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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

1+1=3 – wie Personalausstattung und Führungsqualität die emotionale Erschöpfung von Pflegenden beeinflussen

Meeting Abstract

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  • Stefanie Bachnick - University of Basel, Nursing Science, Basel, Switzerland
  • Michael Simon - Universität Basel, Institut für Pflegewissenschaft, Basel, Switzerland

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf105

doi: 10.3205/19dkvf105, urn:nbn:de:0183-19dkvf1051

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Bachnick et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Emotionale Erschöpfung bei examinierten Pflegefachpersonen ist häufig und kann sowohl zu negativen Patientenergebnissen als auch Unzufriedenheit mit der Arbeitsstelle führen, was zu einem vorzeitigen Berufsausstieg beitragen kann. Der Berufsausstieg führt zu einem Verlust von Fachwissen und Erfahrung und hat damit Auswirkungen sowohl auf die Versorgungsqualität, aber auch Kosten durch einen immer wiederkehrenden Aufwand bei der Rekrutierung von Pflegefachpersonal. Strukturelle Faktoren wie die Personalausstattung, aber auch die psychosoziale Arbeitsumgebung wie die Führungsqualität der Vorgesetzten, beeinflussen das Ausmaß an emotionaler Erschöpfung. Bisher haben wenige Studien das Zusammenspiel von Personalausstattung, Führungsqualität und Personalergebnissen, wie die emotionale Erschöpfung, untersucht. Gerade aus Sicht des Pflegemanagements stellt sich die Frage, ob und wie weit Führungsqualität oder Personalausstattung für Defizite des jeweils anderen Faktors substituieren kann, um die emotionale Erschöpfung der Pflegenden zu kontrollieren.

Forschungsfrage: Wie hängen die Führungsqualität von Vorgesetzten und die pflegerische Personalausstattung mit dem Ausmaß an emotionaler Erschöpfung bei examinierten Pflegefachpersonen zusammen.

Methode: Querschnittsanalyse der multizentrischen MatchRN (Matching Registered Nurse Services with Changing Care Demands)-Studie. Es wurden 2,408 examinierte Pflegefachpersonen von 158 Abteilungen aus 26 Krankenhäuser aller Sprachregionen der Schweiz in die Analyse eingeschlossen. Die Fragebogenerhebung fand 2018 statt. Die emotionale Erschöpfung wurde mit neun Items des Maslach Burnout Inventory gemessen. Die Führungsqualität (vier Items der Practice Environment Scale of the Nursing Work Index) wurde auf der Abteilungsebene aggregiert. Die Personalausstattung wurde durch empirical Bayes unter Berücksichtigung des Fachbereiches (z.B. Chirurgie, Medizin), der Patientenmerkmale (z.B. Pflegebedürftigkeit und Bedarf an stündlicher Überwachung) und des Schichttyps (früh, spät, nacht) mit einem generalisierten linearen gemischten Modell (GLMM) geschätzt. Für die Zusammenhangsanalyse wurde ein lineares Modell mit festen und zufälligen Effekten für den Schnittpunkt und die Steigung berechnet.

Ergebnisse: Das Durchschnittsalter der examinierten Pflegefachpersonen lag bei 36 Jahren und 89 % waren Frauen mit einer durchschnittlichen Berufserfahrung von 12,3 Jahren. Die Führungsqualität auf Abteilungsebene lag bei 3,1 (Minimalwert 2,3, Maximalwert 3,7) auf einer 4-Punkte-Likert-Skala (1 = stimme nicht zu, 4 = stimme zu). Die emotionale Erschöpfung auf individueller Ebene betrug 1,6 (SD 1,1) auf einer 7-Punkte-Likert-Skala (1 = nie, 7 = täglich). In diesem Modell wurden Führungsqualität (b = -0,66 [-0,47-0,85]), Personalausstattung (b = 1,09 [0,14-2,05]) und eine Interaktionswirkung von Personalausstattung und Führungsqualität (b = -5,92 [-2,64-9,20]) mit emotionaler Erschöpfung assoziiert.

Diskussion: Der Interaktionseffekt zeigt, dass mit hoher Führungsqualität und besserer Personalausstattung die emotionale Erschöpfung abnimmt. Bei geringer Führungsqualität steigt die emotionale Erschöpfung selbst bei besserer Personalausstattung. Die Ergebnisse sind für das Pflegemanagement und die Gesundheitspolitik von hoher Relevanz. Um das Ausmaß an emotionaler Erschöpfung bei Pflegenden wirksam zu reduzieren, ist neben einer angemessenen Personalausstattung, die Führungsqualität der Vorgesetzten unerlässlich.

Keiner der beiden Faktoren alleine scheint das Ausmaß an emotionaler Erschöpfung zu reduzieren bzw. bei keinem Faktor alleine ist der Zusammenhang deutlich reduziert. Das Zusammenspiel beider Faktoren sollte bei der Entwicklung und Implementierung von entsprechenden Maßnahmen berücksichtigt werden. Ob es der gezielte Aufbau der Führungskompetenz von Vorgesetzten oder das Einführen von verbindlichen Personalschlüsseln ist, die einseitige Fokussierung auf einen der beiden Faktoren scheint das Ausmaß an emotionaler Erschöpfung weniger effektiv zu reduzieren.

Schlussfolgerung: Eine bessere Personalausstattung alleine ist wahrscheinlich keine effektive Maßnahme, um die emotionale Erschöpfung bei examinierten Pflegefachpersonen zu reduzieren. Nur im Zusammenspiel mit hoher Führungsqualität lässt sich das Ausmaß an emotionaler Erschöpfung reduzieren. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass Führungsqualität und Personalausstattung in der Forschung emotionaler Erschöpfung oder anderen stressbedingten Gesundheitsprobleme berücksichtigt werden sollten. Auch wenn das Design der Studie keine klare Zuordnung von Ursachen und Effekten zulässt, zeigt die Studie mögliche Ansatzpunkte, um entsprechende Interventionstrategien zu entwickeln.