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18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

09. - 11.10.2019, Berlin

Wirksamkeit einer Internet Intervention für die Reduktion von Alkoholkonsum bei Erwachsenen (Vorvida): Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Studie

Meeting Abstract

  • Jördis Maria Zill - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Eva Christalle - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Björn Meyer - GAIA AG, GAIA AG, Hamburg, Germany
  • Martin Härter - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany
  • Jörg Dirmaier - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Psychologie, Hamburg, Germany

18. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 09.-11.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19dkvf027

doi: 10.3205/19dkvf027, urn:nbn:de:0183-19dkvf0277

Veröffentlicht: 2. Oktober 2019

© 2019 Zill et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland wiesen im Jahr 2012 ca. 3.4 Millionen Menschen eine alkoholbezogene Störung auf. Studien zeigen, dass Internet Interventionen zur Reduktion des Alkoholkonsums beitragen, jedoch meist geringe Effektstärken aufweisen. Ob individuelle Anpassungen der Programminhalte an den Benutzer die Wirksamkeit positiv beeinflussen können, ist bisher unklar.

Fragestellung: Es wurde die Wirksamkeit der kognitiv-behavioralen Internet Intervention Vorvida, mit individueller Anpassung der Inhalte, in Hinblick auf die Reduktion des Alkoholkonsums und auf psychologische Aspekte von Alkoholkonsum, getestet. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF-Förderkennzeichen: 01KQ1002B) gefördert.

Methoden: 608 Erwachsene mit riskantem Alkoholkonsum wurden deutschlandweit in eine pragmatische randomisierte kontrollierte Studie (RCT) mit Interventionsgruppe (IG) und Care-as-usual-/Warteliste-Kontrollgruppe (CAU/WL) eingeschlossen. Primäres Outcome war der selbstberichtete Alkoholkonsum (Quantity-Frequency-Index (QFI); Timeline-Follow-Back (TFB) Methode)).

Sekundäre Outcomes umfassten das Trinkverhalten (Rauschtrinken/Betrunkensein) sowie psychologische Aspekte des Alkoholkonsums:

1.
Erwartung positiver Alkoholwirkungen (Comprehensive Alcohol Expectancy Questionnaire (CAEQ)),
2.
Abstinenz- und Rückfallerwartung (Alcohol abstinence self-efficacy scale – German Version (AASE-G)),
3.
Änderungsmotivation (Fragebogen zur Änderungsbereitschaft bei Alkoholkonsum (RCQ-G); Readiness-Ruler).

Die Zufriedenheit mit dem Programm wurde für die IG erhoben.

Daten wurden zur Baseline-Befragung (t0) und zwei Folgebefragungen nach drei (t1) und 6 Monaten (t2) erhoben. Es wurden „Intention to Treat“ – Analysen (ITT) mit Ersetzung fehlender Werte durch Multiple Imputation durchgeführt.

Ergebnisse: Von 608 Teilnehmern füllten 458 (75%) die Folgebefragungen zu t1 und 425 (70%) zu t2 aus. Zu t1 zeigten sich signifikante Gruppenunterschiede zwischen der IG und CAU/WL bezüglich des Alkoholkonsums (QFI: d = 0.28; TFB: d = 0.42), des Rauschtrinkens (d = 0.87) und des Betrunkenseins (d = 0.39). Die IG zeigte eine signifikant geringere Erwartung von positiver Alkoholwirkung (CAEQ-Skalen: d=0.20 bis d=1.00) und eine höhere Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf die Abstinenz (AASE: Sicherheit: d=0.31; Versuchung: d=0.48) als die CAU/WL. Alle Effekte waren zu t2 erhalten bzw. verstärkt. Für die Änderungsmotivation zeigten sich zu t1 keine signifikanten Gruppenunterschiede (RCQ-G). Zu t2 befanden sich signifikant mehr Teilnehmende der IG in den Stadien „Absichtsbildung“ oder „Handlung“ (Chi-Quadrat=12,3, Freiheitsgrade=2) als aus der CAU/WL. Für den Readiness-Ruler zeigten sich nur zu t2 auf der Skala Zuversicht ein signifikanter Gruppenunterschied (d=0.85). Die subjektive Zufriedenheit mit dem Programm wurde von der IG als sehr hoch berichtet.

Diskussion: Vorvida erwies sich sowohl bei problematisch riskanten Alkoholkonsumenten als effektiv bei der Reduktion des Alkoholkonsums als auch bei psychologischen Aspekten des Alkoholkonsums. In zukünftigen Studien sollte untersucht werden, welche Programmelemente in der klinischen Routine besonders zur Effektivität beitragen und welche Langzeiteffekte erzielt werden können.

Implikationen: Das Programm kann als zusätzliches oder alleinstehendes Behandlungstool bei dieser Patientengruppe genutzt werden.