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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Eine Verknüpfungstabelle von Verordnungen und Diagnosen unter Einbeziehung von ATC-Klassifikation und ICD-10-GM

Meeting Abstract

  • Josephine Schuster - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Inés Rincón Hansen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Michael Erhart - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Jürgen Stausberg - Essen, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP174

doi: 10.3205/17dkvf365, urn:nbn:de:0183-17dkvf3654

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Schuster et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Qualität der Kodierung von Diagnosen durch Vertragsärzte hat im Gesundheitssystem in Deutschland einen hohen Stellenwert. Nicht nur im Hinblick auf den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich ist eine vollständige und plausible Kodierung wünschenswert. Frühere Untersuchungen, die die Validität der Diagnoseverschlüsselung mit der ICD-10-GM im Zusammenhang mit Arzneiverordnungen überprüften, deckten hier einen Verbesserungsbedarf auf. Eine Verknüpfungstabelle von Arzneimitteln und Diagnosen könnte dazu dienen, ausgehend von verordneten Medikamenten die Diagnosendokumentation auf Vollständigkeit und Plausibilität zu überprüfen. Zu jedem Arzneimittel gäbe die Tabelle erwartbare Diagnosekodes an, die den (zugelassenen) Indikationsbereich widerspiegeln.

Fragestellung: Wie lassen sich Entwicklung und Struktur einer Verknüpfungstabelle von Arzneimitteln und Diagnosen zur Verbesserung der Kodierqualität von Vertragsärzten gestalten, und welche Herausforderungen sind zu bewältigen, damit diese ein sinnvoll einsetzbares Instrument darstellt?

Methode: In einer Verknüpfungstabelle werden Arzneimittelwirkstoffe in Form von Kodes der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikation (ATC-Klassifikation) Diagnosen in Form von Kodes der ICD-10-GM gegenübergestellt. Grundlage für die Erstellung der Tabelle bildeten Arzneiverordnungsdaten (AVD) und vertragsärztliche Abrechnungsdaten (VDA) des Versicherungsjahres 2011. Diese wurden auf Patientenebene zusammengeführt und aus relativen Häufigkeiten des Zusammentreffens von Wirkstoffen und Diagnosen in einem Abrechnungsquartal mögliche Verknüpfungen abgeleitet. Das Ergebnis wurde plausibilisiert; wo erforderlich, erfolgte eine inhaltliche Beurteilung unter Einbeziehung der Datenbank ABDAMED des ABDATA Pharma-Daten-Services mit Informationen zu Fertigarzneimitteln einschließlich der zugelassenen Indikationsbereiche.

Ergebnisse: Die Version der Verknüpfungstabelle für das Datenjahr 2014 enthält 41.638 Datensätze. Es sind 1.730 verschiedene ATC-Kodes aus der amtlichen deutschen ATC-Klassifikation abgebildet. Damit beinhaltet die Datenbank mindestens eine Verknüpfung zu 28 % der 7-stelligen ATC-Kodes der amtlichen Fassung bzw. mindestens eine Verknüpfung zu 69 % der ATC-Kodes von Arzneimitteln, die 2014 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet wurden. Die Zahl von Verknüpfungen je ATC-Kode liegt zwischen 1 und 1.010 (Median 7). Die ATC-Kodes sind mit insgesamt 5.170 terminalen Kodes der ICD-10-GM 2014 verknüpft. Damit beinhaltet die Datenbank mindestens eine Verknüpfung zu 39 % der terminalen Kodes der ICD-10-GM 2014 bzw. mindestens eine Verknüpfung zu 39 % der Diagnosenkodes von Patienten mit einer Arzneimittelverordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Zahl von Verknüpfungen je Kode der ICD-10-GM liegt zwischen 1 und 122 (Median 4).

Diskussion: Die Verknüpfungstabelle kann jetzt auf regionaler Ebene zur Überprüfung der Diagnosendokumentation eingesetzt werden. Ihre Erstellung war mit einigen Herausforderungen assoziiert. Aufgrund der Menge an verordneten Medikamenten erwies sich die Übersetzung von Indikationsbereichen in Diagnosekodes als mit hohem Aufwand verbunden. Leider fehlt eine Strukturierung und Standardisierung der Fachinformation, über die Indikationen, Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Wechselwirkungen direkt mit den entsprechenden Klassifikationen ausgelesen werden könnten. Der daraufhin gewählte, mit Fehlern behaftete empirische Zugang über beobachtete Häufigkeiten war daher vertretbar. Von Zufalls-Kombinationen des empirischen Ansatzes musste die Tabelle bereinigt werden. Abgebildet wird im Datenbestand außerdem die Ist-Situation in Deutschland, unabhängig von der Evidenzlage. Weiterhin ist zu bedenken, dass nur verschreibungsfähige Arzneimittel berücksichtigt wurden und nur Daten von gesetzlich Krankenversicherten eingeflossen sind. Altersspezifische Besonderheiten fanden ebenfalls noch keine Berücksichtigung. Eine weitere Problematik betrifft den Off-Label-Use ebenso wie die teils unterschiedlichen Zulassungsbereiche innerhalb einer Wirkstoffklasse. Bei der Fortschreibung der Verknüpfungstabelle für die folgenden Datenjahre werden die erkannten Problembereiche schrittweise aufgearbeitet.

Praktische Implikationen: Die Verknüpfungstabelle soll im ambulanten Bereich die Diagnosendokumentation unterstützen und damit einen Beitrag zu einer guten Kodierqualität leisten. Wünschenswert ist ein intensives Feedback der Nutzer über die konkrete Anwendung. Perspektivisch denkbar ist die Einbindung in Praxisverwaltungssysteme, um Ärzten vor Ort auf der Basis ihrer Arzneimittelverordnung eine Hilfestellung bei der Diagnosenkodierung anzubieten.