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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Anzahl postoperativer Wundinfektionen und Verbandswechsel-Compliance im Prä-Post-Interventionsvergleich einer prospektiven Kohortenstudie zur Infektionsprävention

Meeting Abstract

  • Meike Strybos - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Institut für Hygiene, Köln, Germany
  • Robin Otchwemah - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Institut für Hygiene, Köln, Germany
  • Selda Akca - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Pflegewissenschaften, Freiburg, Germany
  • Regine Galante - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Institut für Hygiene, Köln, Germany
  • Ina-Kathrin Dombrowski - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Institut für Hygiene, Köln, Germany
  • Frauke Mattner - Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Institut für Hygiene, Köln, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf092

doi: 10.3205/19dkvf092, urn:nbn:de:0183-19dkvf0924

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Strybos et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention empfiehlt jeder medizinischen Abteilung, die Benennung eines hygienebeauftragten Arztes. Für diesen gibt es eine grobe Funktions- jedoch keine Aufgabenbeschreibung. Weiterhin liegen keine Daten über seinen Beitrag zur Infektionsprävention vor. Im Rahmen des BMG geförderten Projektes „HygArzt“ (ZMVI1-2516FSB111) sollen Effektivität, Effizienz und die Umsetzung von Hygienemaßnahmen durch hygienebeauftragte Ärzte in der Unfallchirurgie/Orthopädie nachgewiesen werden.

Fragestellung: Auf Basis der Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie soll ein modulares Trainingsprogram für hygienebeauftragte Ärzte zur Senkung von nosokomialen Infektionen (NI) entwickelt werden. Diese sollen nach dem „Train the Trainer Ansatz“, befähigt werden Infektionspräventionsmaßnahmen (IPM) in ihren Abteilungen zu implementieren und optimieren. Zur Entwicklung eines Schulungsprogrammes auf Basis eines Best Practice Modell von evidenzbasierten IPM, wurde eine Ist-Analyse von Prozessparametern wie Handhygienecompliance (HHC) beim Verbandswechsel sowie erstmalig eine Vollerfassung aller NI (Patientenoutcomes) auf drei orthopädisch-unfallchirurgischen Normalstationen statt. Dabei stellten sich die postoperativen Wundinfektionen (SSI) als häufigste Infektionsart dar. Da aseptische Tätigkeiten einen großen Einfluss auf deren Entstehung haben, wurde neben weiteren Hygienemaßnahmen zur Prävention von SSI wie der Dekolonisation von Patienten vor einer Operation etc., der Fokus auf die Einführung eines neuen Verbandswechselkonzeptes gelegt.

Methode: Um NI zu identifizieren und zu dokumentieren, wurden klinische Infektionsanzeichen nach KISS- und CDC-Definitionen erfasst. Dazu wurden Daten von Vorerkrankungen sowie von aktuellen und früheren Infektionen aus Krankenhausverwaltungssystem, Aufnahmeformularen, Entlassungsschreiben und Pflegedokumentationen mit aktuellen Patientendaten sowie Laborbefunden aggregiert. Ergänzend wurde dreimal pro Woche die Frühvisite besucht, um noch nicht dokumentierte Infektionsanzeichen zu erfassen. In der Prä-Interventionsphase wurden 337, während der Interventionsphase 60 und bisher in der Post-Interventionsphase 188 Verbandwechsel beobachtet. Im Verbandswechselprozess wurden vier erforderliche Händedesinfektionen als Indikationen festgelegt („Vorbereitung des Verbandswechsels“, „unmittelbar vor Verbandswechsel“, „vor reiner Phase“, nach Verbandswechsel“).

Ergebnisse: Um die Auswirkungen der implementierten IPM auf die Infektionsraten (NI, SSI) zu überprüfen, wurden Prä- und Post-Interventionsphase verglichen. In den ersten drei Monaten der Präphase (758 Operationen – teilweise Mehrfachoperationen am selben Patienten) betrugen die Raten NI (n=27) 3,4% (CI 95% 2,1; 4,6) und SSI (n=23) 2,9% (CI 95% 1,7; 4,1). In den ersten drei Monaten der Postphase (668 Operationen- teilweise Mehrfachoperationen am selben Patienten) konnte eine Gesamtinfektionsrate NI (n=12) von 1,8 % (CI 95% 0,8; 2,8 und SSI (n=12) von 1,3% (CI 95% 0,5; 2,1) gefunden werden.

Durch die Einführung des Verbandswechselkonzeptes konnte die HHC aller Indikationen signifikant gesteigert werden. Die stärkste Erhöhung der HHC fand bei der Indikation „Vorbereitung der Verbandswechsel“ statt (34% Prä-Interventionsphase (Prä), 91% Interventionsphase (Int) auf 89% Post-Interventionsphase (Post); χ²(2)=245.149, p < .001, φ=.650). Auch bei den weiteren Indikation nahm die HHC zu („direkt vor dem Verbandswechsel“; 32% Prä, 73% Int, 85% Post; χ²(2)=145.003, p < .001, φ=.500); Vor reiner Phase“ (42% Prä, 81% Int, 96% Post; χ²(2)=158.270, p < .001, φ=.522); „Nach Verbandswechsel“ (74% Prä, 100% Int, 99% Post; χ²(2)=72.185, p < .001, φ=.352).

Diskussion: Durch die Messungen in der Präphase konnten SSI als Hauptziel der geplanten IPM identifiziert werden. Durch die Einführung des Maßnahmen-Bundles (u.a. Dekolonisation von Patienten vor der Operation und Einführung eines neuen Verbandswechselkonzeptes), konnten die Infektionsraten nach drei Monaten in der Postphase gesenkt und die HHC bei allen Indikationen des Verbandswechsels signifikant gesteigert werden. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden IPM insbesondere das neue Verbandswechselkonzept in das Schulungsprogramm integriert. Da in bisherigen Forschungen nur Infektionsraten von Indikatoroperationen, und keine auf Abteilungsebenen speziell für die Orthopädie/Unfallchirurgie ermittelt wurden, sollen die Studiendaten helfen diese Forschungslücke zu schließen.

Praktische Implikationen: Mit genauen und kontinuierlichen Prozessanalysen durch hygienebeauftragte Ärzte können individuelle Schwachstellen in der Patientenversorgen identifiziert und maßgeschneiderte Interventionskonzepte erstellt werden. Erstmals fungiert im Rahmen einer Studie der hygienebeauftragte Arzt als Trainer für seine Abteilung. In der Pilotabteilung zeigte sich, dass dadurch eine schnelle Umsetzung von IPM erreicht wird, die zu einer Reduktion der NI führen kann.