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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Leitlinienorientierung in der post-stationären Schlaganfallversorgung. Eine Analyse von Routinedaten gesetzlicher Krankenkassen

Meeting Abstract

  • Daniel Schindel - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Lena Mandl - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Johannes Deutschbein - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Johann Frick - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany
  • Liane Schenk - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf060

doi: 10.3205/19dkvf060, urn:nbn:de:0183-19dkvf0606

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Schindel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: PatientInnen mit Schlaganfall erhalten im Anschluss an ihre Akutversorgung häufig eine stationäre Rehabilitation und benötigen eine ambulante therapeutische Nachsorge. Der Bedarf und Umfang der ambulanten logopädische, physio- und ergotherapeutische Versorgung dieser PatientInnen ist bisher wenig erforscht. Im Interesse einer Erhöhung der Versorgungsqualität erscheint die Schaffung von Transparenz über das Versorgungsgeschehen als erster Schritt hilfreich.

Fragestellungen: Wie werden therapeutische Leitlinien und Empfehlungen in der post-stationären Versorgung von PatientInnen mit Schlaganfall umgesetzt? Können Routinedaten gesetzlicher Krankenversicherungen genutzt werden um vulnerable Patientengruppen zu identifizieren, deren Versorgung weniger häufig leitlinienorientiert erfolgt?

Methode: Systematische Recherche von medizinischen und therapeutischen, nationalen und internationalen Leitlinien und Empfehlungen zur Rehabilitation von Sprach- und Sprechstörungen, sowie Gang- und Mobilitätsstörungen, Lähmungen und Inkontinenz nach Schlaganfall. Extraktion und Ableitung von Parametern, deren Umsetzung in der Versorgung anhand von Abrechnungsdaten gesetzlicher Krankenkassen messbar sind. Deskriptive Analyse für definierte Subgruppen (Alter, Geschlecht, Schwere des Schlaganfalls, Schlaganfall im Vorjahr). Datengrundlage bilden die Abrechnungsdaten von PatientInnen mit Schlaganfallereignis im Jahr 2014 von vier gesetzlichen in der Region Berlin tätigen Krankenkassen (n=6.900).

Ergebnisse: In den selektierten Leitlinien findet sich eine geringe Zahl für die Überprüfung mit Abrechnungsdaten geeigneter Empfehlungen. Im Bereich der Sprach- und Sprechstörungen wurden 4 im Bereich der Gangstörungen, Lähmung und Inkontinenz 3 geeignete Prüfparameter identifiziert. Knapp 10% der PatientInnen erhalten trotz diagnostiziertem logopädischen Therapiebedarf keine weitere ambulante Versorgung, wobei die Anteile für Frauen und ältere PatientInnen noch darüber liegen. Nach Krankenhausentlassung erfolgt die Aufnahme der Rehabilitation im Durchschnitt innerhalb von 6 Tagen. Männer, jüngere PatientInnen und weniger schwer Betroffene weisen eine geringere Versorgungskontinuität auf. Die mittlere Dauer zwischen zwei Therapiesitzungen betrug ca. 5 Tage und widerspricht damit der empfohlenen hochfrequenteren Therapie von 2 bis 3 Sitzungen pro Woche. Knapp 18% der PatientInnen mit diagnostiziertem physio- und ergotherapeutischen Versorgungsbedarf erhalten keine ambulante Therapie.

Diskussion: Therapeutische Leitlinien zur Rehabilitation der definierten Störungsbilder weisen eine geringe Anzahl konkreter Therapieempfehlungen aus. Die Überprüfung der Versorgung mithilfe von Routinedaten ist daher nur bedingt möglich. Ursachen hierfür sind in der ausstehenden Akademisierung und dem Aufbau hinreichender Forschungsstrukturen in der therapeutischen Nachsorge zu vermuten. Der den Leitlinien inhärente Mangel an verfügbarer Evidenz sollte Inhalt künftigen Forschungsaktivitäten sein. Die beobachteten Ergebnisse sind ohne Berücksichtigung der Limitationen der Datenquelle nicht sinnvoll interpretierbar. Eine Betrachtung des objektiven Versorgungsgeschehens lässt die Angemessenheit der Maßnahmen für die einzelne PatientIn sowie deren Präferenzen unberücksichtigt. Weiterführende Forschung zu den Ursachen geringer Leitlinienorientierung in der Versorgung einzelner Patientengruppen erscheint notwendig.

Praktische Implikationen: Leitlinien erhöhen die Qualität in der Versorgung. Grundlage für gute Leitlinien ist das Vorhandensein evidenter und konkreter Therapieempfehlungen. Detaillierte Empfehlungen in Leitlinien ermöglichen darüber hinaus eine Analyse des Versorgungsgeschehens mithilfe von Routinedaten und sollten auch vor diesem Hintergrund regelhaft bei der Entwicklung von Leitlinien Berücksichtigung finden.