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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Drei randomisiert-kontrollierte Studien zur Evaluation des webbasierten Gesundheits-Coachs der Techniker Krankenkasse

Meeting Abstract

  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA), Freiburg, Germany
  • Iris Tinsel - Universitätsklinikum Freiburg, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA), Medizinische Fakultät, Freiburg, Germany
  • Gloria Metzner - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA), Freiburg, Germany
  • Christian Schlett - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA), Freiburg, Germany
  • Martina Bischoff - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA), Freiburg, Germany
  • Reinhard Fuchs - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportpsychologie, Freiburg, Germany
  • Ramona Wurst - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Sportwissenschaft, Abteilung Sportpsychologie, Freiburg, Germany
  • Daniel König - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Sport und Sportwissenschaft, Arbeitsbereich Ernährung, Freiburg, Germany
  • Judith Brame - Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Sport und Sportwissenschaft, Arbeitsbereich Ernährung, Freiburg, Germany
  • Peter Lindinger - Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung e.V., (Stellv. Vorsitzender), Frankfurt, Germany
  • Rainer Bredenkamp - Universitätsmedizin Göttingen, Ressort Forschung und Lehre, Studienzentrum, Göttingen, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf030

doi: 10.3205/19dkvf030, urn:nbn:de:0183-19dkvf0303

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Farin-Glattacker et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Für die Förderung des präventiven Gesundheitsverhaltens existiert eine kaum noch überschaubare Vielfalt von mobilen Apps sowie Webseiten und Portalen. Ohne die Aufstellung und Prüfung von wissenschaftlich erfassbaren Qualitätsmerkmalen ist absehbar, dass Nutzer die Orientierung im Markt der Angebote verlieren werden und nicht gesichert ist, dass ein qualitativ hochwertiges und wirksames Programm genutzt wird. Qualitätskriterien für derartige Angebote umfassen z.B. die Wirksamkeitsprüfung (möglichst mit einer randomisiert-kontrollierten Studie), eine medizinisch-psychologisch fundierte inhaltliche Konzeption, eine nutzerfreundliche technische Umsetzung und auch die Sicherstellung des Erreichens der intendierten Zielgruppe. Die vorliegende Studie fokussiert auf das erste Kriterium (Wirksamkeitsprüfung) und untersucht mit randomisiert-kontrolliertem Design den GesundheitsCoach der Techniker Krankenkasse (https://ecoach.tk.de).

Fragestellung: Der in den letzten Jahren erarbeitete und kontinuierlich weiterentwickelte TK GesundheitsCoach bietet den Nutzern ein auf Gesundheitsverhalten bezogenes Coaching, welches sich – je nach Gesundheitsziel – auf verschiedene Themen (wie z.B. „Fitness steigern“, „Gewicht abnehmen und halten“, „Mit dem Rauchen aufhören“) bezieht. Ziel des Coaches ist es, dem Nutzer bei der Verwirklichung seiner persönlichen Gesundheitsziele hilfreich zur Seite zu stehen und damit präventives Gesundheitsverhalten zu fördern. Nach der Klassifikation von Knöppler et al. [1] liegen die Schwerpunkte des Programms bei den Anwendungstypen 3 »Indirekte Intervention: Förderung von Selbstwirksamkeit, Adhärenz & Sicherheit« und 4 »Direkte Intervention: Veränderung von Fähigkeiten, Verhalten & Zuständen«. Ziel der Evaluation ist es, die Wirksamkeit der drei o.g. Coachings („FitnessCoaching“ FC, „AbnehmCoaching“ AC und „NichtraucherCoaching“ NC) zu überprüfen.

Methode: Die summative Evaluation besteht aus drei jeweils zweiarmigen RCTs, in denen die primären Endpunkte (Gesundheitsverhalten) als Selbstwahrnehmung über den Nutzer erfasst werden. In den RCTs wird verglichen, inwiefern die Teilnahme an einem der o.g. Coachings (=Interventionsgruppe) mit einer größeren Verbesserung des jeweiligen Gesundheitsverhaltens verbunden ist, als die Teilnahme an einem wenig interaktiven Online-Informationsangebot (=Kontrollgruppe). In den RCTs zu den Coachs FC und AC erfolgt zusätzlich je eine Teilstudie, die medizinisch-physiologische Messungen einschließlich des Einsatzes von Activity Trackern umfasst.

Die primären Endpunkte sind:

  • FC: Veränderung der Bewegungs- und Sportaktivität (in der medizinischen Teilstudie zusätzlich Veränderungen der maximalen Sauerstoffaufnahme)
  • AC: Gewichtsreduktion in kg (in der medizinischen Teilstudie zusätzlich der Körperfettanteil)
  • NC: Rauchabstinenz

Sekundäre Zielgrößen sind die Veränderungen des Ernährungsverhaltens, der Zigarettenabhängigkeit, Veränderungen in der Motivation, der Handlungsplanung und dem Barrierenmanagement, die wahrgenommene Zielerreichung und die Veränderung der Lebensqualität (SF-12). In der medizinischen Teilstudie zusätzlich Blutdruck, Endothelfunktion, Cholesterine, Trigyzeride, und HbA1c-Werte.

Zusätzlich werden Nutzerdaten der Studienteilnehmer im Hinblick auf die Häufigkeit und Dauer der Logins der Teilnehmer in den spezifischen Interventionsmodulen erhoben und analysiert.

In allen RCTs sollen ab dem 1. September 2019 innerhalb von sechs Monaten insgesamt ca. N = 3.000 Studienteilnehmer rekrutiert werden. Es werden vier Messzeitpunkte realisiert (t0 = Interventionsbeginn, t1= Ende der empfohlenen Mindestlaufzeiten der Interventionen (nach 6 bzw. 12 Wochen), t2= 4 bzw. 6 Monaten nach t1; t3=12 Monate nach t1).

Die formative Evaluation umfasst Fragen zur Programm-Compliance und -Intensität, sowie zu Motivation und Nutzerzufriedenheit. Diese werden u.a. mittels qualitativen halbstandardisierten Telefoninterviews, Fragebögen und weiteren Nutzerdaten erhoben.

Diskussion und praktische Implikationen: Der gesamtgesellschaftliche Nutzen von Digital Health-Angeboten zur Förderung des Gesundheitsverhaltens wird auch davon abhängen, dass eine qualitäts- und wirksamkeitsbezogene Selektion stattfindet und keine reinen Marketing-Aspekte über die Verbreitung eines Angebots entscheiden. Ungenügende Gesundheits-Coachings können auch zu negativen Nebenwirkungen führen (z.B. Demotivierung, Durchführung medizinisch schädlicher Aktivitäten). Die vorliegende Studie versteht sich auch als Prototyp eines wissenschaftlichen Prüfansatzes, mit dem die Versorgungsforschung dazu beitragen kann, Qualitätstransparenz über derartige Angebote herzustellen.

Förderung: Die Studie wird von der Techniker Krankenkasse gefördert.


Literatur

1.
Knöppler K, Neisecke T, Nölke L. Digital-Health-Anwendungen für Bürger. Kontext, Typologie und Relevanz aus Public-Health-Perspektive. Entwicklung und Erprobung eines Klassifikationsverfahrens. Bertelsmann Stiftung; 2016.