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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Implementierung und Evaluation eines Schulungskonzepts zum Umgang mit Komplementärmedizin in der Krebs-Selbsthilfe

Meeting Abstract

  • Martina Jablotschkin - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, CCC Freiburg Stiftungsprofessur Selbsthilfeforschung, Freiburg, Germany
  • Hans Helge Bartsch - Universitätsklinikum Freiburg UKF Reha gGmbH, Klinik für Onkologische Rehabilitation, Freiburg, Germany
  • Markus Horneber - Klinikum Nürnberg, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Universitätsklinik für Innere Medizin 5, Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie, Nürnberg, Germany
  • Joachim Weis - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, CCC Freiburg Stiftungsprofessur Selbsthilfeforschung, Freiburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf039

doi: 10.3205/19dkvf039, urn:nbn:de:0183-19dkvf0392

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Jablotschkin et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Inanspruchnahme von Verfahren der Komplementärmedizin (KM) ist bei Krebspatienten mit einer durchschnittlichen Rate von ca. 40 % weit verbreitet [1]. Die Verfügbarkeit von zuverlässigen Informationen zu KM wird dabei seitens der Krebspatienten häufig als unbefriedigend empfunden [2]. Eine entsprechende Beratung im Rahmen der ärztlichen Konsultation wird bevorzugt, findet jedoch selten statt [3]. Krebsselbsthilfegruppen bieten neben der psychosozialen Unterstützung auch die Möglichkeit, Informationen zu KM auszutauschen und sich durch die Erfahrungen Gleichbetroffener Orientierungshilfen zu holen. Bisher ist jedoch wenig bekannt, in welcher Form und Qualität dieser Austausch in den Selbsthilfegruppen (SHGs) erfolgt.

Fragestellung: Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die in einem Vor-Projekt entwickelte Schulung von SHG-Leitern (GL) zur Diskussion und Vermittlung der Thematik KM qualitätsgesichert in den SHGs umzusetzen. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Schulung sind die Förderung des offenen Austauschs zu KM, die Vermittlung seriöser Quellen zur KM und die Sensibilisierung für potentiell unseriöse Angebote.

Methode: Es handelt sich um eine multizentrische explorative Implementationsstudie mit zwei Messzeitpunkten, die im Rahmen des Verbundprojekts KOKON (Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie, Förderprojekt der Deutschen Krebshilfe) durchgeführt wird. Das Schulungskonzept bestehend aus vier Modulen wurde in Kooperation mit Vertretern vier großer Selbsthilfeverbände und verschiedenen Gesundheitsexperten (Mediziner mit Expertise in KM, Psychoonkologe, Sozialarbeiter) in einer Pilotphase entwickelt. Dabei werden GL durch die Forschungsgruppe geschult mit dem Ziel, die Schulung in ihren SHGs umzusetzen. Die Evaluation des Schulungskonzepts erfolgt durch schriftliche Befragungen zu zwei Messzeitpunkten unmittelbar im Anschluss an die Durchführung der Schulung in der SHG (T1) sowie in einer follow-up-Untersuchung nach sechs Monaten (T2). Die Evaluationskriterien beinhalten die Auswahl und Verständlichkeit der Inhalte, Gruppenatmosphäre, Gestaltung der Schulungsmaterialien, Möglichkeit des Erfahrungsaustauschs (T1) sowie die Nutzung der empfohlenen Informationsquellen und eine Änderung der Einstellung gegenüber KM (T2). Die vorgestellten Ergebnisse basieren auf der Evaluation zum Zeitpunkt T1.

Ergebnisse: Von 577 geschulten Selbsthilfe-Gruppenleitern haben N = 53 (64,2 Jahre alt, SD = 9,5; weibl.: 51,9 %; FSH = 53,8 %, BPS = 26,9 %, ILCO = 19,2 %) die Schulung in ihren SHGs umgesetzt und insgesamt 386 Teilnehmer (TN) geschult (65,6 J., SD = 11, 0; weibl.: 69,0 %). Hinderungsgründe für die Durchführung in der eigenen Gruppe aus Sicht der geschulten GL waren beispielsweise das hohe Durchschnittsalter und das als zu gering eingeschätzte Interesse der SHG-Mitglieder, die eigene Unerfahrenheit in der Durchführung von Schulungen sowie organisationale Probleme. Die GL fühlten sich sicher in der Moderation der Schulung und beurteilten die Unterstützung durch die bereitgestellten Schulungsmaterialien, das TN-Interesse und die Gruppenatmosphäre als gut. Die Hälfte der TN nutzen KM, wobei sich 84,3 % aller TN auch in der SHG darüber informieren. Die Zufriedenheit mit den einzelnen Modulen war insgesamt hoch. Der Nutzen der vermittelten Inhalte für die eigene Situation wurde im Durchschnitt mit „gut“ bewertet (Schulnotenskala „sehr gut“ – „ungenügend“), 92,7 % der TN würden die Schulung weiterempfehlen.

Diskussion: Nach Kenntnisstand der Autoren ist es das erste Mal, dass ein Informationsangebot zum Umgang mit KM für Selbsthilfegruppen implementiert und evaluiert wurde. Die Evaluation der Schulung zeigte bei GL und TN eine hohe Zufriedenheit mit der Auswahl und der Verständlichkeit der Inhalte.

Praktische Implikationen: Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Schulung zum Thema KM über trainierte Gruppenleiter ein geeignetes Format in Ergänzung zur ärztlichen Beratung zum Umgang mit KM darstellen kann. Zugleich ergeben sich Hinweise, dass sich ein Teil der GL in der Umsetzung der Schulung in den SHGs überfordert fühlt. Nach Einbeziehung der Daten zur Evaluation der Nachhaltigkeit (Messzeitpunkt T2) wird das Schulungskonzept abschließend bewertet werden können.


Literatur

1.
Horneber M, Bueschel G, Dennert G, Less D, Ritter E, Zwahlen M. How many cancer patients use complementary and alternative medicine: a systematic review and metaanalysis. Integr Cancer Ther. 2012 Sep;11(3):187-203. DOI: 10.1177/1534735411423920 Externer Link
2.
Verhoef MJ, Trojan L, Armitage GD, Carlson L, Hilsden RJ. Complementary therapies for cancer patients: assessing information use and needs. Chronic Dis Can. 2009;29(2):80-8.
3.
Weis J, Gschwendtner K. Welche Informationsbedürfnisse haben Menschen mit Krebs? In: Kompetenznetzwerk Komplementärmedizin in der Onkologie KOKON, Hrsg. Ergebnisse der ersten Förderphase (2012-2015). September 2018. S. 7-15.