gms | German Medical Science

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Effekt der medizinischen Rehabilitation auf die sportliche Aktivität und Motivation bei Frauen nach Brustkrebs sechs Monate nach Entlassung aus der Reha-Einrichtung

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Leonie Ralf - Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg, Germany
  • Wiebke Göhner - Katholische Hochschule Freiburg, Freiburg, Germany
  • U. Spörhase - Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg, Germany
  • Eva Maria Bitzer - Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP146

doi: 10.3205/17dkvf334, urn:nbn:de:0183-17dkvf3341

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Ralf et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Körperliche Aktivität nach Brustkrebs hat nachweislich positive Effekte u.a. auf das Fatigue-Syndrom, die Lebensqualität und vermutlich auch auf die Lebenserwartung [1], [2]. Viele Frauen nach einer Brustkrebserkrankung reduzieren während und nach der Behandlung den Umfang an körperlicher Aktivität und behalten diesen bewegungsarmen Alltag oftmals bei [3], [4]. Die medizinische Rehabilitation verfolgt das Ziel, diese Frauen in der Aneignung eines körperlich aktiven Lebensstils nachhaltig zu unterstützen. Die Reha-Therapiestandards „Brustkrebs“ der Deutschen Rentenversicherung fordern hierfür, dass mindestens 75% der Rehabilitandinnen während der Rehabilitation Bewegungstherapie in einem zeitlichen Umfang von vier Stunden pro Woche erhalten [5]. Es liegen Hinweise vor, dass Frauen nach einer an einer medizinischen Rehabilitation, ein Jahr nach der Operation körperlich aktiver sind als Frauen ohne Rehabilitations-Aufenthalt [3], [6]. Um jedoch ein körperlich aktives Verhalten zu beginnen und dauerhaft aufrecht zu erhalten, braucht es u.a. eine starke Zielintention und Selbstwirksamkeit [7]. Ziel des Beitrages ist es herauszufinden, ob sich der Umfang der sportlichen Aktivität durch den Einfluss der medizinischen Rehabilitation verändert und ob nachweisbare Veränderungen hinsichtlich Zielintention und Selbstwirksamkeit erzielt werden.

Methodik: Im Rahmen einer aktuellen prospektiven kontrollierten bi-zentrischen Studie zur Wirksamkeit einer Schulung zur nachhaltigen Bewegungsförderung, wird der Effekt der Rehabilitation auf die Kontrollgruppe überprüft. Die Datenerhebung erfolgt zu vier Messzeitpunkten (Reha-Beginn=T0, Reha-Ende=T1, 6- (T2) und 12-Monats-Katamnese=T3). Die Zielgruppe besteht aus Rehabilitandinnen mit der Hauptindikation „Mammakarzinom“, welche in zwei kooperierenden Reha-Einrichtungen im Zeitraum April 2015 bis Oktober 2016 die Standardversorgung der medizinischen Rehabilitation erhielten und durch eine Vorauswahl als sportlich inaktiv während des letztens Monats identifiziert wurden (<60 Min/Wo). Primäres Zielkriterium ist die sportliche Aktivität (BSA-Fragebogen; [8]. Sekundäre Parameter sind die Zielintention [9] und die spezifische Selbstwirksamkeit [10]. Die Auswertung der Sportaktivität erfolgte deskriptiv mit den dazugehörigen Konfidenzintervallen (95% CI). Die sekundären Zielkriterien wurden anhand von t-Tests auf bestehende Mittelwertsunterschiede geprüft. Außerdem wurde ein logistisches Regressionsmodell für die sportliche Aktivität sechs Monate nach Klinikentlassung berechnet. Die Einwilligung zur Teilnahme war freiwillig und die Befragung erfolgte verschlüsselt. Vorgestellt werden Ergebnisse für den Nachbeobachtungszeitraum von sechs Monaten nach Entlassung aus der Rehabilitationsklinik.

