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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Evaluation einer APN-geleiteten Sprechstunde in der Versorgung von Tumorpatientinnen mit oraler medikamentöser Therapie

Meeting Abstract

  • Kristina Lippach - Klinikum der Universität München, Pflegewissenschaft, München, Germany
  • Marianne Pöllabauer - Klinikum der Universität München, Stabsstelle Pflegewissenschaft und Praxisentwicklung, München, Germany
  • Sonja Olwitz - Klinikum der Universität München, Brustzentrum, München, Germany
  • Chrisoph Ohneberg - Klinikum der Universität München, Stabsstelle Pflegewissenschaft und Praxisentwicklung, München, Germany
  • Inge Eberl - Klinikum der Universität München, Stabsstelle Pflegewissenschaft und Praxisentwicklung, München, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf035

doi: 10.3205/19dkvf035, urn:nbn:de:0183-19dkvf0355

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Lippach et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Erweiterte Pflegepraxis“ begründet sich zum einen auf der aktuellen Diskussion zum Einsatz einer Advanced Practice Nurse (APN; Pflegefachperson mit Master-Abschluss in Pflege) im deutschsprachigen Raum. Zum anderen führen Entwicklungen in der Brustkrebstherapie zu veränderten Versorgungsbedarfen bei Patienten, welche wiederum neue pflegerische Konzepte nach sich ziehen. Im Rahmen einer Pilotierung des Einsatzes einer APN im Brustzentrum wird eine begleitende Evaluationsstudie über 2,5 Jahre durchgeführt. Die Studie wird durch die Sturm-Stiftung gefördert.

Ziel und Fragestellungen: Übergeordnetes Ziel ist die Generierung von Erkenntnissen zur Implementierung einer APN im Umfeld der eigenen Einrichtung.

  • IST-Analyse: Wie gestaltet sich die aktuelle pflegerische Versorgung in der ambulanten onkologischen Therapie und welche Anforderungen ergeben sich daraus?
  • Konzept: Wie wird das Konzept den Anforderungen an eine erweiterte Pflegepraxis gerecht?
  • Vor/ während Implementierung: Wie werden die Inhalte des Konzeptes umgesetzt?
  • Wirkungsphase: Inwiefern profitieren die betreuten Patientinnen von der APN?

Methoden: Als Studiendesign wurde eine Längsschnittstudie mit einem multidimensionalen Forschungszugang (Wagner 2015) und überwiegend qualitativ-deskriptiven Vorgehen gewählt. Es fanden fünf Phasen der Datenerhebung statt. Als Methoden kamen teilstandardisierte Interviews, Dokumentenanalyse und standardisierte Fragebögen (EORTC-QLQ30, EORTC-QLQ-Info 25) zum Einsatz. Zur Analyse wurde das tontechnisch aufgezeichnete Material transkribiert und mittels inhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016) in MAXQDA ausgewertet. Die Textdokumente wurden einer deduktiven Inhaltsanalyse (Mayring 2015) unterzogen. Die EORTC-Bögen wurden in SPSS verarbeitet und mit einem Kollektiv ohne APN-Intervention deskriptiv und mittels Interferenzstatistik verglichen.

Ergebnisse: Aktuell liegen Daten für die ersten vier Evaluationsschritte vor. Als Kernthemen konnten die Entwicklung der APN-Rolle und ihre Tätigkeiten, die APN im Verhältnis zu Ärzten und Pflegenden und der Einfluss der Rahmenbedingungen (hemmend/ fördernd) herausgearbeitet werden.

Bei der Betrachtung der pflegerischen Versorgung wurden Bedarfe identifiziert, wie die fehlende Kontinuität der Ansprechpartner für Patientinnen, der optimierungsfähige Umgang mit Assessments und die mangelnde pflegerische Beratung bei Patientinnen mit oraler Therapie. Flankiert wurden diese Anforderungen durch aktuelle Entwicklungen in der Tagesklinik, wie Personalmangel und Zunahme der Komplexität der Therapien.

Die Beurteilung des Konzeptes ergab, dass die Balance zwischen wissenschaftlich-methodische Kompetenz der APN und einer fachlich-praktischen Qualifikation schwer zu definieren ist. Dies resultiert unter anderem aus den differierenden Anforderungen der Stakeholder (Pflege vs. Ärzte). Ebenfalls betrachtet wurde die Implementierungsstrategie. Rahmenbedingungen, Begleitung der APN während der Implementierung, Rollenentwicklung und -definition bildeten zentrale Themen.

Unmittelbar vor der Implementierung zeigte sich, dass die Einarbeitung der APN gut vorbereitet wurde. Dennoch waren Detailfragen offen, wie die Vergütung der APN und die Verfügbarkeit von Arbeitsmitteln. Die Pflegefachpersonen der Onkologischen Tagesklinik fühlten sich unzureichend darüber informiert, wie das neue Konzept in bestehende Prozesse eingreifen wird.

Während der Implementierung wird deutlich, dass nach wie vor einige der Rahmenbedingungen nicht abschließend geklärt sind. Das Feinkonzept der APN hingegen ist erstellt und sieht sehr konkrete Maßnahmen zur Umsetzung ihrer Tätigkeiten vor.

Die Daten der Wirkungsphase befinden sich noch in Auswertung. Die Patienteninterviews zeigen eine deutliche Zufriedenheit der Patientinnen mit dem neuen Angebot der APN-Sprechstunde.

Diskussion: Das PEPPA-Framework (Bryant-Lukosius 2004), welches in Kanada erfolgreich als Leitfaden für Implementierungsprozesse für APNs dient, ist in Deutschland nicht unreflektiert umsetzbar. Kritisch ist das Thema „Akzeptanz der APN“ zu diskutieren, da es kaum Rollenvorbilder gibt und den Mitarbeitern im Umfeld der APN kaum konkrete Informationen zur Verfügung stehen. Rahmenbedingungen, wie Vergütung, Auswahl der erweiterten Tätigkeiten und Anforderungen an die pflegepraktische Expertise der APN müssen in Deutschland vor dem aktuellen berufspolitischen Entwicklungsstand diskutiert werden. Methodisch herausfordernd ist die Ermittlung von Outcome-Kriterien bei komplexen Wirkungszusammenhänge (Höhmann/Bartholomeyczik 2013).

Praktische Implikationen: Ziel des gesamten Evaluationsprozesses ist neben den Steuerungsmöglichkeiten im aktuellen Projekt der Gewinn von Erkenntnissen für Folgeprojekte. Mit der Entwicklung einer APN-Rolle ist immer auch die Entwicklung des gesamten Umfeldes im Sinne eines OE-Prozesses notwendig um Akzeptanz zu schaffen.