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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Anwendung des Verhaltensmodells der Inanspruchnahme gesundheitsbezogener Versorgung von Andersen – eine systematische Übersichtsarbeit

Meeting Abstract

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  • Jana Tempes - Pädagogische Hochschule Freiburg, Public Health and Health Education, Freiburg, Germany
  • Mareike Lederle - Pädagogische Hochschule Freiburg, Public Health and Health Education, Freiburg, Germany
  • Eva-Maria Bitzer - Pädagogische Hochschule Freiburg, Public Health and Health Education, Freiburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf099

doi: 10.3205/19dkvf099, urn:nbn:de:0183-19dkvf0999

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Tempes et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Das 1968 von R. M. Andersen entwickelte Verhaltensmodell der Inanspruchnahme gesundheitsbezogener Versorgung (Behavioral Model of Health Services Use) liegt vielen Vorhaben der Versorgungsforschung zu Grunde. Es erfolgte eine stetige Weiterentwicklung mit unterschiedlichen Schwerpunkten, beispielsweise für vulnerable Gruppen. Im Mittelpunkt aller Modelle stehen prädisponierende Faktoren (z. B. Alter, Bildung), befähigende Faktoren (z. B. Einkommen, Krankenhausdichte) sowie subjektiver Bedarf (z. B. subjektiver Gesundheitszustand). Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2012 von Babitsch et al. schloss 16 Publikationen ein, die das Andersen Modell berücksichtigten. Ausgeschlossen waren Studien mit spezifischen Settings (z. B. Müttergesundheit), spezifischen Bevölkerungsgruppen (z. B. Wohnungslose) sowie mit dem Fokus auf spezifische Erkrankungen (z. B. HIV). Ziel unserer Übersichtsarbeit ist ein vollständiger Überblick über die Entwicklung und Anwendung des Modells in unterschiedlichen Kontexten.

Fragestellung: Wie und warum hat sich das Verhaltensmodell der Inanspruchnahme gesundheitsbezogener Versorgung von Andersen seit seiner Veröffentlichung weiterentwickelt, in welchen Versorgungssettings kommt es zum Einsatz und wie nützlich ist es heute für die Versorgungsforschung?

Methode: Im Februar 2019 suchten wir die Datenbank Medline über Pubmed von Januar 1968 bis Februar 2019 und verwendeten Suchbegriffe mit Bezug zum Andersen Modell (z. B. „Behavioral Model of Health Services Use“, „Andersen model“, „predisposing“). Auf der Basis von Titel und Abstract schlossen wir, mit Ausnahme von Studien an Minderjährigen, alle Publikationen ein, die sich mit dem Andersen-Modell oder einer modifizierten Form befassten. Zwei Personen (JT, ML) extrahierten die Charakteristika der Studien, wie z. B. methodisches Vorgehen und Setting. Wir orientierten uns an PRISMA.

Ergebnisse: Die Suche erbrachte 2.183 Treffer, von denen 517 die Einschlusskriterien erfüllten. An 8% der Publikationen (n=39) ist Andersen selbst beteiligt. Unter den Treffern gibt es 21 Übersichtsarbeiten (4%). Bei einem Großteil der Primärstudien handelt es sich um quantitative Studien (n=441; 85%), qualitative Studien (n=23; 4%) oder Studien mit einem Methodenmix (n=6; 1%) sind viel seltener. Bei 14 Publikationen (3%) handelt es sich um theoretische Überlegungen ohne empirische Erhebung und bei 11 Publikationen (2%) ist das methodische Vorgehen nicht aus dem Abstract ersichtlich und es sind keine Volltexte verfügbar. Auch wenn sich seit 1968 kontinuierlich Publikationen zur Inanspruchnahme gesundheitsbezogener Versorgung auf das Andersen-Modell beziehen, hat die Rezeption des Modells in den letzten Jahren erheblich zugenommen, mehr als 50% der Publikationen (n=280) wurden seit 2012 veröffentlicht. Es gibt sechs zentrale Versorgungssettings, auf die sich etwa 60% der Publikationen (n=305) beziehen: allgemeine Gesundheitsversorgung (n=100; 19%), Gesundheitsversorgung psychischer Störungen (n=61; 12%), Screening (n=44; 9%), zahnärztliche Versorgung (n=38; 7%), Müttergesundheit (n=31; 6%) und Krankenhausversorgung (n=31; 6%). Die übrigen 40% entfallen auf diverse Versorgungssettings, wie z. B. Prävention oder e-health.

Diskussion: Besonders der seit 2012 deutlich sichtbare Anstieg der Publikationen zur Anwendung des Verhaltensmodells von Andersen zeigt ein zunehmendes Interesse an der Inanspruchnahmeforschung. Unsere Ergebnisse zeigen die vielseitige Anwendung des Modells, besonders im Hinblick auf unterschiedliche Settings.

Praktische Implikationen: Mit dem Wissen der bisherigen Anwendung des Andersen Modells können spezifische Forschungsdesigns oder Bevölkerungsgruppen in den Fokus zukünftiger Projekte rücken, um ein besseres Verständnis der vielfältigen Aspekte der Inanspruchnahme von gesundheitsbezogener Versorgung zu generieren.

Förderung: Die Förderung des kooperativen Promotionskollegs „Versorgungsforschung: Collaborative Care“ erfolgt durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz.

Anmerkung: Geteilte Erstautorenschaft von Jana Tempes und Mareike Lederle.