand aus sieben Domänen und 46 Kategorien von Patientenzielen. In zwei Studienzentren (Berlin und Dresden) wurden insgesamt fünf Fokusgruppen durchgeführt. Der erste Teil der Fokusgruppendiskussion bestand in einer freien Erhebung und offenen Diskussion aller möglichen Patientenziele im Zusammenhang mit einer Hüft-TEP-Operation. Im Anschluss wurde die Relevanz der aus den Messinstrumenten identifizierten Patientenziele zur Diskussion gestellt. Alle spontan genannten sowie die bestätigten Patientenziele der Messinstrumente wurden unkommentiert gesammelt und auf einem Flipchart visualisiert. Abschließend wurden die Patienten nach ihren wichtigsten Zielen gefragt, um eine Wertigkeit der Diskussionsergebnisse abzubilden. Die Fokusgruppendiskussionen wurden aufgezeichnet, vollständig transkribiert und anschließend computergestützt mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet (doppelt unabhängig kodiert (RR, CL)). Auf Basis der Gruppenergebnisse wurde der ursprüngliche Kodierleitfaden modifiziert.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen 44 Teilnehmer teil; 21 Frauen (48%), mittleres Alter 69,7 Jahre (SD 8.1). Bei 70% der Teilnehmer war nur eine Seite betroffen und die mittlere Erkrankungsdauer betrug 5,5 Jahre (SD 6,0). Die Domänen des Kodierleitfadens, „Symptome”, „Aktivitäten des täglichen Lebens”, „allgemeiner Gesundheitszustand”, „körperliche Funktion”, „körperliche Aktivität”, „Inanspruchnahme medizinischer Gesundheitsleistungen”, und „gesundheitsbezogene Lebensqualität”, wurden in den Zielen der Patienten vollständig bestätigt. Zehn Patientenziele (Kategorien) wurden in den Fokusgruppen nicht bestätigt; dazu gehörte unter anderem „Behebung der Gelenkschwellung”, „Verbesserung einer Ankylose”, und „finanzielle Belastung durch Therapien/ Hilfsmittel etc.”.

Die Patienten nannten 13 neue Ziele, wozu unter anderem die „Behebung der Wetterfühligkeit”, die „Vermeidung von Tablettenabhängigkeit”, das „Gehen ohne Pausieren” und die „Verminderung des Leidensdrucks” gehörten. Als wichtigste Patientenziele wurden die „Schmerzlinderung”, das „verbesserte Gangbild” und die „Wiedererlangung der Selbständigkeit” ermittelt.

Diskussion: Die Ergebnisse der Fokusgruppen bestätigen überwiegend die aus der Literatur bekannten Patientenziele (Kategorien). Einige Ziele fanden sich jedoch inhaltlich nicht in den Fokusgruppen. Patientenziele, wie die „Behebung der Wetterfühligkeit“ oder die „Angst vor der Abhängigkeit von Tabletten“, sind offenbar in den gängigen Messinstrumenten nicht abgebildet und werden in klinischen Studien nicht erhoben. Damit ein Messinstrument praktikabel und akzeptabel ist, kann es letztendlich nur einen begrenzten Umfang haben. Inwieweit die zusätzlich identifizierten Patientenziele relevant sind und in die Outcome-Erhebung einfließen sollten, wird in der sich anschließenden Delphi-Befragung geprüft werden.

Eine Limitation dieser Fokusgruppenarbeit ist, dass nur zwei Studienzentren inkludiert wurden.

Praktische Implikation: Die identifizierten Therapieziele des modifizierten Kodierleitfadens bilden die Grundlage für eine deutschlandweite Delphi-Befragung zur Konsentierung von globalen Patientenzielen. Diese Ergebnisse fließen in den Experten-Konsensprozess der angestrebten S3-Leitlinie ein.