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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Trauer und Verlust im Alter – Nutzungsakzeptanz eines internetbasierten Selbsthilfeprogramms aus Betroffenen- und Expertenperspektive

Meeting Abstract

  • Margrit Löbner - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Franziska Welzel - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Franziska Förster - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Katja Schladitz - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Janine Stein - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany
  • Steffi G. Riedel-Heller - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf081

doi: 10.3205/19dkvf081, urn:nbn:de:0183-19dkvf0815

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Löbner et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mit zunehmendem Alter werden auch Verlusterlebnisse durch den Tod einer nahen Bezugsperson häufiger. Eine anhaltende Trauersymptomatik geht nicht nur mit einem Verlust an Lebensqualität, sozialem Rückzug sowie Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags einher, sondern stellt auch einen Risikofaktor für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen dar. Internetbasierte Selbstmanagementprogramme stellen bereits für zahlreiche psychische Indikationen eine neue und wirksame Behandlungskomponente dar [1]. Ein internetbasiertes Selbsthilfeprogramm für die Bewältigung einer anhaltenden Trauersymptomatik, das sich direkt an die Zielgruppe älterer Menschen ab dem 60. Lebensjahr wendet, gibt es bisher noch nicht. Im Rahmen des Projektes wurde eine solche Intervention entwickelt, basierend auf Theorien und Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie.

Fragestellung: Ziel der Untersuchung ist die Erfassung der Nutzungsakzeptanz, potentieller Zugangswege sowie Barrieren einer Nutzung aus Betroffenen- und Expertenperspektive.

Methode: Vorgestellt werden die qualitativen Ergebnisse aus zwei Fokusgruppen: Fokusgruppe A bestehend aus N=12 älteren Personen (60+) mit Verlusterlebnissen und Fokusgruppe B mit N=8 Experten aus dem medizinischen Versorgungssystem. Die Durchführung der Fokusgruppen erfolgte leitfadengestützt. Die Entwicklung des qualitativen Leitfadens erfolgte in Anlehnung an das Modell der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) [2]. Die Daten wurden mittels Audioaufzeichnung festgehalten. Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring [3] erfolgte mittels MAXQDA.

Ergebnisse: Die Teilnehmer der Fokusgruppe A waren im Mittel 64,5 Jahre alt. Es nahmen zu gleichen Anteilen Männern und Frauen daran teil. Betroffene der Altersgruppe 60+ gaben mehrheitlich an, das Internet regelmäßig zu nutzen. Neben der Familie, sowie Selbsthilfegruppen/Trauercafés wurde auch die Nutzung eines Internetprogramms als Hilfsmittel zur Trauerbewältigung als denkbar erachtet. Ein Programm sollte neben Psychoedukation zum Thema Trauerbewältigung, Anregungen und Motivation zum Aktivitätenaufbau, selbstwertstärkende Elemente sowie Anregungen zum Umgang mit anderen Gefühlen im Zusammenhang mit der Trauer (z.B. Schuld) enthalten. Gewünscht wurden zudem Tipps für Angehörige zum Umgang mit Trauernden, sowie die Thematisierung von Glaube/Spiritualität im Rahmen der Trauerbewältigung. Die Bedienbarkeit eines solchen Programms wurde von der Mehrheit der Teilnehmer bejaht. Eine flexible Nutzung des Programms bezogen auf Bearbeitungszeit und Themenauswahl wurde gewünscht. Als Zugangswege wurde die Empfehlung über Haus- und Fachärzte, Trauercafés, aber auch Bestatter mittels Informationsflyer als günstig erachtet. Auch regionale Medien (z.B. Tageszeitungen) wurden genannt. Als potentielle Barrieren einer Nutzung wurden individuelle Faktoren thematisiert, z.B. die Präferenz einer persönlichen Beziehung. Die Teilnehmer der Fokusgruppe B waren im Mittel 40,1 Jahre alt, 87,5 % waren weiblich. Alle Gesundheitsexperten gaben an, ein Programm für Betroffene mit anhaltender Trauersymptomatik speziell für die Zielgruppe älterer Menschen (60+) zu befürworten. Als Zugangswege wurden alle Fachgruppen genannt, mit dem Fokus auf der Arbeit mit älteren Menschen (z.B. Ärzte, Ergotherapeuten, Pflegeeinrichtungen). Als mögliche Barriere wurde eine fehlende Anleitung genannt.

Diskussion: Ein zentraler Aspekt und Voraussetzung für den Einsatz und die Wirksamkeit einer E-Health-Intervention für Trauernde ist die Nutzerakzeptanz. Betroffenen- und Expertenurteile zeigen eine hohe Nutzungsakzeptanz sowie altersgruppenspezifische Themen der Trauerbewältigung.

Praktische Implikation: Die Implementation solcher Programme sollte die genannten Vermittlungswege berücksichtigen, um Betroffene und Experten über die Intervention zu informieren.


Literatur

1.
Stein J, Röhr S, Luck T, Löbner M, Riedel-Heller SG. Indikationen und Evidenz von international entwickelten Online-Coaches zur Intervention bei psychischen Erkrankungen – ein Meta-Review. Psychiatrische Praxis. 2018;45(1):7-15.
2.
Venkatesh V, Morris MG, Davis GB, Davis FD. User Acceptance of Information Technology. Toward a Unified View. MIS Quarterly. 2003;27(3):425-78.
3.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz; 2015.