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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

„Fragen Sie Ihren Arzt, Apotheker oder Ihre Freunde“ – Determinanten von Gesundheitskompetenz in Deutschland

Meeting Abstract

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  • Urs Fichtner - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert‐Ludwigs‐Universität Freiburg, SEVERA, Freiburg, Germany
  • Erik Farin - Universitätsklinikum Freiburg, Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Freiburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf057

doi: 10.3205/19dkvf057, urn:nbn:de:0183-19dkvf0572

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Fichtner et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Unzureichende Gesundheitskompetenz (GK) geht mit erhöhtem Krankheitsrisiko, schlechterer Orientierung im Gesundheitswesen und damit ineffizienterer Inanspruchnahme von Gesundheits- und Präventionsleistungen einher [1]. Es konnte gezeigt werden, dass niedrige GK den Einfluss sozioökonomischer Ungleichheiten auf den Gesundheitsstatus verstärkt [2]. Folglich ist davon auszugehen, dass sich GK abhängig von sozioökonomischen Faktoren ungleich in der Gesellschaft verteilt [3]. Als relevante Faktoren kommen dabei Bildungsstand, sozialer Status, Migrationshintergrund, Alter, sowie Geschlecht und Einkommen in Betracht [3], [4]. Eine Studie aus China konnte zeigen, dass außerdem das spezifische Vorwissen über gesundheitsrelevante Themen eine Determinante von GK darstellt [4].

Fragestellung: Die vorliegende Untersuchung machte sich zum Ziel, die Befunde in Anlehnung an Sun et al. [4] aus China zu replizieren und deren Aussagekraft für Deutschland zu prüfen. Während sich die Vorgängerstudie auf fähigkeitsbasierte Gesundheitskompetenz konzentriert, wird hier der Fokus auf spezifische Teilkompetenzen gelegt.

Methode: Im dritten Sozialmedizinischen Panel wurden Daten von Erwerbstätigen (mit Krankengeldbezug in 2012) über drei Messzeitpunkte hinweg gesammelt. Es liegen insgesamt 1861 komplette Fälle vor. U.a. wurden spezifische Teildimensionen der Gesundheitskompetenz (im Umgang mit medizinischen Informationen (AM) und in der Kommunikation mit Behandlern (KB)) [5] erhoben. Durch den Panelcharakter kann die Gesundheitskompetenz bei Welle III (2017) durch Prädiktoren aus früheren Wellen modelliert werden. Mittels linearer Regression wurden die aus der Literatur vorgeschlagenen Prädiktoren (Geschlecht, Alter, Bildung, Erwerbsstatus, Migrationshintergrund, Beziehungsstatus, Vorwissen) zur Erklärung der Teildimensionen von Gesundheitskompetenz (AM und KB) modelliert und um weitere Faktoren (Verfügbarkeit sozialer Unterstützung, Wissen über Onlinequellen mit medizinischen Informationen) ergänzt. Dabei wurde die Gesundheitskompetenz für Welle II als Proxy für das Vorwissen als Determinante aufgenommen. Eine Prüfung der Modellvoraussetzungen legt eine korrekte Spezifikation des Endmodells nahe.

Ergebnisse: Die von Sun et al. [4] aufgezeigten Zusammenhänge können für die beiden Teildimensionen nur bedingt repliziert werden:

  • Die wahrgenommene Verfügbarkeit sozialer Unterstützung zeigt einen positiven prädiktiven Zusammenhang mit beiden Teilaspekten der Gesundheitskompetenz und stellt für die Kommunikation mit Behandlern die einzige inhaltliche Determinante dar.
  • Die in Sun et al. [4] nachgewiesenen Alterseffekte blieben aus, was allerdings auf die relativ homogene Altersgruppe der Stichprobe zurückführbar sein könnte.
  • Geschlechterunterschiede zeigten sich ausschließlich hinsichtlich des Umgangs mit med. Informationen.

Diskussion: Es konnte gezeigt werden, dass für die Teilkompetenz „Kommunikation mit Behandlern“ bei Berücksichtigung früherer Gesundheitskompetenz keiner der in der Literatur vorgeschlagenen Faktoren relevant ist. Vielmehr spielt hier die wahrgenommene Verfügbarkeit sozialer Unterstützung eine Rolle. Daraus lässt sich schließen, dass sozial gut integrierte Patienten auch mit ihren Behandlern besser interagieren können.

Hinsichtlich der Anwendung med. Informationen kann sowohl für höher Gebildete als auch für Frauen eine höhere Kompetenz vorhergesagt werden. Aber auch hier zeigt sich der fördernde Effekt durch soziale Unterstützung.

Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass selbst im Falle von Unsicherheiten in der Anwendung med. Informationen soziale Unterstützung einen fördernden Effekt hat.

Praktische Implikationen: Für die Patientenedukation bedeuten diese Ergebnisse, dass Informationsangebote stärker den Bedarfen der Männer entsprechen sollten um dem Geschlechterunterschied entgegen zu wirken.

Weiterhin weisen die Effekte der sozialen Unterstützung darauf hin, dass Behandler auch auf das soziale Netz der Patienten achten sollten, da fehlende Unterstützung mit niedriger Gesundheitskompetenz einher geht und damit einen Risikofaktor für die allg. Entwicklung des Gesundheitszustands darstellt.


Literatur

1.
Schaeffer D, et al. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland – Ergebnisbericht. Bielefeld; 2016.
2.
Howard DH, Sentell T, Gazmararian JA. Impact of health literacy on socioeconomic and racial differences in health in an elderly population. J Gen Intern Med. 2006 Aug;21(8):857-61.
3.
Schaeffer D, et al. Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Die Gesundheitskompetenz in Deutschland stärken. Berlin: KomPart; 2018.
4.
Sun X, Shi Y, Zeng Q, Wang Y, Du W, Wei N, Xie R, Chang C. Determinants of health literacy and health behavior regarding infectious respiratory diseases: a pathway model. BMC Public Health. 2013 Mar 22;13:261. DOI: 10.1186/1471-2458-13-261 Externer Link
5.
Farin E, Ullrich A, Nagl M. Health education literacy in patients with chronic musculoskeletal diseases: development of a new questionnaire and sociodemographic predictors. Health Educ Res. 2013 Dec;28(6):1080-91. DOI: 10.1093/her/cyt095 Externer Link