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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Lab-on-a-chip – Hip oder Hype der Personalisierten Medizin

Meeting Abstract

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  • Alexander Gebauer - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Universitätsmedizin Greifswald, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Greifwald, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV053

doi: 10.3205/17dkvf412, urn:nbn:de:0183-17dkvf4124

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Gebauer.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die modernen Lebenswissenschaften eröffnen vielversprechende Ansätze für die zukünftige Gesundheitsversorgung. Insbesondere für eine individualisierte Medizin sind feiner differenzierte, frühzeitigere Diagnostik- u. Therapieansätze erforderlich. Portable Lab-on-a-Chip-Diagnostiksysteme (LOCs) können die Diagnose von Krankheiten bereits am Point-of-care durch die Bestimmung von spezifischen Biomarkern ermöglichen. Im DIA-LOC-Projekt sollten sowohl Informationen über die Potentiale von LOCs als auch Bedarfe und Ansatzpunkte für eine Unterstützung zukünftiger Implementierungen in der Gesundheitsversorgung ermittelt werden. Zur Abschätzung der Potentiale und Einsatzgebiete von LOCs in der Gesundheitsversorgung ist es notwendig, diejenigen Erkrankungen zu ermitteln, die einen hohen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen in der Bevölkerung haben und bei denen gleichzeitig die Diagnostik identifizierter Biomarker die Versorgung verbessern kann.

Methodik: Mit der Durchführung von leitfaden-gestützten, teilstandardisierten Experteninterviews sollten Perspektiven, Anforderungen und Bedenken im Hinblick auf LOCs ermittelt werden. Die Experten (N=30) waren hierbei nationale und internationale Forscher auf dem Gebiet der individualisierten Medizin. Basierend auf den Einschätzungen der Experten wurde eine systematische Literaturrecherche zu LOCs für Erkrankungen durchgeführt, die ein großes Potential für eine zukünftige Realisierung besitzen und für die eine frühe Biomarker-Diagnostik besonders relevant ist. Aufgrund der stetig wachsenden Möglichkeiten durch neu entwickelte, fortschrittlichere Technologien hatten wir uns hierbei auf Studien der letzten 10 Jahre beschränkt. Basierend auf dem aktuellen Forschungsstand zu vorhandenen LOCs für relevante Erkrankungen wurden Potentiale und Bedarfe eingeschätzt.

Eine Befragung von Klinikern und Ärzten (N=61) sollte Informationen über die Umsetzbarkeit, mögliche Risiken und mögliche Hindernisse bei der Implementierung neuer LOCs liefern. Der Fragebogen enthielt Aussagen aus den Experten-Interviews und Ergebnisse der Literaturrecherche.

Fragestellung: Auf Grundlage der Ergebnisse aus den Experteninterviews, der Literaturrecherche und der Ärztebefragung wird in der Doktorarbeit analysiert, welche Möglichkeiten als auch Barrieren bei der Implementierung von LOCs im Gesundheitswesen zu berücksichtigen sind. Die Identifikation von Ansatzpunkten für vielversprechende LOCs und die Analyse der zukünftigen Potentiale in der Gesundheitsversorgung soll Hinweise liefern, für welche Biomarker der Aufwand für die Entwicklung von Testverfahren am sinnvollsten erscheint.

(Teil-)Ergebnisse: Die Mehrheit der von uns interviewten Experten beurteilt das Potential von LOCs als unbestreitbar und sieht deren Durchbruch in der Regelversorgung nur als eine Frage der Zeit an. Das Potential von LOCs ist dabei nicht nur auf schnellere und zuverlässigere Diagnosemethoden beschränkt, sondern liegt auch in deren Unabhängigkeit von spezialisierten Einrichtungen (z.B. Klin.-chem. Labore) und damit der Möglichkeit des direkten Zuganges zu spezieller Diagnostik am Point-of-Care. LOCs unterstützen nicht nur eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, sondern besitzen auch Potential für einen Beitrag zur Kostenreduzierung im öffentlichen Gesundheitssektor. Die Ärzte als potentielle Nutzer stehen LOCs generell sehr positiv und aufgeschlossen gegenüber. Über die Hälfte der Befragungsteilnehmer sieht einen großen oder sehr großen Nutzen für die Gesundheitsversorgung durch deren zukünftig verstärkten Einsatz. Der größte Bedarf wird hierbei in der Diagnostik und Früherkennung gesehen. Über 90% der von uns befragten Ärzte würde LOCs uneingeschränkt oder abhängig vom Patientenfall verwenden. Fast die Hälfte der Befragten nutzt diese Technologie bereits regelmäßig in ihrer Praxis und nur rund 10% gaben an, LOCs nur unter der Voraussetzung der Kostenrückerstattung nutzen zu wollen.

Diskussion: Im Zuge der personalisierten Medizin können LOCs eine wichtige Rolle spielen. Die frühe Diagnostik und darauf basierend individualisierte Behandlungsansätze, die durch den Einsatz von LOCs ermöglicht werden, haben neben der gesundheits-ökonomischen auch eine wichtige volkswirtschaftliche Perspektive. Die frühzeitigere Diagnose und Therapie bevölkerungsrelevanter Erkrankungen und Risikofaktoren könnten bspw. zu einer Reduktion der Krankheits- und Krankheitsfolgekosten führen bzw. ein längeres und gesünderes Verbleiben im Arbeitsleben ermöglichen.

Obwohl die Performance von LOCs in nahezu allen analysierten Studien positiv evaluiert wurde, zeigen die Ergebnisse, dass die Testsettings oftmals noch eher einem Forschungslabor entsprachen als dem realen Versorgungssetting. Im Kontrast dazu steht der Vertrieb von LOCs von einer Vielzahl von Firmen, ohne dass deren Evaluation zuvor in öffentlich zugänglichen Quellen publiziert wurde.