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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Psychosoziale Aspekte in der zahnärztlichen Versorgung von Risikopatienten – Implikation der Mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität

Meeting Abstract

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  • Gerhard Schmalz - Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Leipzig, Germany
  • Dirk Ziebolz - Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Leipzig, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf091

doi: 10.3205/19dkvf091, urn:nbn:de:0183-19dkvf0914

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Schmalz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Patienten mit schweren allgemeinmedizinischen Grunderkrankungen sind als Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis einzustufen und bedürfen daher einer frühzeitigen zahnärztlichen Sanierung sowie einer dauerhaften individuellen bzw. risikoorientieren Nachsorge. Demgegenüber zeigen jedoch vorliegende klinische Studien eine insuffiziente Mundgesundheitssituation dieser Patientengruppen. Bisher sind nahezu keine Daten verfügbar, welche die Mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (MLQ), insbesondere unter Berücksichtigung des Mundgesundheitszustandes dieser Patientengruppen erfassen.

Fragestellung: Ziel der Untersuchung war die Erfassung der MLQ von Patientengruppen mit chronischen Allgemeinerkrankungen sowie einer Gruppe erwachsener Patienten mit akuter Leukämie. Es sollten dabei auch Zusammenhänge zwischen MLQ und Mundgesundheit sowie erkrankungsspezifischen Parametern untersucht werden.

Methode: Im Rahmen verschiedener klinischer Querschnittsstudien wurden Patienten vor (n=24) und nach Lebertransplantation (LTx; n=47), Lungentransplantierte (LuTx; n=60), Patienten mit Spondylarthropathie (n=50), Patienten unter Hämodialyse (n=190) sowie erwachsene Patienten mit noch nicht therapierter akuter Leukämie (n=39) untersucht. Die MLQ wurde mittels standardisiertem Fragebogen (Oral Health Impact Profil G14 = OHIP-G14) erfasst und bezüglich Assoziationen zum Mundgesundheitszustand (dental / parodontal) und verschiedenen erkrankungsspezifischen Parametern untersucht. Die zahnärztliche Untersuchung umfasste: die Beurteilung der dentalen (Zahnstatus: Anzahl kariöser, fehlender und gefüllter Zähne) als auch parodontalen Situation (Parodontalstatus: Taschentiefe sowie Attachmentverlust und daraus abgeleitet den Schweregrad der Parodontitis).

Ergebnisse: Während alle untersuchten Patientengruppen einen insuffizienten Mundgesundheitszustand (dental und parodontal) aufwiesen, zeigte sich ein heterogenes Bild bezüglich der subjektiv wahrgenommen MLQ in den untersuchten Patientengruppen. Die organtransplantierten Patienten (LTx und LuTx) zeigten eine nicht beeinträchtigte MLQ, unabhängig von der Mundgesundheitssituation (p > 0,05). Patienten mit Spondylarthropathie zeigten hingegen eine reduzierte MLQ, welche sich allerdings ebenso unabhängig von der Mundgesundheitssituation darstellte (p > 0,05). Dabei war in dieser Patientengruppe ein Zusammenhang zwischen MLQ und Erkrankungsparametern festzustellen, wie Gelenkschmerz oder Morgensteifigkeit (p < 0,05). Bei den dialysepflichtigen Patienten war eine verstärkte Beeinträchtigung des Teilbereichs „psychosozialer Einfluss“ der MLQ auffällig. Zudem zeigte sich eine Assoziation zur Dialysedauer (p < 0,05), wobei Patienten mit kurzer Dialysedauer die stärkste Einschränkung der MLQ und des Teilbereichs „psychosozialer Einfluss“ aufwiesen. Erwachsene Patienten mit unbehandelter akuter Leukämie wiesen im Unterschied zu den anderen Erkrankungsgruppen eine reduzierte MLQ, vor allem im Teilbereich „orale Funktion“ auf, welche mit der oralen Situation, insbesondere dem Vorliegen oraler Initialsymptome assoziiert war (p < 0,05). Mit längerer Dauer nach Diagnosestellung war jedoch ebenfalls eine Zunahme psychosozialer Einflussfaktoren festzustellen (p < 0,05).

Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eine unterschiedlich stark ausgeprägte Beeinträchtigung der subjektiv wahrgenommenen MLQ bei Patienten mit chronischen sowie akuten Allgemeinerkrankungen. Hierbei ist festzustellen, dass insbesondere bei chronischen Grunderkrankungen kein Zusammenhang zwischen MLQ und klinisch erfasster Mundgesundheitssituation besteht. Hingegen weist ein akuter Zustand wie die akute Leukämie eine initiale Beeinträchtigung der MLQ im Zusammenhang mit der Mundgesundheitssituation auf. Somit wird erstmals diese festgestellte Heterogenität und Komplexität, gemeinsam mit der Bedeutung der psychosozialen Konstitution bei zahnärztlichen Risikopatienten beschrieben.

Praktische Implikationen: Aus den vorliegenden Ergebnissen ergibt sich die Forderung nach der Entwicklung von Kompetenzteams aus Fachärzten, Zahnmedizinern und ebenso Psychologen/Psychiatern um der hohen Komplexität und den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Patienten gerecht werden zu können. Hierbei sollte die Sensibilisierung der Patienten für die Mundgesundheit unter Berücksichtigung der physischen und psychischen Grundkonstitution eine Schlüsselrolle einnehmen.