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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Ausnahmetatbestände der Mindestmengenregelungen, eine längsschnittliche Analyse der Qualitätsberichtsdaten von 2006 bis 2014

Meeting Abstract

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  • Werner de Cruppé - Philipps-Universität Marburg, Marburg, Germany
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Marburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP172

doi: 10.3205/17dkvf363, urn:nbn:de:0183-17dkvf3636

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 de Cruppé et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Seit dem Jahr 2004 gelten für Krankenhäuser in Deutschland bei einigen operativen Eingriffen Mindestmengen (MM). In Anlage 2 der Mindestmengenregelungen (MMR) sind seit Einführung 4 berichtspflichtige Ausnahmetatbestände (AT), neben 2 bis 4 nicht berichtspflichtigen, aufgeführt. Die Krankenhäuser müssen in ihrem Qualitätsbericht die Anzahl der Eingriffe je Berichtsjahr veröffentlichen und bei Unterschreiten auch eventuell vorliegende AT. Sollte einer der 4 vorliegen, wäre das Unterschreiten der MM begründet. Berichtspflichtige AT sind Eingriffe, die als 1) Notfall, 2) zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung, 3) beim Aufbau neuer Leistungsbereiche mit 36 Monaten Übergangszeitraum sowie 4) bei personeller Neuausrichtung bestehender Leistungsbereiche mit 24 Monaten Übergangszeitraum, durchgeführt werden.

Fragestellung: Welche AT geben Krankenhäuser bei Eingriffen unterhalb der MM an? Wie halten Krankenhäuser mit Eingriffszahlen unterhalb der MM je nach AT die MM im zeitlichen Verlauf ein?

Methode: Längsschnittliche Analyse der Sekundärdatenquelle Krankenhausqualitätsberichte der Berichtsjahre: 2006, 2008, 2010, 2012 und 2014 zu den 4 AT bei den Mindestmengen unterliegenden Eingriffen, für die durchgehend gleiche Mindestmengen gelten und ausreichend Daten verfügbar sind. Dies sind die jährlichen Mindestmengen bei komplexen Eingriffen am Organsystem Ösophagus mit 10 Eingriffen, komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas mit 10 Eingriffen und Stammzelltransplantationen (St-TX) mit 25 Eingriffen. In der Analyse sind je Eingriff alle Krankenhäuser enthalten, die mindestens einmal in den Berichtsjahren Angaben zur jeweiligen MM ausweisen und für die in allen Auswertungsjahren ein Qualitätsbericht vorliegt. Die Auswertung ist deskriptiv.

Ergebnisse: Bei Ösophagus-Eingriffen liegen etwa zwei Drittel (120) der Krankenhäuser je Jahr unter der MM, bei Pankreas-Eingriffen schwankt dies zwischen drei Viertel (150) und der Hälfte, bei St-TX sind dies wieder etwa zwei Drittel (20). Bei Ösophagus- und Pankreas-Eingriffen sind mit jeweils einem Drittel der Krankenhäuser in den 5 Berichtsjahren die Notfalleingriffe der häufigste AT, gefolgt von 36% Aufbau einer Einheit und 30% personeller Umbau und knapp 30% ohne Angabe eines AT. Die Sicherung der flächendeckenden Versorgung ist praktisch irrelevant (1%). Bei St-TX sind der Aufbau einer Leistungseinheit und die personelle Neuausrichtung mit fast der Hälfte der Krankenhäuser die häufigsten Gründe, gefolgt von je einem Viertel Sicherstellung und keiner Angabe, Notfälle sind hierbei irrelevant.

Krankenhäuser mit dem AT Notfall, praktisch nur bei Ösophagus- und Pankreaseingriffen, geben in den Folgejahren auf 15% abnehmend den gleichen AT an, berichten zunehmend bis zu drei Vierteln jedoch keine Fälle mehr, führen die Eingriffsart also nicht mehr durch. Beim AT Aufbau eines neuen Leistungsbereiches erfüllen 2 Jahre später ein Viertel bis ein Drittel der Krankenhäuser die MM, jedoch weisen die Hälfte bis drei Viertel keine Fälle mehr für die jeweilige Eingriffsart aus. Beim AT personelle Neuausrichtung erfüllen im übernächsten Berichtsjahr, 4 Jahre später, die Hälfte der Krankenhäuser die MM, ein Drittel weist auch hier keine Fallzahlen mehr auf, wobei die Anzahl Krankenhäuser mit diesem AT bei St-TX mit 2 bis 4 je Berichtsjahr sehr gering ist.

Diskussion: Diese erstmalige Analyse der berichtspflichtigen AT im Rahmen der MMR zeigt ein plausibles Ergebnis im Hinblick darauf, welche AT für den jeweiligen Eingriff gegeben werden. Notfälle dominieren erwartungsgemäß als Grund kleiner Fallzahlen bei Ösophagus- und Pankreaseingriffen, wohingegen die Behandlung mit St-TX kein Notfalleingriff ist, jedoch mit einem höheren Anteil in Veränderung befindlicher Abteilungen, die diesen Eingriff anbieten, verbunden ist. Über eine mehrjährige Perspektive betrachtet erreicht oft nur knapp die Hälfte die MM zu erreichen, wobei andererseits dann auch viele Krankenhäuser keine Fallzahlen zur jeweiligen Eingriffsart ausweisen, diese also nicht mehr durchführen.

Schlussfolgerung: Wenn AT reduziert werden sollen ist bezüglich Notfalleingriffen eine abgestimmte regionale Zuweisung solcher Fälle ein Weg diesen Anteil in Krankenhäusern ohne ausreichende Fallzahl zu vermindern. Dynamische Veränderungen wie Neuaufbau und personelle Veränderungen sind notwendiger Bestandteil eines lebendigen Wandlungsprozesses sowohl im Hinblick auf im Krankenhaus veränderte Kompetenzen als auch Bedarfe von außen, so dass solche AT nötig sind und eine sehr strikte Regulierung die Anpassungsprozesse als eigenständige Leistung der Krankenhäuser vor Ort beeinträchtigte.