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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Kommunen im Blickpunkt der sektorenübergreifenden Strategieentwicklung

Meeting Abstract

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  • Lea Oesterle - Landesvereinigung für Gesundheit & Akademie für Sozialmedizin Nds. e. V. (LVG&AFS), Kommunale Gesundheit, Hannover, Germany
  • Sophia Gottschall - LVG & AFS Nds. e.V., Kommunale Gesundheit, Hannover, Germany
  • Sabine Erven - LVG & AFS Nds. e.V., Kommunale Gesundheit, Hannover, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf096

doi: 10.3205/19dkvf096, urn:nbn:de:0183-19dkvf0967

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Oesterle et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die Daseinsvorsorge ist eine zentrale Aufgabe der Kommunen (Art. 28 Abs. 2 GG). Um ihrer steuernden und koordinierenden Rolle nachzukommen sowie zielgerichtet im Setting agieren zu können, müssen kommunale Akteur*innen Bedarfe, Bedürfnisse und Status Quo kennen. Dadurch werden u.a. folgende Fragen aufgeworfen: Wie sind die kommunalen Verhältnisse (z. B. Gesundheits-/Sozialdaten, Barrierefreiheit, Lärm- und Verschmutzungsbelastungen) und die Versorgungssituation? Welche Gesundheitsangebote bestehen und wie ist deren Qualität, Erreichbarkeit und Niedrigschwelligkeit? Welche Akteur*innen agieren im gleichen Themenfeld, wo gibt es Schnittstellen und sich ergänzende Ansätze? Welche Wünsche hat die Bevölkerung? Wie lassen sich die verschiedenen Erhebungsperspektiven dokumentieren, in Relation zueinander setzen und Handlungsansätze ableiten? Nur wenige Kommunen haben Kapazitäten, um diese Fragestellungen neben ihrem täglichen Doing umfassend beantworten zu können. Wie diese Schritte vereinfacht und transparent gemacht werden können, hat „Kontextcheck“ seit 2016 in sechs Modellkommunen erprobt und aus den Erfahrungen einen Leitfaden entwickelt.

Fragestellung: Wie können Bedarfe und Bedürfnisse der Bürger*innen in Kommunen niedrigschwellig erhoben werden, um zur nachhaltigen strategischen Planung von Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung beizutragen?

Methode: Kommunale Datenprofile wurden durch deskriptive Beschreibungen vorhandener Daten fachbereichsübergreifend zusammengestellt (Sozial- und Stadtplanung, Gesundheitsberichterstattung, Lärm- und Raumkonzepte uvm.) und entsprechend der Fragestellung für einen bestimmten Bezugsraum ausgewertet.

Für die Bestandsaufnahme der Versorgungslandschaft wurden Workshops (angelehnt an Fokusgruppen) veranstaltet, Angebote recherchiert und in Checklisten dokumentiert. Die Angebotslage wurde durch kommunale Arbeitsgruppen (AG) (anhand von Good-Practice Kriterien, BZgA) bewertet.

Netzwerkanalysen wurden anhand von Soziogrammen in den AGs durchgeführt.

Schritte der Bedürfniserhebungen waren:

1.
Input zu Grundsätzen quantitativer und qualitativer Forschungsansätze sowie verschiedenen Erhebungsmethoden je nach Vorkenntnissen in der Kommune
2.
Definition der Zielgruppe(n)
3.
Auswahl und Ausgestaltung der Methode entlang verfügbarer Ressourcen und Kooperationen, der jeweiligen Zielsetzung sowie möglicher Zugänge zur Zielgruppe:
    • 6 Expert*innen- und/oder „Zielgruppen“-Workshops (jeweils ca. 30TN)
    • Blitzlichtinterviews (n=71)
    • Photovoice, Gruppenarbeit und Fragebogenerhebung in 5 Schulen (n=125)
    • Fragebogenerhebungen bei Senior*innen (n=144 und n=241)

Zusammenfassend wurden quantitative Erhebungen deskriptiv ausgewertet und qualitative Methoden angelehnt an Schreier (2012) kategorisiert. Es erfolgte eine interne Gesamtprojektevaluation mittels Fragebogenerhebung sowie Feedbackgesprächen in den jeweiligen AGs.

Ergebnisse: Ergebnis des Projekts ist der entstandene Leitfaden, in welchem Vorgehensweise, Modifikationsmöglichkeiten, Stolpersteine und Gelingfaktoren herausgearbeitet wurden. Mittels umfassender Bedarfs- und Bedürfnisanalyse konnten auf kommunaler Ebene

  • eine Transparenz bestehender Angebote erreicht,
  • bei der kommunalen Arbeit zu einem Thema durch Netzwerkstrukturen Synergieeffekte statt Doppelstrukturen erzielt,
  • Politik und Verwaltung für ein Thema sensibilisiert und dies somit auf die (politische) Agenda gesetzt und
  • neue Angebote entlang identifizierter Bedarfe initiiert und beantragt werden.

Diskussion: In komplexen Projekten zur nachhaltigen Verantwortungsübernahme von Kommunen, mit Blick auf eine strategisch ausgerichtete und optimierte Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung, ist es nach zwei Projektjahren nicht möglich, verbesserte Gesundheitseffekte der Bevölkerung nachzuweisen. Jede teilnehmende Kommune ist individuell zu betrachten. Durch Partizipation und Empowerment kommunaler Akteur*innen sowie langfristige Strategieentwicklung und Eröffnung neuer Gestaltungsspielräume für integrierte Handlungsansätze entlang der Determinanten für Gesundheit werden die Wege zu nachhaltigen gesundheitsförderlichen Effekten in der Kommune jedoch ermöglicht.

Praktische Implikationen: Um Gesundheit im Setting Kommune zu gestalten, ist Wissen zum Status Quo, zu möglichen Entwicklungstendenzen und Herausforderungen sowie Potenzialen unabdingbar. Diese zusammenzutragen und zu erheben, stellt für viele Kommunen eine Herausforderung dar – insbesondere bei fehlenden ressortübergreifenden, integrierten Strategien. Damit die Gestalter*innen vor Ort dazu befähigt werden, sind Kooperationen mit der Versorgungsforschung notwendig und sollten ausgebaut werden. Zusätzlich unterstützt das Projekt Kommunen darin, methodische Ansätze aus Forschung und Wissenschaft mittels eigener Ressourcen durchzuführen und auf neue Felder zu transferieren. Die zusammengestellten Daten bieten eine gute Basis für weitere Forschungsansätze.