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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

E-Mental-Health-Ansätze – nur für junge Menschen? Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie im hausärztlichen Versorgungssetting

Meeting Abstract

  • Janine Quittschalle - Universität Leipzig, ISAP, Leipzig, Germany
  • Margrit Löbner - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Alexander Pabst - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Janine Stein - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Melanie Luppa - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Anette Kersting - Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Leipzig, Germany
  • Hans-Helmut König - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung (IGV), Hamburg, Germany
  • Steffi G. Riedel-Heller - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf082

doi: 10.3205/19dkvf082, urn:nbn:de:0183-19dkvf0827

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Quittschalle et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: E-Mental-Health-Ansätze stellen eine neue Behandlungskomponente im Bereich der Versorgung psychischer Erkrankungen dar. Während eine Vielzahl von Studien bereits die Wirksamkeit von internetbasierten Interventionen, insbesondere für Depressionen belegt, gibt es bisher nur sehr wenige Informationen über das Nutzungsverhalten und die Wirksamkeit solcher Programme in der Patientengruppe über 60 Jahren.

Fragestellung: Wie sind das Nutzungsverhalten (Nutzungsaufnahme sowie Adhärenz) und die Wirksamkeit eines internetbasierten Selbstmanagementprogramms zur Linderung von depressiven Symptomen bei älteren Menschen (60+) im Vergleich zu jüngeren Menschen zu bewerten?

Methode: Präsentiert werden Sekundäranalysen einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie mit N=647 Patienten mit leichter bis mittelgradiger Depression, die in 112 Hausarztpraxen rekrutiert wurden. Für die Studie wurden die rekrutierenden Hausarztpraxen in zwei Untersuchungsarme randomisiert (Interventionsgruppe (IG): Intervention + hausärztliche Standardbehandlung (TAU), Kontrollgruppe (KG): TAU). Erhebungen fanden zu drei Messzeitpunkten statt (Baseline, nach 6 Wochen, nach 6 Monaten). Für die vorliegenden Sekundäranalysen zur Wirksamkeit wurde die Schwere der Depressivität (Beck-Depressions-Inventar; BDI-II) ausgewertet. Es wurde eine Intention-to-treat-Analyse (ITT) durchgeführt. Die Wirksamkeit wurde mit Hierarchischen Linearen Modellen geprüft. Die Analysen wurden nach Alter in drei Gruppen stratifiziert: 18-39 Jahre, 40-59 Jahre und 60+ Jahre. Für die Analyse des Nutzungsverhaltens (Nutzungsaufnahme, Adhärenz) im 6-monatigen Beobachtungszeitraum konnten pseudonymisierte Login-Daten ausgewertet werden.

Ergebnisse: Von den N=647 Studienteilnehmern waren N=264 (41%) zwischen 18 und 39 Jahren, N=300 (46%) zwischen 40 und 59 Jahren und N=83 (13%) 60 Jahre alt oder älter. Die Altersspanne lag insgesamt bei 18 bis 82 Jahren, das mittlere Alter betrug 44 Jahren (SD ± 14). Die Altersverteilung in der IG (N=320) war wie folgt: N=166 (63%) waren in der jüngeren Altersgruppe, N=133 (44%) in der mittleren Altersgruppe und N=21 (25%) in der älteren Altersgruppe. Nach Adjustierung für den BDI-II-Baseline-Score und relevante soziodemographische und klinische Kovariate zeigte sich, dass IG Teilnehmer in allen drei Altersgruppen und zu beiden Beobachtungszeitpunkten eine signifikant größere Reduktion des BDI-II-Wertes im Vergleich zur Baseline aufweisen als KG Teilnehmer. Die geschätzten mittleren Gruppendifferenzen zugunsten der Intervention rangieren zwischen -2,31 Punkten (95% KI: -4,28 bis -0,35) in der mittleren Altersgruppe nach 6 Wochen und -7,34 Punkten (95% KI: -12,12 bis -2,53) in der älteren Altersgruppe nach 6 Monaten. Der Behandlungseffekt über die Zeit unterschied sich nicht signifikant zwischen den drei Altersgruppen (F = 1.01, p = 0.366). Die Analyse der Log-in Daten der IG Teilnehmer zeigte, dass die Nutzungsaufnahme der Intervention mit 70% in allen drei Altersgruppen ähnlich verteilt ist (χ² = 0.18, p = .915). Pseudonymisierte Nutzerdaten zur Adhärenz zeigten weiterhin, dass die Anzahl abgeschlossener Programmmodule in der älteren Altersgruppe signifikant höher liegt (χ² = 18.99, p = .040).

Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hausarztpatienten mit leichten bis mittelgradigen Depressionen über alle Altersgruppen hinweg gleichermaßen und stärker als Kontrollpatienten vom Einsatz internetbasierter Selbstmanagementprogramme als komplementäre Behandlungsbausteine profitieren. Während sich die Nutzungsaufnahme nicht zwischen den Altersgruppen unterscheidet, scheinen ältere Nutzer das Programm länger und intensiver zu nutzen

Praktische Implikation: Internetbasierte Selbstmanagementprogramme für Depressionen stellen auch für ältere Menschen eine geeignete Behandlungsoption dar. Sowohl Betroffene als auch Behandler sollten im stärkeren Maße für die Möglichkeit eines Einsatzes von internetbasierten Interventionen in der Altersgruppe 60+ sensibilisiert werden.