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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Implementierung teledermatologischer Konsile in Hausarztpraxen: Erste Ergebnisse aus dem Innovationsfondsprojekt TELEDerm

Meeting Abstract

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  • Andreas Polanc - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Germany
  • Roland Koch - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Germany
  • Christian Thies - Hochschule Reutlingen, Fakultät Informatik, Reutlingen, Germany
  • Peter Martus - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, Tübingen, Germany
  • Stefanie Joos - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf067

doi: 10.3205/19dkvf067, urn:nbn:de:0183-19dkvf0677

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Polanc et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: International wird Telemedizin seit einigen Jahren bereits erfolgreich mit nachgewiesenem Nutzen für Patienten und Behandler in der Primärversorgung eingesetzt. In Deutschland besteht dabei die besondere Herausforderung der Vielfalt an Praxisverwaltungsystemen (PVS). Im vorliegenden Projekt wird in vorwiegend ländlich gelegenen Hausarztpraxen, die an der hausarztzentrierten Versorgung (HZV) teilnehmen, in Baden-Württemberg ein dermatologisches Telekonsilsystem implementiert. Per „Store-and-Forward“-Technologie werden Bildmaterial und anamnestische Patienteninformationen in standardisierter Form zur Befundung digital an Dermatologen übermittelt. Die Befundungen erfolgen innerhalb von zwei Werktagen und werden an die konsilstellenden Hausärzte zurückgesendet.

Fragestellung: Die Fragestellungen im Projekt richten sich auf Machbarkeit und Akzeptanz sowie Auswirkungen auf die Anzahl dermatologischer Überweisungen im Interventionszeitraum.

Methode: Die Studie hat ein auf Landkreisebene cluster-randomisiertes, kontrolliertes Design mit begleitender Prozessdatenevaluation. In den Interventionspraxen wird das Telekonsilsystem etabliert, die Kontrollpraxen führen die Routineversorgung durch. Die Interventionsphase läuft von 01.07.2018 noch bis 30.06.2019. Datenquellen sind neben Routinedaten der Krankenkassen zudem Prozessindiaktoren aus dem Telekonsilverfahren sowie primär erhobene Daten aus den Praxen. Für die gemischt-methodische Prozessevaluation werden teilnehmende Patienten, hausärztliche Praxisteams und Dermatologen zu ihren praktischen Erfahrungen und ihrer persönlichen Einstellung zur neuen Versorgungsform befragt.

Ergebnisse: Auf dem Kongress werden erste Ergebnisse aus dem Projekt vorgestellt. In den vier Interventionslandkreisen Böblingen, Calw, Rottweil und Zollernalb konnten 50 Hausarztpraxen mit rd. 41.400 in das Hausarztprogramm eingeschriebenen AOK-Versicherten zur Teilnahme an der Studie gewonnen werden. Im Laufe der Intervention schieden vier Hausarztpraxen auf eigenen Wunsch aus. TELEDerm vereint in den Interventionspraxen allein insgesamt 19 der rd. 170 im bundesdeutschen Gesundheitssektor gängigen PVS, für die im Rahmen des Projekts jeweils eine IT-Schnittstelle zwischen PVS und der digitalen Innovation entwickelt werden musste. Bis 31.03.2019 waren insgesamt 389 Telekonsilanfragen erfolgt. In n=341 Fällen (87,6%) lag eine ausreichende Qualität zur Diagnosestellung und Beantwortung der hausärztlichen Fragestellung durch einen Dermatologen vor. Die drei häufigsten Diagnosen waren D22.- (Melanozytärer Nävus) bzw. C44.- (Sonstige Bösartige Neubildungen der Haut) mit jeweils n=47 (12,0%), sowie L82.- (Seborrhoische Keratose) mit n=45 (11,6%).Grundsätzliche Unterschiede bei den teilnehmenden hausärztlichen Teams zeigen sich v.a. bei der praxisinternen, organisatorischen Umsetzung des Projektes, der Technikaffinität und -kompetenz und in Bezug auf die Delegation von Teilaufgaben an die Medizinischen Fachangestellten.

Diskussion: Dermatologische Telekonsile sind eine neue Behandlungsform, die im Rahmen des Projektes erfolgreich in Hausarztpraxen implementiert werden konnte. Die vorläufigen Ergebnisse decken sich im Wesentlichen mit den Erfahrungen aus anderen Ländern, vor allem im Hinblick auf die Akzeptanz bei Patienten und Leistungserbringern. Ein nicht unerheblicher Aufwand für die Projektpartner war es, die entsprechenden Schnittstellen zwischen PVS und der digitalen Innovation zu etablieren und aufeinander abzustimmen.

Praktische Implikationen: Die Implementierung dermatologischer Telekonsile in Hausarztpraxen stellt eine auf Arzt- und Patientenseite gut akzeptierte, funktionierende digitale Innovation dar. Die gewonnenen Erkenntnisse werden einen wichtigen Beitrag leisten können, Telemedizin im primärversorgenden Sektor in Deutschland zielführend und nachhaltig voranzutreiben. Hierbei wird die Lösung der IT-Schnittstellenproblematik eine der größten Herausforderung für die Breitenimplementierung sein.