Ergebnisse: Es liegen Antworten von n=315 Rehabilitandinnen (55% Klinik A, 45% Klinik B) vor. Das Durchschnittsalter der Frauen beträgt 56 Jahre (SD=9,7). Der durchschnittliche Umfang an sportlicher Aktivität liegt zum ersten Messzeitpunkt (T0) bei 10 Min/Wo (95% CI=7-13 Min/Wo), zum Ende des Rehabilitationsaufenthaltes (T1) sind die Befragten 200 Min/Wo (95% CI=182-218 Min/Wo) sportlich aktiv. Sechs Monate nach Reha-Ende (T2) geben die Frauen an, 84 Min/Wo (95% CI=71-97 Min/Wo) sportlichen Aktivitäten nachzugehen. Der Anteil der sportlich aktiven Frauen im zeitlichen Verlauf ist der Abbildung 1 zu entnehmen. Die Zielintention nimmt vom ersten (M=3,8; SD=1,1) zum zweiten Messzeitpunkt (M=4,0; SD=1,0; t(362)=5,6; p=.001) signifikant zu, fällt allerdings zum dritten Messzeitpunkt (T2), sechs Monate nach Reha-Aufenthalt (M=3,5; SD=1,5; t(237)=-2,7; p=.007), bis unter den Ausgangswert zurück. Die spezifische Selbstwirksamkeit (Initiierungs-, Aufrechterhaltungs- und Wiederaufnahme-Selbstwirksamkeit) steigt während des drei-wöchigen Reha-Aufenthaltes ebenfalls signifikant an (T0: M=3,5; SD=1,2; T1: M=3,8 (SD=1,0); t(362)=5,3; p=.000). Im weiteren Verlauf fallen die Werte aber auch zum Ausgangsniveau zurück (T2: M=3,3; SD=1,4; t(239)=-1,1; p=.281). Bei besserer Lebensqualität und einem höheren Umfang der Sportaktivität zum Zeitpunkt T1, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, auch nach sechs Monaten sportlich aktiv zu sein.

Diskussion und Fazit: Sechs Monate nach Klinikentlassung sind fünf von zehn der zuvor sportlich inaktiven Frauen sportlich aktiv, was die mittelfristige Wirkung der Standard-Rehabilitation bestätigt. Aber auch fünf von zehn Frauen sind wieder sportlich inaktiv. Das spricht für die Entwicklung spezieller Angebote für diese Zielgruppe zur nachhaltigen Unterstützung eines körperlich-sportlich aktiven Lebensstils.

Förderung: Deutsche Rentenversicherung Bund


Literatur

1.
Holmes MD, Chen WY, Feskanich D, Kroenke CH, Colditz GA. Physical activity and survival after breast cancer diagnosis. JAMA. 2005;293(20):2479-86.
2.
Mustian KM, Alfano CM, Heckler C, Kleckner AS, Kleckner IR, Leach CR, Mohr D, Palesh OG, Peppone LJ, Piper BF, Scarpato J, Smith T, Sprod LK, Miller SM. Comparison of Pharmaceutical, Psychological, and Exercise Treatments for Cancer-Related FatigueA Meta-analysis. JAMA Oncol. Published online March 02, 2017.DOI: 10.1001/jamaoncol.2016.6914 Externer Link
3.
Bock C, Schmidt ME, Vrieling A, Chang-Claude J, Steindorf K. Walking, bicycling, and sports in postmenopausal breast cancer survivors-results from a German patient cohort study. Psycho-Oncology. 2013;22:1291-1298.
4.
Broderick JM, Hussey J, Kennedy MJ, O'Donnell DM. Testing the 'teachable moment' premise: does physical activity increase in the early survivorship phase? Supportive Care in Cancer. 2013;22:989-997.
5.
Deutsche Rentenversicherung Bund. Reha-Therapiestandards. Brustkrebs. 2016. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/3_Infos_fuer_Experten/01_sozialmedizin_forschung/downloads/quali_rehatherapiestandards/Brustkrebs/rts_brustkrebs_download.pdf?__blob=publicationFile&v=18, Abruf: 26.10.2016. Externer Link
6.
Kähnert H, Exner AK, Leibbrand B, Biester I, Gharaei D, Niehues C, Trapp, M. Bewegungsförderung von Brustkrebspatientinnen: Ergebnisse der INOPStudie sechs und zwölf Monate nach Abschluss einer stationären Rehabilitation. In: Deutsche Rentenversicherung Bund, Hrsg. 22. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium. 2013. S. 360-361.
7.
Fuchs R. Das MoVo-Modell als theoretische Grundlage für Programme der Gesundheitsverhaltensänderung. In: Fuchs R, Göhner W, Seelig H, Hrsg. Aufbau eines körperlich-aktiven Lebensstils: Theorie Empirie und Praxis. Göttingen: Hogrefe; 2007. S. 317-326.
8.
Fuchs R, Klaperski S, Gerber M, Seelig H. Messung der Bewegungs- und Sportaktivität mit dem BSA-Fragebogen: Eine methodische Zwischenbilanz. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie. 2015;23:60-76.
9.
Seelig H, Fuchs R. Messung der sport- und bewegungsbezogenen Selbstkonkordanz. Zeitschrift für Sportpsychologie. 2006;13:121-139.
10.
Krämer L, Fuchs R. Barrieren und Barrierenmanagement im Prozess der Sportteilnahme. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie. 2010;18:170-182.