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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Direkte und indirekte Bürgerbeteiligung in den bayerischen Gesundheitsregionenplus

Meeting Abstract

  • Julia Berendt - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Sachgebiet GE 6: Gesundheitssystemanalyse, Gesundheitsregionen plus, Versorgungsforschung, Nürnberg, Germany
  • Malte Bödeker - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Sachgebiet GE 6: Gesundheitssystemanalyse, Gesundheitsregionen plus, Versorgungsforschung, Nürnberg, Germany
  • Till Beiwinkel - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Sachgebiet GE 6: Gesundheitssystemanalyse, Gesundheitsregionen plus, Versorgungsforschung, Nürnberg, Germany
  • Oliver Legler - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Sachgebiet GE8: Bayerische Gesundheitsagentur, Innovationen in der Versorgung, Kommunalbüro, Nürnberg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf098

doi: 10.3205/19dkvf098, urn:nbn:de:0183-19dkvf0980

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Berendt et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die seit 2015 bestehenden Gesundheitsregionenplus etablieren Netzwerkstrukturen des kommunalen Gesundheitsmanagements. Die Mitwirkung von Patientenvertretern vor Ort ist bei einem breiten Einbezug der Akteure des Gesundheitswesens zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung sowie Gesundheitsförderung/Prävention konzeptionell vorgesehen.

Fragestellung: Wie wird von regionalen Geschäftsstellenleitern die Beteiligung der Bürger in den Gesundheitsregionenplus beurteilt?

Methode: Über leitfadengestützte qualitative Interviews wurden Geschäftsstellenleitungen aus 24 der aktuell 50 Gesundheitsregionenplus befragt. Eingeschlossen wurden Geschäftsstellenleiter mit mindestens einjähriger Tätigkeit. Die aufgezeichneten Interviews wurden transkribiert und inhaltsanalytisch nach Mayring (2015) ausgewertet. Die Bildung inhaltlicher Kategorien erfolgte deduktiv und induktiv unter der Strategie der Subsumtion.

Ergebnisse: Die Beurteilungen zur Beteiligung der Bürger in den Gesundheitsregionenplus reichten von einer guten und sehr guten Beteiligung bis hin zu einer schwachen bzw. fehlenden Bürgerbeteiligung. Hierbei unterschieden die Befragten der Gesundheitsregionenplus zwischen direkter und indirekter Bürgerbeteiligung.

1.
Die direkte Bürgerbeteiligung bezieht sich auf die unmittelbare Mitwirkung von Patienten bzw. Patientenvertretern, Senioren und weiteren Bürgergruppen wie z.B. Migranten in den Gremien der Gesundheitsregionenplus, insbesondere in den zur Problemlösung vor Ort eingesetzten Arbeitsgruppen. Weitere Möglichkeiten der direkten Bürgerbeteiligung bestehen in der Beteiligung an Bedarfserhebungen wie Bürgerbefragungen, Fokusgruppen und Bürgerwerkstätten zu aktuellen Themen. Auch die von den Gesundheitsregionenplus initiierten Projekte und Maßnahmen zielen auf eine direkte Beteiligung der Bevölkerung vor Ort ab, wie etwa öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zu bürgernahen Themen wie der haus- und kinderärztlichen Versorgung oder offene Türen im Bereich Pflege und Betreuung.
2.
Die indirekte Bürgerbeteiligung bezieht sich auf die Vertretung der Bürgerinteressen durch übergeordnete Stellen, insbesondere der in den Gesundheitsregionenplus beteiligten Vertretern der Lokalpolitik sowie durch Seniorenbeauftragte und Selbsthilfegruppen.

Als Einflussfaktoren für das Ausmaß der Bürgerbeteiligung wurde die Wahrnehmung der Gesundheitsregionplus als ein Fach- bzw. Expertengremium benannt sowie praktische Barrieren bei der Einbeziehung von Bürgern wie etwa die zeit- und ressourcenintensive Umsetzung von Empowerment-Konzepten. Gründe für eine gut funktionierende Bürgerbeteiligung stellen ein kleiner Landkreis, ein bestehendes Koordinierungszentrum „Bürgerschaftliches Engagement“ und etablierten Bürgerdienste dar. Ebenso fördern ein setting-/zielgruppenbezogener Ansatz und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe von Vertretern professioneller Akteure und Bürgern in den Gremien der Gesundheitsregionenplus die Bürgerbeteiligung.

Diskussion: Die Gesundheitsregionenplus als ein neuer gesundheitspolitischer Ansatz in Bayern bieten Bürgern sowohl direkte als auch indirekte Möglichkeiten, sich an Entscheidungsprozessen zur Verbesserung der regionalen Gesundheitsversorgung sowie der Gesundheitsförderung/Prävention zu beteiligen. Die identifizierte Heterogenität zwischen den Gesundheitsregionenplus in Bezug auf Quantität, Qualität und Formen der Bürgerbeteiligung weist darauf hin, dass es weiteren Entwicklungsbedarf zur Stärkung des Einbezugs der Bürger in die von den Gesundheitsregionenplus initiierten Netzwerkstrukturen gibt. Perspektivisch erscheint eine Ausrichtung der Gesundheitsregionenplus auf setting- bzw. zielgruppenbezogene Konzepte sowie die Stärkung von Empowerment-Konzepten zielführend für den weiteren Ausbau der Bürgerbeteiligung in den Gesundheitsregionenplus.

Praktische Implikation: Die identifizierten Einflussfaktoren für das Ausmaß der Bürgerbeteiligung können für die Weiterentwicklung kommunaler Gesundheitskonferenzen bzw. Gesundheitsregionenplus als regionale Koordinierungsstellen für die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung vor Ort genutzt werden. Die verstärkte Bereitstellung und Einplanung von Ressourcen sowie der Austausch zu Bürgerbeteiligungsmethoden kann dazu beitragen, eine Bürgerbeteiligung angemessen umsetzen.

Förderung: Die Gesundheitsregionenplus werden durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) gefördert.