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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz – Empfehlungen zur Gestaltung eines nutzerfreundlichen und gesundheitskompetenten Gesundheitssystems

Meeting Abstract

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  • Doris Schaeffer - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld, Germany
  • Klaus Hurrelmann - Hertie School of Governance, Public Health and Education, Berlin, Germany
  • Svea Gille - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf053

doi: 10.3205/19dkvf053, urn:nbn:de:0183-19dkvf0532

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Schaeffer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Gesundheitskompetenz – die Fähigkeit Gesundheitsinformationen zu finden, verstehen, bewerten und anzuwenden – ist eine wichtige Voraussetzung zur Gesundheitserhaltung und -förderung. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung (54,3%) hat empirischen Ergebnissen zufolge jedoch Schwierigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen. Das hat unmittelbare Konsequenzen für die gesundheitliche Versorgung, denn eine niedrige Gesundheitskompetenz geht u.a. mit einer intensiveren und häufigeren Nutzung des Gesundheitssystems, geringerem krankheits- und systembezogenen Wissen und schlechterem gesundheitlichen Selbstmanagement einher und führt damit auch zu erhöhten Kosten für das Gesundheitssystem. Zur Stärkung der Gesundheitskompetenz wurde daher nach dem Vorbild anderer Länder ein Nationaler Aktionsplan mit 15 Empfehlungen in vier Handlungsfeldern erarbeitet. Ein Handlungsbereich zielt dabei auf die Nutzerfreundlichkeit des Gesundheitssystems und gibt fünf konkrete Empfehlungen zur strukturellen Anpassung.

Fragestellung: Im Zentrum steht die Frage, wie das Gesundheitssystem nutzerfreundlicher und gesundheitskompetenter gestaltet werden kann.

Methode: Basierend auf den in der Studie zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland (HLS-GER) identifizierten Problembereichen wurde durch ein 15-köpfiges Expertengremium ein Nationaler Aktionsplan zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Deutschland erarbeitet. Zur Implementierung der 15 Empfehlungen wurden insgesamt vier Workshops mit Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis durchgeführt. Ziel war es, einzelne Empfehlungen zu konkretisieren und in umsetzbare Einzelstrategien zu übersetzen. Ein Workshop zur Gestaltung eines nutzerfreundlichen und gesundheitskompetenten Gesundheitssystems fand am 25.01.2019 in Berlin statt. Die Ergebnisse des Workshops sind in einem Strategiepapier zusammengefasst.

Ergebnisse: Dem Gesundheitssystem kommt bei der Förderung von Gesundheitskompetenz eine zentrale Bedeutung zu, denn es stellt Nutzer*innen aufgrund seiner Komplexität und Unübersichtlichkeit häufig vor hohe Anforderungen. Besonders Menschen mit niedriger Bildung, Migrationshintergrund und geringem Sozialstatus sowie Menschen im höheren Alter und chronisch Erkrankte benötigen Unterstützung, sich im Gesundheitswesen zurecht zu finden. Die Empfehlungen des Nationalen Aktionsplans lauten daher:

1.
Gesundheitskompetenz als Standard auf allen Ebenen im Gesundheitssystem zu verankern,
2.
die Navigation im Gesundheitssystem zu erleichtern, Transparenz zu erhöhen und administrative Hürden abzubauen,
3.
die Kommunikation zwischen den Gesundheitsprofessionen und Nutzer*innen verständlich und wirksam zu gestalten,
4.
Gesundheitsinformationen nutzerfreundlich zu gestalten und
5.
die Partizipation von Patient*innen zu erleichtern und zu stärken.

Diskussion: Zur Umsetzung der Empfehlungen sind Aktivitäten auf System-, Organisations- und Interaktionsebene nötig, die ein systematisches Handeln aller an der Versorgung beteiligten Akteure erfordern. Handlungsbedarf besteht auch in der Schaffung einer validen, öffentlich zugänglichen und nutzerfreundlichen Datenbasis über die Strukturen und die Qualität der gesundheitlichen Versorgung sowie in der Etablierung von transparenten und verlässlichen Versorgungspfaden. Ebenfalls sind Maßnahmen zur Verbesserung der Verständlichkeit, Vereinfachung und Optimierung von Informationen und der Kommunikation zwischen den Gesundheitsprofessionen und den Nutzer*innen erforderlich. Insbesondere die mündliche Information und Kommunikation erfordert besondere Aufmerksamkeit und sollte durch gezielte Maßnahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen qualitativ verbessert werden. Insgesamt müssen Bemühungen zur Partizipation von Patient*innen zur partnerschaftlichen und informierten Entscheidungsfindung intensiviert werden. Dabei sollte vulnerablen Bevölkerungsgruppen besondere Beachtung geschenkt werden.

Praktische Implikationen: Bei der Stärkung der Gesundheitskompetenz kommt dem Gesundheitssystem eine besondere Rolle zuteil. Eine Umgestaltung hin zu einem nutzerfreundlichen und gesundheitskompetenten Gesundheitssystem kann dazu beitragen, dass Nutzer*innen ihre Bedürfnisse besser artikulieren, informierte Entscheidungen treffen und sich aktiv an ihrer Behandlung und Versorgung beteiligen können. Langfristig kann dies zu einer besseren Versorgung und zu einer Senkung der Kosten im Gesundheitssystem führen.