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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Kommunikation, Gesundheitskompetenz, soziale Unterstützung: Was hilft Patienten mit einer seltenen Erkrankung dabei, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden?

Meeting Abstract

  • Nicole Ernstmann - Universitätsklinikum Bonn, Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Bonn, Germany
  • Sarah Halbach - Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Bonn, Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Bonn, Germany
  • Evamarie Midding - Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Bonn, Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung, Bonn, Germany
  • Rainer Weber - Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Pschotherapie, Köln, Germany
  • Rachel Würstlein - Klinikum der Universität München, Brustzentrum, München, Germany
  • Christoph Kowalski - Deutsche Krebsgesellschaft, Zertifizierung, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf116

doi: 10.3205/19dkvf116, urn:nbn:de:0183-19dkvf1164

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Ernstmann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Männlicher Brustkrebs ist eine seltene Erkrankung. Die N-MALE-Studie hat sich zum Ziel gesetzt, die Versorgungssituation männlicher Brustkrebspatienten in Deutschland zu beschreiben und mögliche Versorgungsdefizite zu identifizieren. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Patienten von den hochspezialisierten Strukturen zur operativen Brustkrebsversorgung in Deutschland profitieren. Es ist darauf aufbauend das Ziel dieser Arbeit, mögliche Navigationsprobleme im weiteren Behandlungsverlauf bis zur Nachsorge zu beschreiben. Darüber hinaus soll der Zusammenhang zwischen der Patient-Arzt-Kommunikation in den Brustzentren und dem Auftreten von späteren Navigationsproblemen unter Kontrolle der Gesundheitskompetenz und der sozialen Unterstützung untersucht werden.

Methode: Eine standardisierte schriftliche Patientenbefragung wurde im Rahmen der N-MALE-Studie in den Jahren 2016 und 2017 durchgeführt. Die Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten in Brustkrebszentren wurde mit dem Instrument ‚psychosoziale Versorgung durch Ärzte’ gemessen, das aus vier Subskalen (gemeinsame Entscheidungsfindung, Information, Unterstützung und Zuwendung) besteht (Ommen et al. 2009). Navigationsprobleme wurden anhand eines Summenindex dichotomer Einzelitems gemessen, in denen nach Problemen bei der Suche nach Ansprechpartnern für die Phasen der Akutversorgung, Chemotherapie, Bestrahlung, Rehabilitation und Nachsorge gefragt wird. Als Kontrollvariablen wurden die Gesundheitskompetenz (HLS-Q16, HLS-EU Consortium) und die soziale Unterstützung (mMOS-SS, Moser et al., 2012) erhoben. Soziodemografische Daten wurden mit faktischen Einzelitems erhoben. Zur Datenanalyse wurden deskriptive Verteilungsparameter und lineare Regressionsmodelle berechnet.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen N=100 Betroffene an der Studie teil (Rücklauf 86%). Das Durchschnittsalter der Patienten beträgt 67 Jahre (39-89), 87% leben mit einem Partner zusammen, 36% haben (Fach-)Hochschulreife. Der Mittelwert der Navigationsprobleme beträgt 1,31 (SD ,518) auf einer Skala von 0 bis 5. Die meisten Probleme werden in der Phase der Rehabilitation berichtet. Individuelle Patientencharakteristika (soziodemografische Faktoren, Partnerschaft, Krankenversicherungsstatus, Schulbildung, Komorbidität, soziale Unterstützung, Gesundheitskompetenz) sind nicht signifikant mit Navigationsproblemen assoziiert. Die gemeinsame Entscheidungsfindung (β=-0,878, p=0,029) und die Unterstützung durch Ärzte (β=-0,763, p=0,024) während des Krankenhausaufenthalts hängen signifikant mit Navigationsproblemen zusammen. Das lineare Regressionsmodell erklärt 40,8% (r2) bzw. 28,5% (korr. r2) der Varianz der Navigationsprobleme.

Diskussion: Der Einbezug in Therapieentscheidungen und die Zuwendung durch Ärzte in Brustkrebszentren können männlichen Brustkrebspatienten dabei helfen, im weiteren Behandlungsverlauf durch das Gesundheitssystem zu navigieren, Ansprechpartner für ihre Behandlungsabschnitte zu finden und damit möglichen Schnittstellenproblemen mit ihren individuellen Selbstmanagementfähigkeiten zu begegnen. Dabei ist der Einfluss der Patient-Arzt-Kommunikation größer als die Gesundheitskompetenz und die individuellen Ressourcen der Betroffenen und damit ein wertvollerer Ansatzpunkt für die Patientenbefähigung.